EU-Parlament in Brüssel
APA/AFP/Kenzo Tribouillard
Korruptionsverdacht im EU-Parlament

Medien melden U-Haft für Kaili

Im Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal im Europaparlament sind am Sonntag vier Verdächtige per Haftbefehl in Untersuchungshaft genommen worden. Mehrere Medien berichteten, dass sich darunter auch die suspendierte Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili befinden soll. Offiziell bestätigt wurde das nicht. Unterdessen wurde publik, dass die Wohnung eines weiteren EU-Abgeordneten durchsucht wurde.

Im Zentrum des Skandals stand zuletzt die Sozialdemokratin Kaili. Die Griechin soll den Vorwürfen zufolge Geld aus dem Golfstaat Katar kassiert haben, damit sie für das WM-Gastgeberland Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. Kaili wurde zusammen mit fünf anderen Verdächtigen festgenommen – vier davon kamen nun per Haftbefehl in Untersuchungshaft. Die Nachrichtenagentur AFP berichtete mit Verweis auf Justizkreise, dass Kaili dazu zähle. Das deckt sich mit Berichten der Zeitungen „Le Soir“, „L’Echo“ und „Le Parisien“. Zwei weitere Festgenommene wurden vom Untersuchungsrichter wieder freigelassen.

Im Raum steht neben Vorwürfen der Bestechung und Bestechlichkeit auch der Verdacht der Geldwäsche. Kaili wurde von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola am Wochenende von all ihren Aufgaben entbunden. Bisher war sie eine von insgesamt 14 Stellvertretern.

Formell muss die Entscheidung vom Parlament noch bestätigt werden. Das dürfte aber trotz der erforderlichen Zweidrittelmehrheit wohl nur noch eine Formsache sein. So kündigte etwa die deutsche EP-Vizepräsidentin Katarina Barley am Sonntag an, dass die sozialdemokratische Fraktion die Abwahl Kailis beantragen werde. Die Fraktion suspendierte bereits Kailis Mitgliedschaft. Auch der österreichische EP-Vizepräsident Othmar Karas (ÖVP) betonte, dass Kaili ihr Amt entzogen werden solle. Ihre Partei PASOK schloss sie aus.

EU-Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili
APA/AFP/European Parliament/Eric Vidal
Die griechische Sozialdemokratin Eva Kaili wurde als Vizeparlamentspräsidentin des Europäischen Parlaments suspendiert

Medien: Kailis Lebensgefährte in U-Haft

Festgenommen wurden auch ein ehemaliger sozialdemokratischer Europaabgeordneter aus Italien, Antonio Panzeri, sowie Kailis italienischer Lebensgefährte. Wie „Le Soir“ und das Magazin „Knack“ am Sonntag berichteten, kamen beide ebenfalls in U-Haft. „Sie werden der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, der Geldwäsche und der Korruption beschuldigt“, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Die Staatsanwaltschaft bestätigte überdies, dass am Samstagabend die Wohnung eines weiteren Europaabgeordneten durchsucht wurde. Zusätzliche Angaben werde man zum jetzigen Zeitpunkt nicht machen, hieß es. Auch zur Identität des weiteren Abgeordneten gab es keine Informationen.

Kaili als EU-Vizepräsidentin suspendiert

Eva Kaili wurde nach ihrer Festnahme als Vizepräsidentin des EU-Parlaments suspendiert. Die griechische EU-Abgeordnete soll für den WM-Gastgeber Katar politische Entscheidungen im Parlament beeinflusst haben. In ihrer Wohnung sollen Säcke voll Bargeld gefunden worden sein.

Brüssel unter Schock

Seit mehreren Monaten verdächtigen belgische Ermittler nach Angaben der Staatsanwaltschaft einen Golfstaat, „die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen des Europäischen Parlaments zu beeinflussen“. Dazu sollen hohe Geldsummen gezahlt oder teure Geschenke an Entscheidungsträger im Parlament gemacht worden sein. Aus Ermittlerkreisen wurde der deutschen Nachrichtenagentur dpa bestätigt, dass es sich bei dem Golfstaat um Katar handelt.

