Tajani fordert Mehrheitsentscheidungen nach Ungarn-Veto

Angesichts der ungarischen Blockade der EU-Milliardenhilfen für die Ukraine hat sich der italienische Außenminister Antonio Tajani für die Abschaffung des nationalen Vetorechts bei europäischen Entscheidungen ausgesprochen. „Die Einstimmigkeit blockiert Europa“, sagte Tajani gestern Abend nach einem Treffen mit seinem österreichischen Amtskollegen Alexander Schallenberg (ÖVP) in Wien. Dieser ließ erkennen, dass man der ungarischen Erpressungstaktik nicht nachgeben werde.

Die EU-Finanzministerinnen und -minister hätten am Vortag nicht nur über die Ukraine-Hilfen, sondern auch über die Kürzung von EU-Fördermitteln für Ungarn aufgrund von Rechtsstaatsverletzungen durch die dortige Regierung abstimmen sollen. Nach der Vetoankündigung strich der tschechische EU-Ratsvorsitz beide Punkte von der Tagesordnung des ECOFIN-Rates.

Schallenberg äußert Bedauern über ECOFIN-Tagesordnung

„Ich bedauere, dass die beiden Punkte von der Tagesordnung des ECOFIN genommen wurden“, sagte Schallenberg. „Wenn wir eine gemeinsame Position zur russischen Aggression gegenüber der Ukraine haben, dann müssen wir auch intern glaubwürdig sein, wenn es um unsere Werte geht“, spielte der Außenminister auf die ungarischen Rechtsstaatsverletzungen an.

Österreich hatte signalisiert, im Fall der EU-Mittelkürzungen der Empfehlung der Europäischen Kommission folgen zu wollen. Allerdings forderten die EU-Finanzminister die Brüssler Behörde zuletzt auf, den Stand der Dinge in Ungarn noch einmal zu prüfen.

Die neue Mitte-rechts-Regierung wird als potenzielle Verbündete des umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gesehen. Tajani sagte auf die Frage der APA, ob die EU dem ungarischen Veto nachgeben solle: „Wir müssen die europäischen Regeln ändern. Wir müssen mehr Entscheidungen mit Mehrheit treffen. Wenn man mehr Europa, ein stärkeres Europa will, ist die Einstimmigkeit ein Ding der Vergangenheit“, forderte Tajani „in jedem Bereich“ Entscheidungen nach dem Prinzip der qualifizierten Mehrheit.

Diese Regel besagt, dass Entscheidungen von mindestens 55 Prozent der Mitgliedsstaaten (15 von 27) getragen werden müssen, wobei diese 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen.

Minister betonen enge Abstimmung bei Migration

Tajani und Schallenberg sprachen sich auch für europäische Lösungen im Bereich Migration aus. Schallenberg verwies diesbezüglich auf den starken Zustrom von Migranten über die Balkan- und Mittelmeer-Route. „Die jetzige Situation ist unerträglich für unsere Leute, zumal in einer ohnehin herausfordernden Zeit“, sagte der Außenminister. Italien und Österreich würden sich in der Migrationsfrage „sehr eng abstimmen“, kündigte er an.