Erntefahrzeuge auf Feld, Vogelperspektive
Reuters/Alexey Malgavko
Ukraine

Russland erntete Weizen in Milliardenwert

Russland hat laut der US-Raumfahrtbehörde (NASA) heuer 5,8 Millionen Tonnen Weizen im Wert von rund einer Milliarde Dollar (rund 950 Millionen Euro) von ukrainischen Feldern geerntet, die nicht unter der Kontrolle des Landes liegen. Die US-Geheimdienste gehen unterdessen davon aus, dass sich die Kämpfe in der Ukraine in den kommenden Monaten verlangsamen werden.

Insgesamt seien auf ukrainischem Gebiet in diesem Jahr bisher rund 26,6 Millionen Tonnen geerntet worden und damit deutlich mehr als zuvor vorhergesagt, teilte NASA Harvest mit, das Ernährungssicherheits- und Landwirtschaftsprogramm der US-Raumfahrtbehörde. Das sei zwar weniger als die Rekordernte von 33 Millionen Tonnen im Vorjahr, aber nahe am Durchschnitt.

Zu 22 Prozent des Weizens im östlichen Teil des Landes habe die Ukraine aber wegen des Krieges keinen Zugang gehabt. Insgesamt seien rund 88 Prozent der Saat geerntet worden, bei vielen Feldern an den Frontlinien sei das scheinbar nicht der Fall gewesen. Für die Erhebung nutzt NASA Harvest gemeinsam mit mehreren Partnerinstitutionen Satellitendaten und Modellierungen.

Getreideausfuhren um 30 Prozent gesunken

Die Ukraine hat nach Daten des Landwirtschaftsministeriums in der Saison 22/23 bisher 29,6 Prozent weniger Getreide ausgeführt als in der vorherigen Saison. Insgesamt exportierte die Ukraine 18,1 Millionen Tonnen Weizen, Mais und Gerste. In der vorherigen Saison waren es noch 25,8 Millionen Tonnen. Wegen der russischen Invasion waren drei ukrainische Schwarzmeer-Häfen fast sechs Monate blockiert.

Einigung auf Preisdeckel für russisches Öl

Die EU-Staaten haben sich auf einen Preisdeckel für russisches Erdöl geeinigt – im Glauben, das würde Russland schwächen. Ab Montag gilt eine Preisobergrenze für Öl, das über den Seeweg aus Russland kommt.

Nach Angaben der Regierung könnte die Ukraine in diesem Jahr etwa 51 Millionen Tonnen Getreide ernten. Im Jahr 2021 hatte die Ernte noch einen Rekordwert von 86 Millionen Tonnen erreicht. Seitdem hat die Ukraine jedoch wegen des Kriegs Agrarland verloren und geringere Erträge erzielt.

USA: „Reduziertes Tempo“ in Konflikt

Die US-Geheimdienste gehen unterdessen davon aus, dass sich das Kampfgeschehen in der Ukraine verlangsamt fortsetzen wird. „Wir sehen bereits eine Art reduziertes Tempo des Konflikts und wir erwarten, dass sich das in den kommenden Monaten fortsetzen wird“, sagte Avril Haines, Direktorin des Zusammenschlusses der nationalen Geheimdienste am Samstag (Ortszeit) auf dem jährlichen Reagan National Defense Forum in Kalifornien.

Beide Länder würden versuchen, sich mit Nachschub zu versorgen, um sich auf eine Gegenoffensive nach dem Winter vorzubereiten. Trotz russischer Angriffe auf das ukrainische Stromnetz und andere zivile Einrichtungen sehe man keine Anzeichen für einen verringerten ukrainischen Widerstandswillen.

Sie sagte, Russland versuche auch, die Fähigkeit der Ukraine zur Konfliktverfolgung zu beeinträchtigen, und fügte hinzu, dass Kiews Wirtschaft sehr stark gelitten habe. „Das kann mit der Zeit natürlich Auswirkungen haben. Wie stark diese sein werden, hängt davon ab, wie viel sie angreifen, wozu sie in der Lage sind, wie widerstandsfähig die kritische Infrastruktur ist und wie gut wir ihnen helfen können, sie zu verteidigen.“

„Knappheit bei Moral und Munition“

Haines sagte, der russische Präsident Wladimir Putin sei überrascht, dass sein Militär nicht mehr erreicht habe. „Er ist über die Herausforderungen informiert, mit denen das Militär in Russland konfrontiert ist. Aber es ist uns immer noch nicht klar, ob er zum jetzigen Zeitpunkt ein vollständiges Bild davon hat. Wir sehen Knappheit bei Moral und Munition, Logistik und eine ganze Reihe weiterer Probleme, mit denen sie konfrontiert sind.“ Russland scheine seine militärischen Vorräte „ziemlich schnell“ aufzubrauchen.

Haines erklärte, Putins politische Ziele in der Ukraine dürften sich nicht geändert haben, aber US-Geheimdienstanalysten gingen davon aus, dass er bereit sein könnte, seine kurzfristigen militärischen Ziele „vorübergehend zurückzuschrauben, mit dem Gedanken, dass er zu einem späteren Zeitpunkt auf dieses Thema zurückkommen könnte".

London: Zustimmung für Krieg in Russland schwindet

Dem Kreml dürfte es vor diesem Hintergrund zunehmend schwerfallen, den Krieg in der Ukraine gegenüber der eigenen Bevölkerung zu erklären, heißt es am Sonntag im täglichen Geheimdienstupdate des britischen Verteidigungsministeriums. „Angesichts dessen, dass Russland in den kommenden Monaten kaum bedeutende Erfolge auf dem Schlachtfeld erringen wird, ist es wahrscheinlich zunehmend schwer für den Kreml, auch nur die schweigende Zustimmung in der Bevölkerung zu erhalten.“

Den britischen Geheimdiensten zufolge zeigen an die Öffentlichkeit gelangte Daten russischer Behörden, dass inzwischen nur noch ein Viertel der Bevölkerung in Russland den Angriffskrieg in der Ukraine unterstützt. Zu Beginn des Kriegs waren es demnach noch 80 Prozent. Die teilweise Mobilmachung im September habe den Krieg aber für viele Menschen spürbar gemacht.