Arbeiten an einer Stromleitung nahe Odessa
APA/AFP/Oleksandr Gimanov
Stadt ohne Strom

Lage in Odessa „sehr schwierig“

Nach dem jüngsten russischen Angriff mit Kampfdrohnen ist in der Hafenstadt Odessa am Sonntag die Stromversorgung teilweise wiederhergestellt worden. Die notwendigen Reparaturarbeiten können sich womöglich aber noch über Monate ziehen. „Es geht nicht um Tage oder Wochen, vielmehr werden zwei bis drei Monate nicht ausgeschlossen“, heißt es dazu in einer Mitteilung des zuständigen Stromversorgers. Betroffen ist auch der für die Ukraine wichtige Hafen von Odessa, wie die Regierung am Sonntag mitteilte.

Bereits am Vortag wurde den Bewohnerinnen und Bewohnern von Odessa empfohlen, nach Möglichkeit die Stadt vorübergehend zu verlassen. Allerdings ist ukrainischen Angaben zufolge nicht nur die Stadt, sondern die gesamte Region von Stromausfällen betroffen. Russland hatte Odessa in der Nacht zum Samstag nach Darstellung des ukrainischen Militärs mit mehreren Kampfdrohnen aus iranischer Produktion angegriffen.

„Es wird darauf hingewiesen, dass nach vorläufigen Prognosen die Wiederherstellung der Energieobjekte in der Region Odessa viel länger dauern wird als zuvor nach feindlichen Beschüssen“, zitierte die Nachrichtenagentur Ukrinform aus einer Aussendung vom Stadtrat von Odessa. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete in einer Videobotschaft die Situation in der Region Odessa als „sehr schwierig“. Vereinzelt sei es am Sonntag dennoch gelungen, die Stromversorgung in der Stadt wiederherzustellen, wie Selenskyj in seiner nächtlichen Videobotschaft weiter mitteilte.

Odessa ohne Strom

In weiten Teilen der ukrainischen Stadt Odessa gibt es weder Strom noch Heizung, und das bei großer Kälte. Nach russischen Angriffen auf die Stadt ist die Energieversorgung zusammengebrochen. Auch der wichtige Hafen ist außer Betrieb.

Bereits achte Angriffswelle

Nach Angaben des ukrainischen Premierministers Denys Schmyhal gab es mittlerweile acht Wellen von russischen Raketenangriffen. Nahezu alle Wärme- und Wasserkraftwerke des Landes und rund 40 Prozent der Hochspannungsnetze seien in unterschiedlichem Ausmaß beschädigt. „Jeder muss sich darüber im Klaren sein, dass wir in diesem Winter mit erheblichen Einschränkungen beim Stromverbrauch konfrontiert sein werden“, wie Schmyhal dazu via Facebook mitteilte.

Odessa ohne Strom Ende November 2022
APA/AFP/Oleksandr Gimanov
Seit dem Wochenende ist Odessa weitgehend ohne Strom

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schließt mittlerweile ein allgemeines Blackout, also einen Zusammenbruch der Stromversorgung, in seinem Land nicht mehr aus. Laut Kuleba flüchten viele Ukrainerinnen und Ukrainer derzeit aus den Städten aufs Land, wo man auch mit Holz heizen könne. Einige würden auch ins Ausland gehen, fügte er hinzu. „Ich denke aber nicht, dass es um Millionen gehen wird“, sagte er zu Erwartungen, dass viele Menschen im Winter in die EU-Staaten fliehen könnten.

Russland greift seit Wochen gezielt die Anlagen der ukrainischen Energieinfrastruktur mit Raketen und Kampfdrohnen an. Ziel ist es, die Bevölkerung in diesem Winter unter Druck zu setzen. Seit dem Wochenende ist nun auch der Hafen von Odessa außer Betrieb. Es werde aber nicht erwartet, dass die Getreidehändler deshalb ihre Exporte einstellten, sagte Landwirtschaftsminister Mykola Solski.