Kaili sitzt seit 2014 im Europaparlament, wo sie es inzwischen fast bis an die Spitze geschafft hat. Der Sozialdemokrat Panzeri hatte nach seinem Abschied aus dem Parlament in Brüssel die Nichtregierungsorganisation Fight Impunity gegründet, die eigenen Angaben zufolge weltweit für Menschenrechte kämpft. Die Organisation schreibt sich auch den Kampf gegen Korruption auf die Fahnen. In Italien kamen Panzeris Ehefrau und dessen Tochter in Hausarrest.

EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola
Reuters/Tt News Agency
Parlamentspräsidentin Roberta Metsola lud für Montagnachmittag zu einem informellen Treffen ein

Bargeld und Handys beschlagnahmt

Bei den Durchsuchungen in Brüssel wurden am Freitag insgesamt 600.000 Euro Bargeld und Handys beschlagnahmt. Später fanden Ermittler in Kailis Wohnung Medienberichten zufolge Taschen voller Bargeld. „Le Soir“ schrieb, die 44-Jährige sei auf frischer Tat – „in flagranti“ – erwischt worden. Die Griechin saß bisher für die PASOK-Partei im Parlament.

Nachdem sie von ihren Aufgaben entbunden wurde, kann nur das Parlament selbst ihre förmliche Absetzung beschließen. Das könnte bereits während der an diesem Montag beginnenden Plenarwoche in Straßburg erfolgen. Metsola lud für Montagnachmittag zu einem informellen Treffen ein. Wie die Nachrichtenagentur AFP aus Parlamentskreisen erfuhr, soll es bei dem Treffen mit den Chefs der Parlamentsfraktionen „um Kailis Absetzung und weitere Schritte“ gehen.

Imageschaden für EU-Parlament

Die Enthüllungen bedeuten für das Parlament einen großen Imageschaden. Das Parlament mit mehr als 700 Abgeordneten positioniert sich gern als starke Stimme im Kampf gegen Korruption. So fordern die Abgeordneten wegen weit verbreiteter Korruption in Ungarn regelmäßig ein hartes Vorgehen gegen das EU-Land. Die Häme aus Budapest ließ nun nicht lange auf sich warten. Aus der Regierung gab es viel Spott.

ÖVP-Delegationsleiterin Angelika Winzig stellte unterdessen den Abgeordnetensitz der Griechin zur Disposition. „Sollten sich die Anschuldigungen bewahrheiten, darf sie auch nicht weiter als Abgeordnete des Hauses tätig sein“, teilte Winzig am Sonntag mit.

Kaili verwunderte mit Katar-Lob

Aber haben Kaili und die anderen Verdächtigen tatsächlich auf illegale Weise die Interessen Katars vertreten? Kaili zumindest fiel zuletzt mit einer eher ungewöhnlichen Haltung auf. Als das Parlament im November über eine Resolution diskutierte, die die WM in Katar kritisieren sollte, attestierte die Ex-Journalistin dem Land, Vorreiter in Sachen Arbeitsrechte zu sein. Die WM sei Beweis dafür, „dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben“. Zudem beklagte sie, dass jeder, der mit Katarern spreche, der Korruption verdächtigt werde.

Der WM-Gastgeber steht seit Jahren wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik. Zahlreiche Mitglieder des damaligen FIFA-Exekutivkomitees, das 2010 die WM nach Katar vergeben hatte, sind inzwischen der Korruption überführt. Katar selbst hat den Vorwurf der Bestechung jedoch stets bestritten. Der Innenausschuss des Europaparlaments wiederum stimmte Anfang Dezember dafür, die Visaregeln für Katar und andere Länder zu erleichtern.

Obwohl Kaili selbst kein Mitglied im Ausschuss ist, stimmte auch sie ab – das geschah in Einklang mit den Parlamentsregeln. Das letzte Wort bei der Visaliberalisierung ist allerdings noch nicht gesprochen. Das Parlament muss darüber noch mit den EU-Staaten verhandeln.