Kosovo-Serben blockieren eine Straße in Rudine
Reuters/Ognen Teofilovski
Nordkosovo

Berichte über Schüsse und Explosionen

Die Lage im hauptsächlich von Serben und Serbinnen bewohnten Norden des Kosovo ist weiter angespannt: Die kosovarische Polizei sowie lokale Medien berichteten am Sonntag etwa über Explosionen, Schüsse und neuerliche nächtliche Straßensperren. Verletzt worden sei niemand. Die jüngste Eskalation steht im Zusammenhang mit einer Attacke auf kosovarische Wahlhelfer und einer darauffolgenden Festnahme eines früheren Polizisten.

Die Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union im Kosovo (EULEX Kosovo) berichtete zudem, dass „gestern Abend eine Blendgranate auf eine EULEX-Aufklärungspatrouille geworfen wurde“. Schäden gab es keine. Die EULEX Kosovo, die mehr als 130 Polizisten im Norden des Landes stationiert hat, bat die Verantwortlichen „von weiteren provokativen Aktionen“ abzusehen. An die kosovarischen Institutionen appellierte die Mission, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell teilte daraufhin per Twitter mit, dass die EU Gewalt gegen Mitglieder ihrer Rechtsstaatlichkeitsmission sowie „gewalttätige, kriminelle Handlungen im Norden“ nicht tolerieren werde. Er rief auch dazu auf, die errichteten Straßensperren zu entfernen. „Die Ruhe muss wieder hergestellt werden“, so Borrell bei Twitter.

Den zweiten Tag in Folge blockierten Lastwagen und andere schwere Nutzfahrzeuge am Sonntag auch mehrere Hauptstraßen, die zu zwei Grenzübergängen zu Serbien führen. Hinter den Barrikaden versammelten sich am Sonntag erneut Hunderte Serben. Beide Kreuzungen wurden für den Verkehr gesperrt. In der Früh hatte sich die Situation zwar etwas beruhigt, die Präsenz kosovarischer Polizisten – die der albanischen Bevölkerungsmehrheit angehörten – wurde aber verstärkt.

Spannungen im Kosovo

Nach Attacken auf Wahlhelfer im Kosovo haben Behörden in Prishtina kosovarische Polizisten in das hauptsächlich von Serben bewohnte Gebiet geschickt. Serbien fordert jetzt die Rückkehr von serbischen Einsatzkräften.

Serbien fordert Stationierung von eigenen Streitkräften

Wegen Attacken auf Wahlhelfer für die mittlerweile auf April verschobene Kommunalwahl hatten die Behörden in Prishtina kosovarische Polizisten in den Norden geschickt. Serbien forderte daraufhin die Rückkehr von bis zu 1.000 Angehörigen der serbischen Polizei und der Streitkräfte in das Gebiet.

Dieses Ansuchen will Belgrad bei der KFOR, der internationalen Schutztruppe im Kosovo, stellen, sagte Präsident Aleksandar Vucic am Samstagabend bei einer Pressekonferenz. Er berief sich in seiner Forderung auf die UNO-Resolution 1244 aus dem Jahre 1999, die damals den Kosovo allerdings noch als Bestandteil von Serbien behandelt hat.

Die frühere südserbische Provinz hatte im Februar 2008 ihre Unabhängigkeit verkündet, welche Belgrad nach wie vor ablehnt. Die UNO-Resolution wurde wegen des Widerstandes Russlands im UNO-Sicherheitsrat bis dato nicht außer Kraft gesetzt. Vucic habe allerdings keine Illusion, dass die KFOR das auch akzeptieren werde, fügte er am Samstagabend hinzu.

Lkws blockieren eine Straße in Mitrovica
Reuters/Florion Goga
Straßensperren im Nordkosovo

Vucic: Polizist war zufällig dort

In dem hauptsächlich von Serben und Serbinnen bewohnten Nordkosovo herrschten Spannungen, nachdem ein ehemaliger kosovarischer Polizist serbischer Abstammung am Grenzübergang Jarinje festgenommen wurde. Dejan Pantic, der am 5. November zusammen mit anderen serbischen Polizisten in den vier nordkosovarischen Gemeinden seinen Dienst bei der kosovarischen Polizei quittiert hatte, steht nach Angaben des kosovarischen Innenministeriums unter Verdacht, am 6. Dezember in Nordmitrovica einen Angriff auf kosovarische Wahlhelfer organisiert zu haben.

