Buhlschaft-Darstellerin Valerie Pachner und Jedermann-Darsteller Michael Maertens
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„Jedermann“

Pachner und Maertens als neues Traumpaar

Die zweitwichtigste Personalfrage in Österreich nach der des Fußballteamchefs ist mit Donnerstag geklärt: Michael Maertens ist der neue Jedermann. Die neue Buhlschaft wird Valerie Pachner sein. Seit Tagen konnten die Medien kaum noch Zurückhaltung zur Paarungsfrage aller Fragen zeigen, die am Ende doch eine geniale Erfindung des Festspielgründers Max Reinhardt war.

Als „prominenteste Nicht-Rolle der Theatergeschichte“ bezeichnet man gerne die Buhlschaft. Als typischste aller österreichischen Rollen vielleicht dagegen den Jedermann. Am Donnerstag stellte Bettina Hering in ihrer letzten Saison als Schauspielchefin der Salzburger Festspiele die neue Besetzung für den „Jedermann“ vor und erinnerte daran, dass sie bis dahin fast hundert Vorstellungen dieses Klassikers verantwortet haben wird, wenn sie am 29. August den „Jedermann“ an ihre Nachfolgerin übergibt.

Der 59-jährige, in Hamburg geborene Maertens, der seit 2009/2010 Ensemble-Mitglied des Burgtheaters ist, ist somit der neue Jedermann ab 2023. Maertens gilt als einer der führenden Schauspieler im deutschsprachigen Raum. Er folgt in der Rolle seinem jüngeren Burgkollegen Nicholas Ofczarek, der seine Jedermann-Karriere schon lang hinter sich hat.

Valerie Pachner: Große Karriere schon mit 35

Neue Buhlschaft ist Pachner. Die 1987 geborene Pachner bringt diesmal das internationale Flair mit, hat sie doch in der Rolle der Franziska Jägerstätter in Terrence Malicks „Ein verborgenes Leben“ (2019) mittlerweile auch eine internationale Filmkarriere vorzuweisen.

2019 feierte Marie Kreutzers „Der Boden unter den Füßen“ mit Pachner in der Hauptrolle seine Premiere bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin. Für ihre Darstellung erhielt Pachner auch international lobende Kritik und wurde unter anderem mit dem Deutschen Schauspielpreis ausgezeichnet. Pachners Sprungbrett für die Theaterkarriere war das Residenztheater in München unter Martin Kusej, unter anderem in der Rolle der Irina in Tschechows „Drei Schwestern“.

Michael Maertens , Mitte, als Narr in Aribert Reimanns „Lear“ bei den Salzburger Festspielen 2017
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Michael Maertens – zuletzt groß zu erleben in Aribert Reimanns „Lear“ in der Rolle des Narren. Die Fotos von Maertens sind aus dieser Inszenierung geborgt und nicht Proben eines neuen „Jedermann“.

Am Donnerstag haben die Salzburger Festspiele, allen voran Hering, die Aufstellung für das Stück im kommenden Jahr offiziell gemacht, nachdem man es inoffizell ohnedies überall schon hören konnte. Burgstar Maertens folgt Lars Eidinger als Jedermann, Pachner wiederum Verena Altenberger, die zwei Jahre gemeinsam mit Eidinger das Traumpaar auf dem Domplatz – und nicht selten genug durch viel Regen auch Indoor im Festspielhaus – gegeben hatte.

Das kurze Leben der Buhlschaften

„Der Buhlschaft des Jedermanns geht es zumeist wie den Gespielinnen von James Bond. Sie hat kein langes Leben“, schrieb Thomas Trenkler zuletzt im „Kurier“ und erinnerte an die meist zwei Saisonen, die die Buhlschaften mit dem Jedermann aushielten. Nach Miriam Fussenegger kam Stefanie Reinsperger an die Seite des damals neuen Tobias Moretti – ein Paar, das nie ganz zueinander fand. Dann kam Valery Tscheplanowa und schließlich als letzte Buhlschaft an Morettis Seite: Caroline Peters.

Danach folgte für zwei Jahre die absolute Traumpaarung, was die Öffnung dieses Stücks zu neuen, popkulturelleren Schichten anlangt: Altenberger stand da neben Eidinger, der sein Leben in Salzburg bis zur Erschöpfung ausgekostet hatte. Eidinger als Fotograf, Eidinger in Gastein, Eidinger als DJ. Das brachte neue Aufmerksamkeit, aber auch einen Hauch Ermüdung zum immer Gleichen. Aber: Eidinger hatte einen neuen Jedermann auf die Bühne gebracht – innerlicher, weniger barock, weniger weltdramatisch.

Ein Paar als Idee von Max Reinhardt

Dass man sich überhaupt so viele Gedanken um das Paar Jedermann und Buhlschaft macht, liegt am Vermarktungstalent von Max Reinhardt, der nach den Erfolgen in Salzburg von einer Broadway-Karriere des Stücks Anfang der 1930er Jahre träumte. Und dafür brauchte es ein herzeigbares Frontpaar.

Überhaupt ist der „Jedermann“, so wie er auch in der Gegenwart in der Regie von Michael Sturminger daherkommt, eine Inszenierung, die im Wesentlichen auf die Urideen Reinhardts zurückgeht. „Es war der Gedanke Max Reinhardts, auf diesem Platze, vor der Fassade des Doms, das Gerüst für das ‚Jedermann‘-Spiel aufzubauen“, notierte Hofmannsthal 1921 im Rückblick auf die Salzburger Inszenierung seines Stückes und zeigte sich vom Gespür Reinhardts für diesen Ort begeistert: „Die Fanfarenbläser und Spielansager hatten ihren selbstverständlichen Platz, zerstreut auf dem marmornen Portikus. Wie ein Selbstverständliches wirkten die marmornen, fünf Meter hohen Heiligen, aus denen die Schauspieler hervortraten.“

Valerie Pachner bei einem Channel-Shooting
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Valerie Pachner – neue Buhlschaft mit internationalem Flair

„Jedermann“ als Kern der Festspiel-DNA

Wenn es so etwas wie die „DNA der Salzburger Festspiele“ gibt, dann ist das wohl Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ auf dem Domplatz, der am 22. August 1920 auf einer Bretterbühne seine Salzburg-Premiere hatte. Und zu dem wurde, was Hofmannsthal mit einem ganz anderen Stück programmatisch umrissen hatte: „Das Salzburger große Welttheater“.

War der „Jedermann“ bei seiner Premiere im Berliner Zirkus Schumann mit seiner katholischen Erlösungsmetaphorik ein Stück komplett gegen die Zeit, die zwar mit der aufkommenden Psychoanalyse Archetypen liebte, aber mit der am Glaubenskanon orientierten Stellvertreterthematik doch fremdelte, so kam das Stück im Dekor der Salzburger Stadt beinahe sprichwörtlich: zu sich.