Eine Skipiste auf der grünen Wiese wird beschneit
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Maßnahmen erforderlich

Wintersport im Klimadilemma

Dem Skisport schmilzt allmählich die Daseinsgrundlage weg. Selbst bei klimabewusstem Verhalten wird die Schneedecke in Österreich in den nächsten Jahrzehnten weiter abnehmen, was den Wintertourismus vor große ökologische und wirtschaftliche Herausforderungen stellt. Das Ausmaß der Katastrophe lässt sich aber sehr wohl steuern, sind Fachleute im Gespräch mit ORF.at überzeugt. Denn gedreht werden kann an vielen Stellschrauben – nicht nur auf, sondern vor allem abseits der Piste.

In Zeiten von Energiekrise und Inflation ist die technische Maschinerie hinter dem Schneesport in diesem Winter besonders teuer. Der Strom gilt als Treiber, aber auch die Preise für Diesel für Pistenfahrzeuge und Personal steigen. Gleichzeitig rückt auch die Klimakrise zunehmend in den Fokus: Die höheren Temperaturen, die neben Naturschnee auch das Zeitfenster für technische Beschneiung verringern, setzen dem Wintertourismus zu – und werfen Fragen zu seiner langfristigen Perspektive auf.

Prinzipiell würden vor allem Skigebiete in Niedrig- und Mittellagen in den Randjahreszeiten zunehmend Schwierigkeiten bekommen, sagt der Glaziologe und Klimaforscher Georg Kaser. „Das kann in den nächsten paar Jahren schon passieren, dass viele Skigebiete sagen: So geht es nicht. Das schaffen wir nicht mehr.“ Anhaltend werde dieser Trend wegen der starken Variabilität des Niederschlags wohl in zehn bis fünfzehn Jahren sein, aber auch aktuell hadern Skigebiete bereits mit den wenigen Frosttagen – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Skifahrer auf der Piste
ORF.at/Christian Öser
Die Skisaison in Österreich wird sich künftig wegen der globalen Erwärmung weiter verkürzen

Das Problem gilt auch für die künstliche Beschneiung. „Es wird Skigebiete geben, die sehr große Umsätze haben, und vor allem die großen und hoch gelegenen, die werden sich noch lange Beschneien leisten können.“ Die wirtschaftlichen Überlegungen hinter künstlicher Beschneiung würden jedoch immer angespannter werden, weil es immer mehr technischen Einsatz brauche.

Veränderungen bereits spürbar

Aufgrund des Schneemangels sind aktuell viele Pisten eisig, daneben gibt es oft keine Sturzräume. Bereits elf Menschen sind in dieser Skisaison in Tirols Skigebieten ums Leben gekommen. Die vielen tödlichen Unfälle „machen nachdenklich“, so der Sprecher der Seilbahn-Wirtschaft, Franz Hörl. Innerhalb der Branche überlege man sich, was man gegen solche schweren Unfälle unternehmen könne – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Veränderungen machen sich derzeit in allen Bundesländern bemerkbar. So ist etwa die Zahl der Skigebiete und der Skilifte in Österreich in den vergangenen 30 Jahren zurückgegangen – mehr dazu in ooe.ORF.at. „Die Wahrnehmung in breiten Teilen der Gesellschaft und auch im Wintertourismus ist die, dass man die Veränderungen bereits sehr stark merkt“, sagt Andreas Gobiet, Klima- und Lawinenexperte und Projektleiter vom Projekt „Future Snow Cover Evolution in Austria“ der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).

Man wisse aus Untersuchungen, dass die Anzahl der Tage mit Schnee schon ganz deutlich zurückgegangen seien, quer über alle Höhenstufen in Österreich. „Wir sprechen von Abnahmen von drei Wochen und mehr. Und wir wissen auch, dass im Zuge der globalen Erwärmung dieser Trend sich fortsetzen wird.“ Es komme natürlich darauf an, welche Höhenstufe man sich ansehe – und auf welche Klimaschutzmaßnahmen künftig weiterhin gesetzt wird.

Pariser Klimaziele

Im Rahmen der Pariser Klimaziele setzten sich Staaten das globale Ziel, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf „deutlich unter“ zwei Grad Celsius zu begrenzen – mit Anstrengungen für eine Beschränkung auf 1,5 Grad Celsius.

Maßnahmen können Worst Case noch verhindern

Sehe man sich das Worst-Case-Szenario ohne Klimaschutzmaßnahmen an, „dann erwarten wir auf lange Sicht am Ende des Jahrhunderts in tiefen Lagen so gut wie gar keinen Schnee mehr“. Dann gäbe es nur noch vereinzelt Tage mit Schneedecke, in 1.000 Meter Seehöhe müsse man mit Abnahmen um 60 bis 70 Prozent rechnen. „Das wäre dann schon eine wirklich drastisch andere Welt, was den Schnee betrifft.“

Diesen Pfad habe man inzwischen verlassen, dennoch werde sich die Schneedauer verringern. Unter Einhaltung der Maßnahmen des Pariser Klimaabkommens würde es in den tiefsten Lagen Änderungen um 30 bis 40 Prozent geben, oberhalb von 1.500 Meter Seehöhe würde die Saisonlänge um zehn bis 15 Prozent zurückgehen.

