Proteste in Iran
AP
Berichte über geschlossene Geschäfte

Große Beteiligung an Generalstreik im Iran

Zahlreiche iranische Geschäftsleute haben am Montag laut Berichten ihre Geschäfte geschlossen gehalten, und sind damit wohl einem Aufruf der Protestbewegung zu einem dreitägigen Generalstreik gefolgt. Der Twitter-Account 1500tasvir, der die Proteste eng begleitet, zeigte Videos, auf denen geschlossene Geschäfte in Innenstädten zu sehen waren, wie etwa auf dem Basar in der Hauptstadt Teheran und anderen Städten wie Karadsch, Isfahan und Schiras. Die angekündigte Auflösung der Religionspolizei sorgt weiter für Misstrauen.

Die Nachrichtenagentur Reuters konnte die Generalstreiks zunächst nicht unabhängig bestätigen, Zeuginnen und Zeugen berichteten allerdings von einer starken Präsenz der Basidsch-Miliz im Zentrum Teherans. Die halbamtliche Nachrichtenagentur Fars gab an, ein Juweliergeschäft des früheren Fußballstars und Bayern-München-Spielers Ali Daei sei von den Behörden nach der Ankündigung, für den dreitägigen Generalstreik geschlossen zu bleiben, abgeriegelt worden.

Auf 1500tasvir waren auch Bilder aus kleineren Städten wie Bodschnord, Kerman, Sabsewar, Ilam und Ardabil ebenfalls mit geschlossenen Geschäften zu sehen. Die kurdisch-iranische Menschenrechtsgruppe Hengaw teilte mit, 19 Städte im Westen Irans, wo die meisten Kurdinnen und Kurden des Landes leben, hätten sich dem Streik angeschlossen.

Landesweiter Generalstreik im Iran

Zahlreiche Menschen in iranischen Städten haben ihre Geschäfte geschlossen gehalten und sind offenbar einem Aufruf der Protestbewegung zu einem dreitägigen Generalstreik gefolgt. Geschlossene Geschäfte waren in Großstädten wie Sanandadsch und Isfahan zu sehen. Auch in der Hauptstadt Teheran blieben sie geschlossen. Es war allerdings unklar, ob das als Geste einer Unterstützung der Proteste zu deuten war oder aus Angst vor möglichen Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften geschah. Die iranische Justiz will bereits verhängte Urteile gegen Protestierende bald vollstrecken, darunter auch Todesurteile.

Auch in der Hauptstadt Teheran blieben Geschäfte geschlossen. Es war allerdings unklar, ob das als Geste einer Unterstützung der Proteste zu deuten war oder aus Angst vor möglichen Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften geschah. Einige Geschäftsleute im Teheraner Basar sollen Drohungen erhalten haben, dass sie bei einer Schließung mit heftigen Geldstrafen zu rechnen hätten.

Geschlossene Geschäfte in Sanandaj
APA/AFP/ESN/Basma Badran
Zahlreiche Geschäfte blieben am Montag aus Protest an der Regierung geschlossen

Proteste sollen Wirtschaft treffen

Iranische Aktivistinnen und Aktivisten hatten zuvor zu neuen landesweiten Protesten und Streiks aufgerufen. Die 14-15-16-Proteste – die Zahlen sind das Datum im persischen Kalendermonat Asar – sollen von Montag bis Mittwoch dauern und insbesondere das islamische System wirtschaftlich treffen. Für Mittwoch hatte Präsident Ebrahim Raisi einen öffentlichen Auftritt angekündigt.

Daher wurden die iranischen Bürger auch aufgerufen, an diesen drei Tagen Einkäufe zu vermeiden, um so jegliche Geldzirkulation im iranischen Bankensystem zu verhindern. Besonders in den wirtschaftlichen Zentren wie Basars in Großstädten sollen möglichst viele Geschäfte geschlossen bleiben, so die Aktivisten.

Auch Beschäftigte der Ölindustrie hätten ihre Unterstützung für den dreitägigen Streik zum Ausdruck gebracht und gefordert, dass alle inhaftierten Arbeitenden, das Lehrpersonal sowie Studierende so bald wie möglich freigelassen werden müssen, berichtete die Deutsche Welle (DW). An den Universitäten seien Studierende in den Streik getreten, um sich der dreitägigen Bewegung anzuschließen.