Diese waren gekommen, um die Kommunalwahlen vorzubereiten. Die Wahlen, die eigentlich noch im Dezember stattfinden hätten sollen, wurden von der kosovarischen Präsidentin Vjosa Osmani am Samstag unterdessen auf April 2023 verschoben. Notwendig wurden die Wahlen, weil die serbischen Bürgermeister und Gemeindevertreter in vier Gemeinden im Norden des Landes ihre Ämter niedergelegt hatten. Damit hatten sie gegen eine inzwischen ausgesetzte Kfz-Kennzeichenverordnung der Regierung in Prishtina protestiert.

Vucic zufolge sei Ex-Polizist Pantic rein zufällig in der Nähe des Lokals der Wahlkommission in Nordmitrovica gewesen, da sich seine Wohnung in demselben Haus befinde. Das Innenministerium im Kosovo sieht das anders und beschuldigt Pantic, bei einer Gruppe involviert gewesen zu sein. Diese hatte am Dienstag in die Luft geschossen und Sprengkörper gezündet.

Straßenblockade bei Rudare, Kosovo
AP/Bojan Slavkovic
Mit Straßensperren äußerten die im Norden lebenden Serben und Serbinnen ihren Protest gegen den Kosovo

Unmut über Straßensperren

„Extremistische Gruppen“ hätten in den Orten Leposavic, Zvecan und Zubin Potok Barrikaden errichtet, schrieb der kosovarische Innenminister Xhlelal Zvecla am Samstag auf Facebook. Wegen der Barrikaden sei der nördliche Grenzübergang Jarinje geschlossen worden, teilte die Polizei mit.

Vucic beschuldigte die kosovarischen Behörden am Samstag, auch für vermehrte ethnisch motivierte Zwischenfälle nicht nur im Norden des Kosovo verantwortlich zu sein. Seit dem Jahresbeginn seien 131 solche Zwischenfälle, deren Opfer Serben bzw. Serbinnen gewesen seien, verbucht worden, sagte Serbiens Präsident bei seiner Pressekonferenz. Im Vorjahr habe sich ihre Zahl auf 128 belaufen.

Entsendung von Polizisten: Serbien droht

Die kosovarische Präsidentin Osmani hatte zuvor die Wahlverschiebung mit einer Gefahrenanalyse der Polizei argumentiert. So hatten serbische Militante in der Nacht auf Freitag in der Gemeinde Zvecan auf eine kosovarische Polizeistreife geschossen. Ein Polizist erlitt dabei leichte Verletzungen, das Fahrzeug der Beamten wurde schwer beschädigt.

Demonstration in Mitrovica, Kosovo
Reuters/Fatos Bytyci
Die aufgeheizte Stimmung äußerte sich bereits im November, als es zu einem serbischen Protestmarsch gegen den Kosovo kam

Die Polizisten – die vorwiegend der albanischen Bevölkerungsmehrheit angehörten – waren am Donnerstagabend in den Norden des Landes entsandt worden, um die serbischen Polizeibeamten zu ersetzen, die ihr Amt niedergelegt hatten. Doch die Entsendung der kosovarischen Polizisten hatte am Freitag bereits Serbiens Premierministerin Ana Brnabic auf den Plan gerufen.

Sie kritisierte ihren kosovarischen Kollegen Albin Kurti scharf. „Kurti hat uns alle an den Rand des Krieges gebracht. Er hat es nicht allein getan“, betonte sie. Man sei kurz davor, Truppen in den Kosovo zu schicken, da das Leben der serbischen Minderheit dort bedroht sei, so die Premierministerin. Innenminister Zvecla erklärte hingegen, die Verstärkung der Polizei im Norden sei „unverzichtbar“, um die Sicherheit im Land zu gewährleisten.