Innenminister Gerhard Karner, Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne)
APA/Hans Klaus Techt
Gewalt an Frauen

Regierung kündigt Ambulanzen für Opfer an

Die Regierung hat am Dienstag anlässlich der weltweiten Initiative „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ auf einem Gewaltschutzgipfel in Wien angekündigt, dass in Österreich Gewaltambulanzen eingeführt werden sollen. Für die SPÖ handelt es sich dabei um eine Maßnahme, die bei Weitem nicht ausreicht. Was es brauche, seien umfassende Strategien und Initiativen zur Gleichstellungspolitik.

Mit Gewaltambulanzen könne die Verurteilungsrate verdoppelt werden, sagte Justizministerin Alma Zadic (Grüne). Außerdem wurde auf bereits getroffene sowie geplante Maßnahmen zur Gewaltprävention hingewiesen. In Gewaltambulanzen werden Verletzungen nach Gewalt dokumentiert und Spuren gesichert, sodass sie in Gerichtsverfahren als Beweise verwendet werden können.

Derzeit liege die Verurteilungsrate bei sieben Prozent, sagte Zadic. In anderen Ländern sind Gewaltambulanzen bereits umgesetzt, die Verurteilungsrate wurde dadurch verdoppelt. Mit den Gewaltambulanzen „haben wir mehr Beweise, damit es endlich zu einer Verurteilung kommt“, führte die Ministerin unter Berufung auf eine Studie aus. Diese sei am Dienstag den Fachleuten vorgestellt worden, ebenso eine zweite Studie, die Femizide in Österreich untersuchte. Veröffentlicht werden sollen die beiden Mitte Dezember.

Einführung von Gewaltambulanzen

In Österreich sollen Gewaltambulanzen eingeführt werden, wie die Regierung am Dienstag auf einem Gewaltschutzgipfel angekündigt hat. Auch eine aktuelle Studie zu Femiziden war ein Thema. Es brauche echte Gleichstellungspolitik, um Gewalt gegen Frauen und Femizide zu verhindern.

Raab pocht auf stärkere Zusammenarbeit

Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) sieht als „Schlüssel im Kampf gegen Gewalt an Frauen und Kindern“, dass die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Ressorts – Innen-, Justiz-, Frauen- und Sozialministerium – verstärkt worden ist. Sie zitierte aus einer Studie zu Femiziden, wonach 40 Prozent der Femizide von Tätern mit Migrationshintergrund begangen werden. Trotz der Tatsache, dass die Mehrheit der Femizide folglich von Österreichern begangen wird, sah Raab „hier Handlungsbedarf“.

Zudem habe die Studie Raab zufolge gezeigt, „dass falsche Rollenbilder ein Thema sind“. Systematische Unterdrückung trete dort auf, wo patriarchale Rollenbilder vorherrschen, sagte die Frauenministerin. „Wir brauchen die echte Gleichstellung in allen Lebensbereichen“, forderte sie. Jede Frau und jedes Kind habe ein Recht auf ein gewaltfreies Leben. Jede Frau, die Hilfe braucht, würde diese auch bekommen, meinte Raab. Sie rief dazu auf, „die Angebote in Anspruch zu nehmen“.

Rettungsauto auf Straße
ORF/Georg Hummer
In eigenen Gewaltambulanzen sollen Verletzungen nach Gewalt dokumentiert und Spuren gesichert werden

Drei Viertel aller Femizide durch Partner

Laut Zadic offenbarte die Studie, dass 74 Prozent aller Femizide „durch den aktuellen oder einen früheren Partner“ verübt wurden. Und bei jedem zweiten der untersuchten Fälle habe sich das Opfer zum Tatzeitpunkt vom Täter bereits getrennt oder befand sich in Trennung, erläuterte die Justizministerin.

Als Motive wurden von den Tätern unter anderem Eifersucht und Trennungsangst genannt. „Da muss man ansetzen, bei dieser Selbstermächtigung der Männer über ihre Frauen“, forderte Zadic. Es gebe noch „viel zu tun“, sagte die Justizministerin. „Hauptziel muss sein, dass es gar nicht zu einem Femizid, gar nicht zu Gewalt kommt“, sagte sie.

Karner: 10.000 Gefährder, 27 Femizide

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) berichtete indes, dass heuer bis Ende November mehr als 13.300 Betretungs- und Annäherungsverbote gegen Gewalttäter ausgesprochen wurden. Zudem wurden mehr als 10.000 Gefährder zur Gewaltprävention vorgeladen und knapp 170 sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen bis Ende November durchgeführt – „das ist beinahe eine Verdreifachung“, so Karner. Laut dem Innenminister gab es heuer bereits 27 Femizide, bei drei Opfern war der Täter mit einem Betretungs- oder Annäherungsverbot belegt.

