Peruanische Polizisten im Zentrum von Lima, wo der Präsident Pedro Castillo festgesetzt wurde
APA/AFP/Ernesto Benavides
Machtkampf in Peru

Abgesetzter Präsident auf Polizeistation

In Peru ist der Machtkampf zwischen dem linksgerichteten Präsidenten Pedro Castillo und dem Parlament eskaliert. Der Kongress enthob Castillo am Mittwoch des Amtes, nachdem dieser zuvor die Auflösung des Parlaments verkündet hatte. Kurz darauf kursierten Berichte, wonach Castillo festgenommen worden sei. Fotos zeigten ihn auf einer Polizeistation. Die bisherige Vizepräsidentin Dina Boluarte wurde unterdessen als neue Staatschefin vereidigt.

Die 60-jährige Juristin legte am Mittwoch im Kongress in Lima ihren Amtseid ab. Die Verfassung sieht vor, dass im Fall einer Absetzung des Staatschefs sein Stellvertreter die Amtsgeschäfte übernimmt. Boluarte ist die erste Präsidentin in der Geschichte des südamerikanischen Landes. Boluarte und die rechte Opposition hatten Castillos Vorgehen als Staatsstreich gewertet. 101 Parlamentarier stimmten zuvor dafür, den Staatschef abzusetzen, sechs dagegen und zehn enthielten sich.

Die peruanische Bundespolizei teilte in einem inzwischen gelöschten Tweet auch mit, dass sie eingegriffen habe, um ihre Pflichten zu erfüllen. Dazu wurden Bilder Castillos auf einer Polizeistation gezeigt und der Politiker als „Ex-Präsident“ bezeichnet. Warum die Polizei den Tweet inzwischen gelöscht hat, ist unklar. Castillo sei im Zentrum der Hauptstadt Lima festgesetzt worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Andina. In der Präfektur werde er von der Generalstaatsanwältin Patricia Benavides und der leitenden Staatsanwältin für Korruptionsfälle vernommen.

Der ehemalige Präsident von Peru nach seiner Absetzung im Gespräch mit Justizbeamten
APA/AFP/Administracion de Justicia Perua
Fotos, die von den peruanischen Behörden veröffentlicht wurden, zeigen Castillo im Gespräch mit Ermittlern

Castillo verkündete zuvor Ausgangssperre und Reform

Castillo hatte versucht, der Abstimmung über den Misstrauensantrag zuvorzukommen, und kurz vorher die Auflösung des Kongresses und eine Neuwahl des Parlaments angekündigt. Die Parlamentarier sollten dann innerhalb von neun Monaten eine neue Verfassung ausarbeiten. „Bis der neue Kongress seine Arbeit aufnimmt, werden wir mit Dekreten regieren“, kündigte Castillo an.

Der Präsident verkündete in seiner Ansprache zudem eine landesweite Ausgangssperre zwischen 22.00 und 4.00 Uhr und kündigte eine Reform des Justizwesens an. „Der Kongress hat den Rechtsstaat, die Demokratie und das Gleichgewicht zwischen den Staatsgewalten zerstört“, sagte Castillo. „Wir rufen alle Institutionen der Zivilgesellschaft und alle sozialen Gruppen dazu auf, die Entscheidung zu unterstützen.“

Die ehemalige peruanische Vizepräsidentin bei ihrer Angelobung in Lima
Reuters/Sebastian Castaneda
Dina Boluarte wurde bereits als neue Staatschefin vereidigt

Vizepräsidentin sprach von „Staatsstreich“

Allerdings hatte sich Castillo offenbar verkalkuliert: Nachdem er die Auflösung des Kongresses angekündigt hatte, gingen ihm zahlreiche Kabinettsmitglieder von der Fahne, allen voran Vizepräsidentin Boluarte. „Ich lehne die Entscheidung von Pedro Castillo ab, durch die Auflösung des Kongresses den Zusammenbruch der verfassungsmäßigen Ordnung herbeizuführen. Das ist ein Staatsstreich, der die politische und institutionelle Krise verschärft, die die peruanische Gesellschaft unter strikter Einhaltung der Gesetze überwinden muss“, schrieb sie auf Twitter.

Zahlreiche Minister traten nach Castillos Ansprache zurück. „Weil der Rechtsstaat verletzt wurde und im Einklang mit meinen demokratischen Grundsätzen reiche ich hiermit meinen unwiderruflichen Rücktritt als Minister für Wirtschaft und Finanzen ein“, schrieb Finanzminister Kurt Burneo auf Twitter. Auch Außenminister Cesar Landa und Justizminister Felix Chero stellten ihre Ämter zur Verfügung. Generalstaatsanwältin Benavides sagte: „Wir weisen den Bruch der verfassungsmäßigen Ordnung auf das Schärfste zurück.“

Abgesetzter Präsident Perus festgenommen

In Peru ist der Machtkampf zwischen dem linksgerichteten Präsidenten Pedro Castillo und dem Parlament eskaliert. Der Kongress enthob Castillo am Mittwoch des Amtes, nachdem dieser zuvor die Auflösung des Parlaments verkündet hatte. Kurz darauf kursierten Berichte, wonach Castillo festgenommen worden sei. Fotos zeigten ihn auf einer Polizeistation. Die bisherige Vizepräsidentin Dina Boluarte wurde indes als neue Staatschefin vereidigt.

Auch die Opposition sprach von einem Staatsstreich. „Er darf nicht tun, was er gerade getan hat. Das ist illegal“, sagte die Abgeordnete Martha Moyano von der rechten Partei Fuerza Popular im Radiosender RPP. Ihr Parteifreund Hector Ventura sagte: „Die Streitkräfte müssen heute die demokratische Ordnung respektieren.“ Der Abgeordnete und frühere Admiral Jose Cueto schrieb auf Twitter: „Was Pedro Castillo getan hat, ist ein Staatsstreich. Die Streitkräfte werden die Verfassung unterstützen und nicht den Diktator.“

Permanenter Machtkampf und mehrere Ermittlungen

Castillos Regierung stand seit dem Amtsantritt des ehemaligen Dorfschullehrers im Juli vergangenen Jahres unter Druck. Wegen verschiedener Vorwürfe oder Meinungsverschiedenheiten räumten immer wieder wichtige Minister ihre Posten. Erst vor zwei Wochen ernannte Castillo eine neue Kabinettschefin – die fünfte in knapp eineinhalb Jahren. Seit seinem Amtsantritt hatte Castillo bereits zwei Amtsenthebungsverfahren überstanden.

Die Regierung des Linkspolitikers befand sich zudem in einem permanenten Machtkampf mit dem Parlament. Zuletzt verweigerte der Kongress dem Staatschef die Erlaubnis, zum Gipfel der Pazifikallianz nach Mexiko zu reisen, und ließ das Treffen damit platzen. Auch gegen zahlreiche Parlamentarier wird wegen verschiedener Vorwürfe ermittelt. Zwei von Castillos Vorgängern wurden in ähnlichen Verfahren ihres Amtes erhoben.

Gegen Castillo laufen mehrere Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Einflussnahme bei Beförderungen im Militär und bei der Polizei sowie wegen Behinderung der Justiz. Mehrere lateinamerikanische Länder wie Chile oder Brasilien zeigten sich über die Entwicklungen in Peru besorgt und riefen zu Ruhe, Besonnenheit und Vernunft auf.