Johanna Mikl-Leitner (ÖVP)
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Mikl-Leitner befragt

Scharfe Rededuelle in ÖVP-U-Ausschuss

Niederösterreich gilt als ÖVP-Bastion. Für viele Kommentatoren und Kommentatorinnen wird in Sankt Pölten entschieden, wie sich die Bundes-ÖVP auf dem politischen Parkett zu bewegen hat. Am Donnerstag wollte der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss deshalb mehr über den Einfluss aus Niederösterreich wissen. In der Befragung von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) dominierten vielfach die Emotionen.

Schon vor der Befragung machten SPÖ, FPÖ und die Grünen klar, dass die Landes-ÖVP die Regierungspolitik der ÖVP beeinflusst. Mikl-Leitner wurde als „Erfinderin von Sebastian Kurz“ tituliert, und im Bund habe sich Niederösterreich durchgesetzt, wie FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker festhielt. Deshalb sei die Ladung notwendig. Das sah aber Mikl-Leitner anders. Die Opposition versuche mit der Ladung der Landeshauptfrau, im niederösterreichischen Wahlkampf mitzumischen. Dort wird Ende Jänner gewählt, und sie habe nach Bekanntgabe des Wahltermins erfahren, dass sie als Auskunftsperson geladen wird.

Die Anspannung machte sich schnell in den Anfangsphasen bemerkbar. Nicht nur, dass mit ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker, der nachnominiert wurde (auch bei der Befragung von Bundeskanzler Karl Nehammer, ÖVP, am Mittwoch), ein früheres Mitglied im U-Ausschuss sitzt. Selbst Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl zog leichten Unmut der ÖVP-Fraktion auf sich, weil er nach einer Frage meinte, er müsse sich damit zufriedengeben, dass Mikl-Leitner nicht antworten wolle.

Johanna Mikl-Leitner (ÖVP)
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Viele ranghohe Politiker und Politikerinnen lassen im ÖVP-U-Ausschuss keinen Kameraschwenk zu, so auch Mikl-Leitner

Weil die Landeshauptfrau angab, das „Projekt Ballhausplatz“ nur über Medien zu kennen, fragte Pöschl anschließend nach ihren „mittelbaren Wahrnehmung“ zum ÖVP-Plan, um die Wahl 2017 zu gewinnen. Darauf sagte Mikl-Leitner ebenfalls, dass sie keine Wahrnehmungen habe. Es folgte eine kurze Debatte, die damit endete, dass es keine weitere bzw. zusätzliche Antwort darauf gab und der Verfahrensrichter die erste Fragerunde einläutete.

Stocker gegen Hafenecker – mit Pöschl

Die FPÖ nahm den Ball zwar dankend auf, aber ein aufkommender Fragerhythmus wurde durch Geschäftsordnungsdebatten gestört. So meldete sich Stocker mehrmals zu Wort: „Wer Bundesparteiobmann einer Partei wird, hat den U-Ausschuss nichts zu interessieren, es geht um die Bundesverwaltung“, sagte der ÖVP-Mandatar in Richtung FPÖ-Fraktion, die wissen wollte, warum Ex-ÖVP-Chef Kurz quasi ohne Widerspruch im Jahr 2017 ÖVP-Chef wurde. Zudem sei das „Projekt Ballhausplatz“ „ein Konstrukt, das von Medien geschaffen wurde“, sagte Stocker. Er habe einen solchen Plan nie gesehen.

Das Hin und Her zwischen ÖVP und FPÖ ging weiter – etwa bei der Frage, warum der Integrationsfonds aus dem Innenministerium unter der damaligen Ministerin Mikl-Leitner ins Außenministerium, wo ihn Kurz später von 49 auf 55 Millionen Euro aufgestockt habe, verlegt wurde. Als Staatssekretär für Integration sei Kurz das Thema „ein Herzensanliegen“ gewesen, darum habe er diese Kompetenz „mitgenommen in das Außenministerium“, sagte Mikl-Leitner. Laut FPÖ wurde der Fonds wie vieles in der Bundesverwaltung mit „türkisen“ Vertrauensleuten besetzt.

Christian Stocker (ÖVP)
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Als „Ersatzmitglied“ bezeichnete sich ÖVP-Generalsekretär Stocker und lieferte sich Rededuelle mit Hafenecker

Es entwickelte sich ein Rededuell zwischen Hafenecker und Stocker, bei dem Verfahrensrichter Pöschl miteinbezogen wurde. Denn dieser hatte Hafeneckers „Brücke“ zwischen Partei und Integrationsfonds als zulässig erachtet. Stocker kritisierte die Rechtsmeinung von Pöschl scharf, denn damit überschreite er den Verfassungsrahmen deutlich. Daraufhin kam es zu einem weiteren Wortgefecht zwischen Hafenecker und Stocker, in dem sie sich gegenseitig ausrichteten, falsch zu liegen. Vorsitzender Friedrich Ofenauer (ÖVP) unterbrach die Sitzung.

Neffe muss „Leistung erbringen“

Auch Postenbesetzungen waren Thema – etwa jene der Kür des neuen Landespolizeidirektors von Niederösterreich. Wie das vorgeschriebene Einvernehmen zwischen Landeshauptfrau und Landespolizeidirektion hergestellt wurde? Sie könne sich nicht erinnern, „auf welchem Wege das passiert ist“, so Mikl-Leitner. Jedenfalls habe die Begutachtungskommission den Kandidaten für geeignet erklärt. Hafenecker hielt dagegen, dass dem Kandidaten das nötige Jusstudium gefehlt habe. „In meiner Zeit als Ministerin wollten wir da eine gewisse Durchlässigkeit haben, ich glaube, dass das 2020 auch noch so gegolten hat“, so Mikl-Leitner.