Karner kündigte unter anderem an, dass im Bundeskriminalamt eine ständige Analysestelle für Tötungsdelikte eingerichtet werden soll. Dadurch sollen Risikofaktoren identifiziert und die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Gewaltschutzbehörden noch stärker intensiviert werden, kündigte der Innenminister an.

Rauch verweist auf Prävention

Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) sagte, dass die Zahlen „nicht achselzuckend zur Kenntnis“ genommen werden. „Ein wesentlicher Teil ist die Prävention. Wir setzen unsere Mittel für Gewaltprävention ein“, sagte Rauch. Ziel der Veranstaltung sei der Regierung zufolge der Austausch und Vernetzung mit Expertinnen und Experten sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Gewaltschutzeinrichtungen, der Wissenschaft, Polizei und Justiz. Dadurch solle das Bewusstsein für die unterschiedlichen Ausprägungen von Gewalt gegen Frauen gestärkt werden.

Webseite „frauenhelpline.at“
APA/Barbara Gindl
Raab rief dazu auf, Hilfsangebote auch in Anspruch zu nehmen

SPÖ für „umfassenderen Gewaltschutz“

Kritik an den Plänen kam indes seitens der Opposition. SPÖ-Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner meinte etwa, dass Gewaltschutz umfassender gedacht werden müsse. Dieser beginne bei einer aktiven Gleichstellungspolitik, „die nicht zuletzt eine präventive Wirkung erzeugt“, hieß es in einer Aussendung am Dienstag. Ändere sich das Frauenbild der Männer mit frauenfeindlichen oder besitzergreifenden Einstellungen, würde sich auch deren Handeln ändern, so die Argumentation.

Grafik listet die Arten von Gewalt gegen Frauen auf
Grafik: ORF.at/Sandra Schober

So würden „sämtliche gesetzlichen Rahmenbedingungen für echte Gleichstellungspolitik fehlen“: von Maßnahmen zur Erhöhung der Väterbeteiligung oder fairen Aufteilung von Karenzzeiten über die Unterhaltsgarantie bis zum Ausbau von Kinderbildungsplätzen.

NEOS: Regierung muss liefern

„ÖVP und Grüne müssen ihren Ankündigungen im Bereich der Gewaltprävention endlich auch Taten folgen lassen. Schöne Worte allein verhindern Gewalt an Frauen nicht“, so NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter. „Wenn die Bundesregierung schon betont, wie wichtig Gleichstellungspolitik für die Gewaltprävention ist, muss sie in diesem Bereich auch endlich liefern. Denn beim Ausbau der Kinderbetreuung, der Aufwertung von Sozialberufen oder Maßnahmen gegen den Gender Pay Gap geschieht genau nichts, hier gibt es aber dringenden Handlungsbedarf“, forderte Brandstötter.

Die FPÖ brachte in ihrer Aussendung indes die Migrationspolitik der Regierung ins Spiel: „Unsere Urgroßmütter, Großmütter und Mütter haben nicht umsonst für die Rechte der Frauen und Gleichbehandlung gekämpft. Es muss endlich klar und deutlich kommuniziert werden: In Österreich haben Frauen die gleichen Rechte wie ein Mann. Leider fehlt es vielen, die aus fernen Kulturen in unser Land strömen, an Respekt vor unseren Gesetzen“, so FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker. Keine Religion oder Kultur rechtfertige die Unterdrückung, Gewalt oder gar einen Mord an einem Mädchen oder einer Frau.

Jede dritte Frau Opfer von Gewalt

Dass die derzeitigen Gewaltschutzmaßnahmen nicht ausreichen, belegt auch eine kürzlich veröffentlichte Befragung der Statistik Austria. Laut dieser musste jede dritte Frau in Österreich ab dem Alter von 15 Jahren bereits körperliche oder sexuelle Gewalt erleben.

Fast jede sechste Frau im Erwachsenenalter war von Androhungen körperlicher Gewalt betroffen. Viele Frauen erleben gleichzeitig unterschiedliche Gewaltformen – von Angriffen bis zu Stalking. Mehr als 280.000 Frauen ab 15 Jahren in Österreich (acht Prozent) wurden bereits vergewaltigt. Androhungen körperlicher Gewalt musste fast eine halbe Million Österreicherinnen (15,25 Prozent) erleben.

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