Ungarische und EU-Fahnen
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Reformen nicht genug

EU will Milliardenhilfe für Ungarn einfrieren

Die EU-Kommission will geplante Milliardenzahlungen an Ungarn einfrieren. Konkret geht es um 7,5 Mrd. Euro, die zurückgehalten werden sollen, weil Ungarn gegen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verstößt, hieß es am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Brüssel. Das letzte Wort haben nun die Mitgliedsstaaten, die Abstimmung darüber könnte eng werden. Doch auch andere Fördergelder Richtung Budapest wackeln bereits.

Ungarn „hat ich in die richtige Richtung bewegt“, sagte EU-Budgetkommissar Johannes Hahn. Doch letztlich habe Budapest nicht genug getan, um „Risiken, die wir identifiziert haben, abzuwenden“, so Hahn weiter. Damit werde man wie im September erstmals angekündigt an einem Einfrieren der 7,5 Mrd. Euro festhalten, um „das Budget der Union zu schützen“. Die Kommission forderte weitere Bewegung von Ungarn.

Die EU forderte von Budapest – mit dem Verweis etwa auf weitreichende Korruption – umfangreiche Veränderungen. Ungarn sollte Maßnahmen vorlegen, die man gegen den möglichen Missbrauch von EU-Mitteln ergriffen habe. Dafür hatte man bis vorletzte Woche Zeit, 17 Reformen wurden letztlich von Ministerpräsident Viktor Orban eingebracht. Diese sind aus Sicht der EU-Kommission nicht ausreichend und widersprechen vorherigen Ankündigungen.

EU-Budgetkommissar Johannes Hahn
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Budgetkommissar Hahn kündigte an, dass die Gelder für Ungarn nicht freigegeben werden

Mitgliedsstaaten müssen zustimmen

Nun liegt es in der Hand der Mitgliedsstaaten, über das Schicksal der milliardenschweren Hilfen zu entscheiden. Erst hieß es, die Entscheidung dazu soll schon kommende Woche fallen, nun könnte es aber erst in zwei Wochen dazu kommen – was wohl darauf schließen lässt, dass es noch einiges an Redebedarf gibt. Von der Kommission wurde am Mittwoch gesagt, dass man bis 19. Dezember mit einer Entscheidung der Länder rechne.

Analysen aus Brüssel und Budapest

ORF-Korrespondent Ernst Gelegs meldet sich aus Budapest und ORF-Korrespondent Robert Zikmund aus Brüssel. Zikmund erklärt den außergewöhnlichen Schritt der EU, Fördergelder einzufrieren, und Gelegs spricht über Reaktionen in Ungarn.

Mindestens 15 EU-Staaten, die insgesamt mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen, müssen dafür sein – ob Orban letztlich wirklich auf die Milliardenhilfen verzichten muss, könnte noch eine sehr knappe Entscheidung werden. Österreich will der Bewertung der EU-Kommission folgen, hieß es im Vorfeld.

Weitere 5,8 Milliarden könnten wegfallen

Die 7,5 Milliarden sind nicht die einzigen Gelder für Ungarn, die wackeln. Budapest hofft auch auf umfangreiche Hilfen aus dem Topf der CoV-Hilfen. Hier geht es um weitere 5,8 Milliarden Euro. Zwar kündigte Brüssel hier prinzipiell grünes Licht für die Auszahlung an – allerdings nur, wenn bestimmte Voraussetzungen, insgesamt 27, erfüllt werden. Dazu zählen aber auch jene Anforderungen, die schon in der Debatte über die Rechtsstaatlichkeit schlagend wurden.

Ungarischer Premier Viktor Orban zwischen EU-Flaggen
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Ungarns Ministerpräsident Orban reichte 17 Reformen in Brüssel ein

„Keine Mittel werden fließen, bis wesentliche Meilensteine ordentlich implementiert wurden“, so Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. Justizkommissar Didier Reynders verwies auf „bindende“ Meilensteine, die auch zeitlich begrenzt seien, alles „bevor Ungarn die erste Zahlung anfordert“.

Es ist nicht auszuschließen, dass Budapest aber doch den vollen Umfang der Hilfen bekommt – denn Ungarn kann mit seinem Vetorecht einige wichtige EU-Initiativen blockieren, darunter ein 18-Milliarden-Euro-Hilfspaket für die Ukraine. Auch ein weltweiter Mindeststeuersatz wurde von Budapest gebremst.

Scharfe Kritik an „Erpressung“ durch Ungarn

Im Vorfeld war die Rede von einer „Erpressung“ durch Ungarn. Vor allem im EU-Parlament gab es zahlreiche Stimmen gegen das Freigeben der Gelder. Orban habe „sein Vetorecht genutzt, um die Europäische Union auf Schritt und Tritt zu erpressen und zu nötigen“, sagte etwa die niederländische Liberale Sophia in ’t Veld. Unterstützung bekam Ungarn nur von Rechtsaußen-Parteien – und auch jetzt sind vor allem etwa die Regierungen Polens und Italiens jene, die Ungarn unterstützen.

Ungarns Politik gibt sich entspannt

Vertreter der ungarischen Regierung gaben sich im Vorfeld der Kommissionsempfehlung betont entspannt. Da man alle Versprechen umsetze, sei zu hoffen, dass im nächsten Jahr alle EU-Mittel zur Verfügung stünden, sagte der für Regionalentwicklung zuständige Minister Tibor Navracsics am Dienstag in Budapest. Unter anderem mit der Schaffung einer neuen „Integritätsbehörde“ zur Überprüfung von mutmaßlichen Korruptionsfällen habe Ungarn EU-Forderungen erfüllt. Weitere Gesetzesänderungen in diesem Sinne seien kommende Woche geplant.