Öltanker am Bospurus
Reuters/Yoruk Isik
Versicherungsstreit

Öltankerstau vor dem Bosporus

Am Montag ist der von den führenden Industriestaaten (G-7) verhängte Preisdeckel für auf dem Seeweg transportiertes russisches Öl in Kraft getreten. Nahezu gleichzeitig hat die Türkei ihre Versicherungsregeln für Öltransporte in ihren Gewässern verschärft. Das führt nun zu einem Stau von Tankern, die von den russischen Schwarzmeer-Häfen durch den Bosporus ins Mittelmeer wollen. Betroffen sind allerdings nicht nur russische Tanker.

Öltankern ist es mit dem G-7-Preisdeckel seit Montag nur noch erlaubt, russisches Rohöl zu transportieren, wenn dieses zu einem Preis von maximal 60 Dollar pro Barrel erworben wurde. Umgesetzt wird das mit internationalem Versicherungsrecht: Es werden nur Versicherungen ausgestellt, wenn der limitierte Kaufpreis eingehalten wird.

Diese „Protection and Indemnity“-Versicherung (P&I) wird vor allem von nationalen Versicherungsclubs vergeben. Diese haben sich in einer Londoner Gesellschaft zusammengeschlossen und dominieren mit einem Marktanteil von rund 95 Prozent das Geschäft. Aus Russland hieß es, man werde sich darauf nicht einlassen, was bedeutet, dass es zwischen den großen Versicherern und russischen Tankern wohl keine Zusammenarbeit mehr gibt.

Öltankerstau vor dem Bosporus

Nach Angaben der G-7-Staaten ist die Überlastung des Tankerverkehrs vor der Türkei nicht auf die Preisobergrenze für russisches Öl zurückzuführen, sondern auf eine neue türkische Versicherungsvorschrift. Von den 20 betroffenen Rohöltankern scheint nur ein einziger russisches Öl zu transportieren, das nicht unter die Preisobergrenze fallen würde.

Kasachische Öltanker hängen fest

Die Türkei ging allerdings einen Schritt weiter und verlangt von den Versicherern ein Schreiben – und damit quasi einen Blankoscheck – für jeden einzelnen Tanker, dass die Haftung „unter allen Umständen“ – auch bei unwissentlichen Sanktionsverstößen – gewährleistet ist. Das wiederum lehnen die Versicherer ab.

Betroffen davon sind derzeit vor allem – quasi als Kollateralschaden – kasachische Öltanker. Das Binnenland Kasachstan pumpt sein Öl über eine Pipeline in den russischen Hafen Noworossijsk. Dann wird das Öl mit Tankern nach Europa gebracht. Kasachstan ist mit einem Anteil von rund 40 Prozent größter Öllieferant Österreichs.

Berichte über russische „Schattenflotte“

Einige russische Schiffe scheinen hingegen eine Hintertür gefunden zu haben. Statt westlicher Versicherer springt die Moskauer Versicherungsgesellschaft Ingostrach ein. Inwieweit das zur gängigen Praxis wird und ob damit der Preisdeckel unterlaufen wird, ist noch nicht abzusehen – befürchte wird es, zumal die Türkei laut russischen Angaben, anders als etwa China, diese Versicherung akzeptiert.

Zudem soll sich Russland zuletzt laut einem von der „Financial Times“ eingesehenen Bericht des Schiffsmaklers Braemar an die Internationale Energieagentur (IEA) mit einigen Dutzend mittelgroßen und kleineren Tankern eingedeckt haben. Mit dieser „Schattenflotte“ wolle Russland die Sanktionen umgehen. Die Gefahr bestehe laut „Handelsblatt“ allerdings darin, dass die gekauften Schiffe allesamt schon etliche Jahre im Verkehr seien – und damit das Risiko für Havarien und Umweltschäden steige.

Verhandlungen laufen

Täglich werden Millionen Barrel Öl von russischen Häfen durch die schmale türkische Meerenge Bosporus in das Marmarameer und dann weiter durch die Dardanellen in das Mittelmeer transportiert. Die durchschnittliche Wartezeit am Bosporus in Richtung Süden liegt aktuell bei vier Tagen für Schiffe mit einer Länge von mehr als 200 Metern, während sie Mitte November noch bei einem Tag lag. Mindestens zwei Dutzend Schiffe warten derzeit auf die Durchfahrt. Auch bei den Dardanellen warten bereits einige Schiffe.

Die Türkei beharrt indes auf ihrem Standpunkt: Man müsse sicherstellen, dass bei Umweltschäden eine Versicherung bereitstehe. Allerdings verhandelt man auch schon mit den westlichen Versicherern, auch das Londoner Finanzministerium soll laut Medien eingebunden sein. Wie lange es für eine Lösung braucht und ob das internationale Ölgeschäft durch die Staus schwerer in Mitleidenschaft gezogen wird, ist noch nicht absehbar.

Die russische Regierung zeigte sich indes besorgt über den Stau von Öltankern. „Wir sind uns dieser Situation bewusst, natürlich bereitet sie uns im Hinblick auf die Interessen unserer Unternehmen Sorgen“, zitierte die Nachrichtenagentur RIA am Mittwoch den stellvertretenden Außenminister Alexander Gruschko. Das Problem werde mit den Transport- und Versicherungsunternehmen erörtert. „Wenn das Problem nicht gelöst wird, wird sich natürlich die Politik einschalten“, sagte Gruschko.