Wie die Klimaszenarien zeigen würden, sehe man drastische Unterschiede zwischen einer Welt, in der die Pariser Klimaziele umgesetzt werden oder einer „Worst Case“-Welt, in der es erst in den Höhen über 2.000 Metern Änderungen von „nur“ minus 20 bis 30 Prozent gebe. „Das ist ein riesengroßer Unterschied, und insofern sollte gerade der Wintertourismus Österreichs größtes Interesse an Klimaschutz haben.“

Gletscherschmelze in Österreich von 1969 bis 2015

Nachhaltigkeit spricht Gäste an

Klimaneutrales Wirtschaften kann somit nicht nur die Zukunft der Branche sichern, sondern entwickelt sich auch immer mehr zu einem Wettbewerbsfaktor – wie etwa das US-amerikanische Skigebiet Taos in New Mexico zeigt. Nach dem Motto „besser, nicht größer“ setzte es auf einen nachhaltigen Ansatz zur Wiederbelebung des Skigebiets, wurde als erstes und einziges Skigebiet für seine Umwelt- und Sozialleistungen als nachhaltige „B Corporation“ zertifiziert und konnte in der Folge die höchsten Tageseinnahmen aus dem Ticketverkauf seit seiner Gründung verbuchen, schreibt die „New York Times“ („NYT“).

Obwohl Gäste derzeit noch diffuse Bilder von Nachhaltigkeit und Klimaneutralität im Urlaub hätten, würden diese Faktoren auch in österreichischen Wintersportgebieten an Bedeutung gewinnen, so die Beobachtung von Ulrike Pröbstl-Haider von der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien. „Von den Seilbahnen, den Hotels und der Gastronomie wird mehr Nachhaltigkeit und Engagement bei der Klimaneutralität und der klimaschonenden Mobilität am Urlaubsort erwartet.“

Und tatsächlich seien die Betreiber, was Emissionen angeht, bei Pistenpräparierungen und Seilbahnen derzeit vergleichsweise gut aufgestellt, sagt Kaser: „Sie sind hier nicht nur aus Imagegründen, sondern auch anderen Gründen recht weit – unter anderem, weil sie relativ nahe an verschiedenen erneuerbaren Energiequellen sitzen und die zum Teil auch schon selbst betreiben.“ Um in puncto Greenwashing dennoch auf Nummer sicher zu gehen, rät Pröbstl-Haider, bei der Buchung auf europäische, internationale oder nationale Zertifizierungen wie ISO 14001, EMAS und das österreichische Umweltzeichen zu achten.

Autos am Parkplatz bei der Talstation in einem Skigebiet
ORF.at/Christian Öser
Der Wintertourismus bedeutet wichtige Einnahmen für die österreichische Wirtschaft

Konsumverhalten auf Hütten überdenken

Großes Potenzial ortet Kaser vor allem in der Versorgung in Hotels, Restaurants und Skihütten. Insgesamt sei die Beherbergung und die Verpflegung von skifahrenden Menschen eine große Problematik, die man relativ schnell angehen könnte. „Bisher bin ich auf den Menüplänen von Skihütten auf sehr fantasielose Gerichte gestoßen, dabei gibt es fantastische Möglichkeiten für vegetarische Gerichte.“

Fleisch habe einen extrem schlechten Wirkungsgrad, was Wasser, Energie und Flächenverbrauch betreffe, und dennoch sei bei fast jeder Hauptspeise in Skihütten Fleisch dabei, kritisiert Kaser. „Ein ganz, ganz großer und sehr einfacher Schritt, um Emissionen zu sparen, wäre, wenn die Hotelfachschulen Köchen bei der Ausbildung beibringen, wie man vegetarische Gerichte kocht.“

Hüttenzauber bei einer Skihütte
IMAGO/Roland Mühlanger
Skihütten setzen vermehrt auf traditionelle Gerichte – die CO2-Bilanz könnte durch Innovationen gesenkt werden

Verzicht auf Auto als größer Hebel

Skifahren an sich könne man aber nicht als umweltschädlicher als andere Sportarten bezeichnen, ist Gobiet von der ZAMG überzeugt. Für ihn geht die Diskussion rund um Emissionen im Skiurlaub prinzipiell in eine falsche Richtung. „Wir haben natürlich dieses sehr emotional besetzte Thema technischer Schnee und Schneekanonen. Und natürlich gibt es da Auswüchse, die nicht so schön sind“, sagt Gobiet. „Nur in puncto Treibhausgase ist das nur ein sehr kleiner Teil der Geschichte – der bei Weitem größte Teil kommt aus dem Verkehr und der Anreise im Wintertourismus.“

Das Problem sei ein gesamtgesellschaftliches in Österreich. Seit den 1990er Jahren hätten sich die Emissionen durch Verkehr in Österreich kaum geändert. Er wolle nicht einzelne Familien in die Verantwortung nehmen, aber „es ist auch eine bewusste Entscheidung, ob ich wo Urlaub mache, wo ich auch gut öffentlich anreisen kann“. Zudem lenke Nachfrage das Angebot.

Vereinfachend könne man bei einem Skiurlaub mit dem Pkw im eigenen Land von 80 Prozent CO2-Belastung allein durch die Anreise ausgehen, sagt auch Pröbstl-Haider von der BOKU. „Der geringste Anteil entfällt auf die Skiaktivität. Auch bei Beschneiung, Lift etc. kann man sagen, dass – je nach Skigebiet – ein Skitag ungefähr 20 Kilometern Anreise entspricht.“ Hier liegt es freilich auch an der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen – denn noch ist das öffentliche Verkehrsnetz in vielen Skigebieten im wahrsten Sinne des Wortes ausbaufähig.