Menschen auf einem Platz
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Verfassung im Fokus

Appelle zum Tag der Menschenrechte

Bevor am Samstag der Tag der Menschenrechte begangen wird, haben am Freitag mehrere NGOs Appelle an die heimische Politik gerichtet. Die Liga für Menschenrechte sprach sich bei der Präsentation des Menschenrechtsbefundes am Freitag etwa für die Verankerung sozialer Grundrechte in die Verfassung aus. Gleiches wünschten sich das Netzwerk Armutskonferenz und Amnesty International Österreich.

Zu sozialen Grundrechten zählten beispielsweise das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe, auf eine Wohnung und Gesundheitsvorsorge, erklärte Liga-Präsidentin Barbara Helige. Rufe nach einer Anpassung der Grundrechte seien ein „ganz gigantisches Missverständnis“, sagte Helige auch.

Der nun vorgestellte Menschenrechtsbefund bot für Helige jedenfalls wenig Grund zur Freude. „Es ist ein trauriges Resümee, bei den Antikorruptionsmaßnahmen ist praktisch nichts weitergegangen“, sagte die Präsidentin der Liga für Menschenrechte. Negativ erwähnte sie auch den Umgang mit der Klimakrise, den Krieg in der Ukraine und die Fußballweltmeisterschaft in Katar.

Schenk: „Zu Kinderarmut nicht schweigen“

Im kommenden Jahr solle es aber einen Fokus auf soziale Grundrechte und Kinder geben. „Man muss schauen, dass manche Themen nicht zu kurz kommen“, so Heilige. Das griff Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie Österreich, auf und forderte: „Wer von Menschenrechten spricht, darf zu Kinderarmut nicht schweigen.“ Vielen würde es an materiellen wie immateriellen „Lebensmitteln“ fehlen, dort müsse geholfen werden. Kritik übte Schenk auch an der „Mangelversorgung bei Kindergesundheit“ und der neuen Sozialhilfe.

Die Sozialwissenschafterin Petra Flieger machte auf die Situation von Kindern mit Behinderungen aufmerksam. Viele würden in „Institutionen“ leben, also nicht bei ihren Familien. „Das bedeutet immer Aussonderung und ist nicht mit inklusiver Bildung vereinbar“, so Flieger. Wenn möglich, sollten alle Kinder bei Familien wohnen können, „die Vermeidung einer Trennung wäre das Ziel“.

Eine verfassungsrechtliche Verankerung sozialer Grundrechte wünschte sich auch Florian Horn. Um diese stehe es „schlecht“, sagte der Rechtsanwalt: „In Österreich können gute Errungenschaften mit einfacher Mehrheit weggewischt werden.“ Andere Staaten könnten hier als Vorbild wirken. Als Ziel nannte Horn, dass alle Menschen „an einer Gesellschaft teilnehmen“ können.

Auch Volksanwaltschaft ortet Handlungsbedarf

Dafür sprachen sich auch das Netzwerk Armutskonferenz und Amnesty International Österreich aus. Auch sie erinnerten an den langjährigen Plan, soziale Menschenrechte als Verfassungsrechte anzuerkennen. „Menschenrechte sind nicht teilbar“, sagte Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International. „Das bedeutet, dass wir alle unsere Menschenrechte wirksam gewährleisten, also in der Verfassung verankern, müssen.“ Nur dann könnten Einschränkungen von sozialen Grundrechten, wie etwa beim Recht auf Wohnen oder beim Recht auf Bildung, auch geklagt werden.

Weiterhin Handlungsbedarf sieht zudem die Volksanwaltschaft. Zwar habe es bereits zahlreiche Verbesserungen in unterschiedlichen Bereichen gegeben, hielt Volksanwältin Gabriela Schwarz (ÖVP) in einer Aussendung fest. „Dringenden Verbesserungsbedarf“ gebe es aber etwa beim Strafvollzug. „Da geht es nicht nur um die Frage der entsprechenden Unterbringung, sondern zum Beispiel auch um die Frage der Suizidprävention.“

UNO-Hochkommissar über Menschenrechte

Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Volker Türk, spricht im Interview über Menschenrechtsverletzungen, die die UNO derzeit beschäftigen, und äußert sich zur aktuellen Debatte rund um die Asylpolitik in Europa. Er erörtert zudem die Rolle sozialer Netzwerke in Bezug auf Menschenrechte und nimmt zu den Rufen, die Europäische Menschenrechtskonvention zu überarbeiten, Stellung.

UNO-Hochkommissar Türk erinnert an vergessene Krisen

Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, erinnerte zum Tag der Menschenrechte indes an vergessene Krisen. Er nannte am Freitag in Genf und in der ZIB2 unter anderem die Lage in Haiti, im Jemen, in Afghanistan, Mosambik und Somalia. Türk war gerade in der Ukraine gewesen und hatte sich ein Bild von der verheerenden Situation gemacht, die russische Raketenangriffe auf die Infrastruktur verursachen. Das Leid der Menschen sei immens. Während über die Lage dort berichtet werde, gerieten andere Krisen aber ins Vergessen.

Menschenrechtsverletzungen von Haiti bis Somalia

In Haiti terrorisierten gewalttätige Banden die Bevölkerung, sagte Türk. Ursachen der verheerenden Lage seien soziale Ungerechtigkeiten, Korruption und Straffreiheit für die Täter. Er hoffe, dass das kürzlich beschlossene Waffenembargo Wirkung zeigt. Im Jemen hätten die Kämpfe sich seit dem Waffenstillstand zwar gelegt, aber es gebe nach wie vor Berichte über Folter, willkürliche Verhaftungen, Menschenschmuggel und sexuelle Ausbeutung.

In Afghanistan sei die Verbannung von Frauen und Mädchen aus dem öffentlichen Leben beispiellos. Türk verurteilte auch die jüngsten öffentlichen Auspeitschungen. In Mosambik werde fünf Jahre nach Ausbruch des Konflikts in Cabo Delgado weiter gekämpft, Menschen würden entführt und Dörfer zerstört. Fast eine Million Menschen seien vertrieben worden. In Somalia, das eine verheerende Dürre erlebt, sei die Zahl der Opfer von Angriffen der Terrormiliz al-Schabaab von Jänner bis November im Jahresvergleich um gut 50 Prozent gestiegen.

Der österreichische Experte erinnerte an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 in Paris verkündet worden war. Darin heißt es in der Präambel, dass „die Nichtanerkennung und Verachtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei geführt haben, die das Gewissen der Menschheit mit Empörung erfüllen“.