Christian Hafenecker (FPÖ)
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Hafenecker, der selbst aus Niederösterreich kommt, nannte Niederösterreich den „Ursprung des schwarzen Übels“

Wie die FPÖ stellten auch die Grünen Fragen zu Postenbesetzungen und Intervention. „Ich habe keine Listen geführt“, sagte Mikl-Leitner zur Grünen-Abgeordneten Nina Tomaselli. Zu ihrer Zeit als Innenministerin sei sie in den einzelnen Bundesländern unterwegs gewesen und „Wünsche“ seien auf der Tagesordnung gestanden, betonte die Auskunftsperson. Als „Wünsche“ gab sie Renovierungen von Räumen in der Polizei oder Versetzungen von einzelnen Personen an. Die Wünsche seien an die zuständige Abteilung weitergeleitet und dort geprüft worden.

Während der Fragezeit von NEOS holte Mikl-Leitner weit aus und schilderte, „wie es in der Realität aussieht“, wie sie betonte. Als Politikerin erhalte sie viele Anrufe, erst kürzlich von einem Mann, der im Landesdienst arbeiten wolle. „Ich habe ihm gesagt, er soll sich doch bewerben“, so die Landeshauptfrau, die nach eigenen Angaben immer nach Gesetz vorgehe. NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper hielt entgegen, dass ihr gegenüber viele Beamten und Beamtinnen klagen, sie könnten im Innenministerium keine Karriere machen, weil es nur mit parteipolitischen Kontakten möglich sei.

Angesprochen auf eine Nachricht, wonach sie laut Grünen-Fraktion für ihren Neffen ein Ferialpraktikum im Innenministerium forderte („Hi, mein Neffe […] bewirbt sich für Ferialpraktikum im BMI/Juli und August. Spät, sehr spät… der Kerl muss arbeiten!!!! Verlass mich auf euch. Hanni ml“), sagte die frühere Innenministerin, dass sie sich darin nicht mehr erinnern, aber den Wortlaut nun interpretieren könne: Es sei keine Intervention gewesen, sondern vielmehr ersucht sie, dass ihr Neffe „Leistung erbringen muss, sollte er das Praktikum erhalten“. Letztliche hatte er kein Praktikum absolviert.

Personalie Marek

Befragt wurde Mikl-Leitner auch zur Causa Eva Marek. Seit 2018 ist die Juristin Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes (OGH). Nach dem Bekanntwerden diverser Chats im Jänner dieses Jahres musste sie leitende Aufgaben im Höchstgericht abgeben. Die Chats legen mutmaßliche Postendeals in der Justiz nahe, weil Marek im Jahr 2014 Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien wurde, obwohl sie nicht erstgereiht war. Rechtlich ist das legitim und kommt in einigen Fällen vor, allerdings sollten durch die Besetzung Mareks, so der Verdacht, zwei andere, nicht genehme Bewerberinnen verhindert worden sein. Im Gegenzug erwartete sich Marek offenbar, zwei Jahre später mit der Leitung der Generalprokuratur belohnt zu werden.

Nina Tomaselli (Die Grünen)
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Grünen-Fraktionsvorsitzende Tomaselli wollte mehr über Postenbesetzungen wissen

„Ich kenne Frau Marek, weil ihr Mann im Innenministerium arbeitet. Über ihren Mann habe ich sie kennengelernt“, sagte Mikl-Leitner. Sie könne sich „dunkel erinnern“, dass es wegen einer Besetzung im Justizministerium eine Debatte gab. Sie verfüge aber lediglich über ein „Zeitungswissen“. An ihre Nachrichten an ihren früheren Kabinettschef Michael Kloibmüller („Ruf mich an in Sachen Marek“) könne sie sich nicht mehr erinnern.

Zuvor hatte die ÖVP über Stocker abermals die Fragestellung kritisiert. Der Verfahrensrichter hielt aber fest, dass Marek 2018 zur Vizepräsidentin des OGH bestellt wurde, damit sei der Erfolg der Intervention von 2016 eingetreten. Es sei eine „Belohnung“ erfolgt und die Frage sei deshalb zulässig. Stocker zeigte sich entsetzt: Es mache ihn „fassungslos“, dass ein Richter eine höchstgerichtliche Bestellung so beurteile. Weil der Begriff „Belohnung“ in den Akten nicht vorkommt, nahm Pöschl diese Wortmeldung zurück. Die Frage war trotzdem zulässig.

Media Contacta erneut Thema

Die ÖVP erfragte in der ersten Fragerunde die Betätigungsfelder der Landeshauptfrau, und Fraktionschef Hanger kommentierte die Ladung als „sinnlos“ und „Wahlkampf“. Man wolle aber jeder Fraktion die Chance geben, Fragen zu stellen – weshalb man sich in der eigenen Befragung kurz hielt. Die SPÖ legte anschließend ihren Fokus auf die Media Contacta, die bereits mehrmals Thema im U-Ausschuss war. Mikl-Leitner könne ad-hoc zwar nicht sagen, wem die Agentur gehört, aber den Geschäftsführer und Teileigentümer Peter Madlberger kenne sie. Dieser sei ihr Mitarbeiter in der ÖVP Niederösterreich gewesen.

Laut SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer gebe es auffällige Aufträge für die Media Contacta, mit denen die ÖVP Niederösterreich profitierte habe. Die ÖVP meldete sich zu Wort und verlangte „Konkretes“ und nicht „vage Vorwürfe“, so ÖVP-Fraktionschef Hanger. Die Landespartei sei übrigens auch kein Gegenstand der Untersuchung. Pöschl empfand die Frage trotz Widerstand der ÖVP als zulässig. Mikl-Leitner habe keine Wahrnehmungen dazu.