Prinz Harry und Meghan
Reuters/Andrew Kelly
„Stocksauer“

Furor wegen Doku „Harry & Meghan“

Die jüngst gestartete Dokureihe über das abtrünnige royale Paar Harry und Meghan hat in Großbritannien nicht unerwartet eine Welle der Empörung ausgelöst. Prinz William soll „stinksauer“ sein, der Palast habe „traurig“ reagiert, heißt es. Durch die Netflix-Veröffentlichung flammt aber auch eine alte Fehde wieder auf: Die britische Boulevardpresse fühlt sich angegriffen und feuert nun aus allen Rohren.

An sich sind die Vorwürfe des herzöglichen Paars bekannt: Rassismus im Palast, ein heuchlerischer Umgang mit Großbritanniens Kolonialgeschichte und die Umtriebe einer ungezügelten Boulevardpresse werden in der Netflix-Doku „Harry & Meghan“ erneut aufs Tapet gebracht. All das war schon Thema bei anderen öffentlichen Auftritten der Sussexes, etwa beim aufsehenerregenden Interview mit der US-Talkshow-Ikone Oprah Winfrey voriges Jahr. Dennoch haben die ersten Folgen der sechsteiligen Reihe eine Zorneswelle in Großbritannien losgetreten, die ihresgleichen sucht.

Die königliche Familie sei „in einem Zustand der Traurigkeit“, schrieb etwa die „Sun“, der „Daily Express“ titelte: "So schmerzhaft! Royals „zutiefst verärgert“ über Harrys „Beleidigungen“. Der „Mirror“ wusste zu berichten, dass vor allem Harrys älterer Bruder, Prinz William, „stocksauer“ sei. Dem Thronfolger stoße besonders übel auf, dass Netflix Szenen aus dem berühmten BBC-Interview seiner Mutter Diana genutzt habe, in dem sie 1995 von der Affäre ihres Ex-Mannes Charles, des heutigen Königs, erzählt hat.

William sei davon ausgegangen, dass die Ausschnitte nie wieder gezeigt würden und dass er mit seinem Bruder darin übereinstimme. Nun fühle er sich betrogen, so die Zeitung. Zudem sollen William und seine Ehefrau, Prinzessin Kate, Aussagen von Harry als „besonders schmerzhaft“ empfunden haben, der nahelegte, dass die Männer der Familie nicht aus Liebe heirateten.

Prinz William
Reuters/Brian Snyder
Das beschädigte Verhältnis von Prinz William zu Bruder und Schwägerin könnte sich nun wieder eingetrübt haben

Ende der vorläufigen Annäherung

Das Verhältnis der Brüder zueinander dürfte sich durch die Dokureihe erneut eintrüben. In der Kindheit zusammengeschweißt, hatten sich William und Harry in den vergangenen Jahren auseinandergelebt. Harry entfernte sich auch stark vom Königshaus, zusammen mit seiner Frau legte er die royalen Pflichten ab und zog in die USA. Dort lebt das Paar nun zusammen mit den beiden Kindern Archie und Lilibet. Zuletzt hatte es Signale der Annäherung gegeben: Kurz nach dem Tod der Großmutter, Queen Elizabeth II., zeigte man sich gemeinsam in Windsor beim Zusammentreffen mit Trauernden. Mit dem versöhnlichen Kurs dürfte nun wieder Schluss sein.

Die Empörung schloss auch politische Kreise ein. Der „Telegraph“ zitierte einen royalen Insider mit den Worten, das Paar wolle die Monarchie stürzen. Bob Seely, Abgeordneter der regierenden Konservativen Partei, forderte gar, Harry und Meghan ihre königlichen Titel abzuerkennen. Das Paar sei narzisstisch und „furchtbar“, die Vorwürfe seien auch ein „politisches Problem“, weil Harry nicht nur seine Familie zerstöre, sondern auch einige „wichtige Institutionen“ angreife, sagte der Tory-Politiker. „Wenn du die Monarchie hassen willst, dann sei Mr. Windsor“, so Seely zur „Sun“.

„Lügen“ und „Kriegsbeil“

Harry und Meghan thematisierten in der Doku auch das Verhältnis der Royals zur britischen Boulevardpresse. Harry bezeichnete die Reporter als „verlängerten PR-Arm der Royal Family“, Palast und Presse hätten eine Art Pakt mit dem Teufel geschlossen, der dem Boulevard fast uneingeschränkte Macht darüber gebe, was und wie über die Familie berichtet werde. Harry sagte auch, seine Frau sei Opfer des medialen „Wahnsinns“ geworden, was Beobachter wiederholt zu Vergleichen mit Prinzessin Diana veranlasste.

Harry-Meghan-Doku lässt Wogen hochgehen

Die neue Netflix-Doku von Prinz Harry und seiner Frau Herzogin Meghan sorgt vielerorts für gemischte Gefühle. Adelsexperte und Chefredakteur von True Royality TV, Nick Bullen, kritisiert etwa, dass in der Dokumentationsreihe kaum Neuigkeiten preisgegeben werden. Vielmehr ginge es um ein Paar, das der königlichen Familie den Rücken zugewandt hatte, um mehr Privatsphäre zu erlangen – obwohl es selbst immer wieder sehr private Einblicke in ihr Leben gewährt. Auch in der Bevölkerung war Kritik an der Serie zu vernehmen.

Am Tag nach der Ausstrahlung feuerte die Presse zurück: Die „Daily Mail“, die besonders oft mit Harry und Meghan aneinandergeraten war, widmete den „Fantasien und Lügen“ des Paars ganze vier Seiten. Die „Daily Mail“ schrieb von einem „Kriegsbeil“ und kommentierte, das Paar habe „den Krieg der Royals“ neu entzündet. Mit ihren Aussagen über den Staatenbund Commonwealth, der in der Sendung als britisches „Empire 2.0“ kritisiert wurde, hätten sie das Vermächtnis von Harrys Großmutter Königin Elizabeth II. zutiefst beleidigt, zitierte der „Telegraph“ einen Insider. Die „Sun“ fragte unter dem Titel „Harry the Nasty“, wie tief man sinken könne. Das Paar habe „das Vermächtnis der Queen zerstört“ und das ganze Land zu Unrecht als rassistisch dargestellt.

Die „Daily Mail“ nannte die beiden die „schamlosen Sussexes“. Aber auch abseits der Regenbogenpresse kam kein Verlag am Thema Nummer eins vorbei. Die „Times“ titelte weniger polemisch „Palast und Netflix geraten wegen Seifenoper der Sussexes aneinander“, der „Guardian“ konzentrierte sich auf Harrys Kritik, dass die königliche Familie Meghan nicht vor rassistischer Berichterstattung geschützt habe.

Neue Aufreger erwartet

Von den letzten drei Folgen der Netflix-Serie werden weitere Vorwürfe gegen die Royals erwartet. Veröffentlicht werden sie am Donnerstag kommender Woche. Fürs Erste bleibt die Vermarktung ihres Schicksals ein gutes Geschäft für die Sussexes: Mit Netflix und Spotify unterzeichneten Harry und Meghan Ende 2020 millionenschwere Verträge. Auf die Netflix-Produktion folgt schon im Jänner Harrys Autobiografie. Der Titel „Reserve“ (Original: „Spare“) deutet die Stoßrichtung bereits an und dürfte für weitere Entfremdung vom Königshaus sorgen.