Skepsis nach Auflösung der Religionspolizei

Vor den dreitägigen Protesten sorgte die Aussage des iranischen Generalstaatsanwalts über die Auflösung der Religionspolizei für Diskussionen im Land. Die Religionspolizei, die seit 2006 unter anderem die Einhaltung der Kopftuchpflicht kontrollierte, war unter dem ultrakonservativen Staatschef Mahmud Ahmadinedschad gegründet worden und sollte „die Kultur des Anstands und des Hidschabs verbreiten“. Ursprünglich sprachen die Religionspolizistinnen und -polizisten Warnungen aus, bevor sie vor 15 Jahren anfingen, hart durchzugreifen

Nach Angaben von Generalstaatsanwalt Mohammed Dschafar Montaseri vom Wochenende wurde die Religionspolizei mittlerweile aufgelöst, offenbar um weitere Proteste zu vermeiden. Die Justizbehörde werde sich jedoch weiterhin mit dieser gesellschaftlichen Herausforderung auseinandersetzen, zitierte die Tageszeitung „Schargh“ Montaseri am Sonntag. Zuständig für die Religionspolizei ist das Innenministerium, von dem es zunächst keine Stellungnahme gab.

Bekannte „Taktik der Beschwichtigung“

Einerseits wurde die Ankündigung als ein Etappensieg für die Frauenbewegung im Iran angesehen. Andererseits jedoch waren sich Kritikerinnen und Kritiker einig, dass dieser Schritt ohne eine Aufhebung des vor über 40 Jahren verhängten Kopftuchzwangs für die iranischen Frauen sinnlos wäre. „Die Auflösung der Religionspolizei war notwendig, reicht aber nicht aus, bis das Gesetz der obligatorischen Kleidervorschrift revidiert ist“, so der Kommentar des Politologen Abbas Abdi auf Twitter. Es ginge allein darum, die angespannte Lage vor den dreitägigen Protesten zu beruhigen, vermuten andere.

Mit diesem Entgegenkommen wolle Raisi nur den für Montag angekündigten landesweiten Generalstreik untergraben, sagte eine Aktivistin aus Teheran gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“). „Ich glaube, die Auflösung der Religionspolizei ist eine rein kosmetische Maßnahme“, zitiert die „SZ“ einen Kurden aus Mahabad. „Tatsächlich baut das Regime nur seine Kommandostrukturen um. Mit einer einzigen Befehlskette können Schießbefehle besser umgesetzt werden.“

„Die mutmaßliche Aussetzung der Religionspolizei des Iran bedeutet nichts, da sie wegen des massiven zivilen Ungehorsams der Frauen und der Missachtung der Hidschab-Vorschriften bereits irrelevant geworden ist“, sagte Omid Memarian von der Organisation Democracy for the Arab World Now. „Solange sie nicht alle gesetzlichen Beschränkungen für Frauenkleidung und Gesetze, die das Privatleben der Bürger kontrollieren, aufheben, ist das nur eine PR-Maßnahme“, sagte auch Roja Borumand, Mitbegründerin der Organisation Abdorrahman Borumand Center mit Sitz in den USA.

Umsetzung von Urteilen angekündigt

Inmitten der anhaltenden Proteste im Iran haben die Behörden zudem die baldige Umsetzung von bereits verhängten Urteilen gegen Demonstrierende angekündigt. Justizchef Gholam-Hussein Mohseni-Edschehi sagte nach einem Bericht des Nachrichtenportals Etemad am Montag, mehrere Urteile seien vom Obersten Gerichtshof bereits bestätigt und würden auch „bald vollstreckt“. Dazu gehörten neben Haftstrafen auch Entscheidungen, bei denen Demonstrierende wegen „Moharebeh“ verurteilt worden seien. Im Iran steht auf „Moharabeh“ – Krieg gegen Gott – die Todesstrafe.

Aminis Tod als Auslöser für Proteste

Die Religionspolizei war der Auslöser der seit über zwei Monaten andauernden systemkritischen Aufstände in dem Land. Mitte September verhafteten die islamischen Sittenwächter die 22-jährige Mahsa Amini, weil unter ihrem Kopftuch angeblich ein paar Haarsträhnen hervorgetreten waren.

Amini starb wenige Tage später im Gewahrsam der Sittenpolizei. Seitdem protestieren im Iran Menschen gegen das islamische System und dessen unzeitgemäße Gesetze und Vorschriften. 470 Demonstrierende sind bei den Protesten nach Angaben von Menschenrechtlern bereits ums Leben gekommen.