„Gibt Probleme“

Diesem zufolge seien im Hafen von Odessa die Stromgeneratoren noch nicht eingeschaltet – mit Tschornomorsk und Piwdenne gibt es laut Solski aber noch zwei weitere Häfen, die im Rahmen des Abkommens zwischen Russland und der Ukraine zum Export von ukrainischem Getreide berechtigt sind. „Der Hafen Tschornomorsk ist jetzt zu etwa 80 Prozent ausgelastet“, wie Solski gegenüber Reuters mitteilte. „Es gibt Probleme, aber keiner der Händler spricht von einer Unterbrechung der Lieferungen. Die Häfen nutzen alternative Energiequellen.“

Die Ukraine gehört zu den weltweit größten Produzenten und Exporteuren von Mais und Weizen, aber ihre Ausfuhren sind aufgrund der russischen Invasion erheblich zurückgegangen.

Arbeiten an einer Stromleitung nahe Odessa
APA/AFP/Oleksandr Gimanov
Schäden am Hochspannungsnetz gibt es ukrainischen Regierungsangaben zufolge im ganzen Land

Erdogan: Getreidekorridor für andere Waren nutzen

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat nach Angaben seines Büros in diesem Zusammenhang am Sonntag Telefonate mit Russlands Staatschef Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geführt. In den Gesprächen sei es unter anderem darum gegangen, über den für ukrainische Getreideexporte eingerichteten Schiffskorridor im Schwarzen Meer auch andere Lebensmittelprodukte und Rohstoffe zu transportieren.

In einem Telefonat mit Kreml-Chef Wladimir Putin sagte Erdogan am Sonntag nach Angaben seines Büros, man könne schrittweise mit entsprechenden Vorbereitungen zum Export von Lebensmitteln und anderen Waren beginnen. Der Kreml in Moskau teilte mit, dass das Getreideabkommen komplex sei. Vor allem müssten auch die Einschränkungen für den Export von russischem Getreide und Dünger aufgehoben werden.

Unter Vermittlung der Türkei und der Vereinten Nationen hatten Russland und die Ukraine im Juli ein Abkommen geschlossen. Die Vereinbarung beendete eine monatelange Blockade. Russland beklagt im Zuge der westlichen Sanktionen, Einschränkungen für seinen eigenen Export von Getreide und Dünger.

Schwere Kämpfe in der Ostukraine

Der Osten der Ukraine bleibt unterdessen Schauplatz schwerer Kämpfe. Russische Truppen setzten am Wochenende ihre Vorstöße bei Bachmut und Awdijiwka im Donbas fort, während ukrainische Truppen eine Reihe von russisch besetzten Städten unter Artilleriebeschuss nahmen. So meldete Russland unter anderem auch ukrainische Angriffe auf Donezk.

Zerstörte Wohnanlage in Bachmut, Ukraine
AP/Andriy Andriyenko
Russische Angriffe wurden zuletzt unter anderem aus Bachmut gemeldet

Auch aus Simferopol auf der von Russland annektierten Krim als auch aus Melitopol im Südosten gab es Berichte über den Einsatz der Luftverteidigung. Anwohnerinnen und Anwohner berichteten von zahlreichen Detonationen am Himmel.

Militärexperte Gady zu russischen Angriffen

In der Ostukraine liefern sich russische und ukrainische Truppen schwere Kämpfe. Nach russischen Angriffen auf die Stadt Odessa brach die Energieversorgung zur Gänze zusammen. Militärexperte Franz-Stefan Gady vom Londoner internationalen Institut für strategische Studien ist im Studio zu Gast und spricht darüber, wie sich der Winter auf das Leben der Bevölkerung und den Fortgang des Krieges auswirken könnte.

Bei einem Angriff ukrainischer Artillerie auf das besetzte Melitopol kamen den Berichten zufolge zwei Menschen ums Leben. Der ukrainische Bürgermeister von Melitopol, Iwan Fedorow, berichtete, dass etwa 200 russische Besatzer getötet worden seien. Fedorow ist selbst nicht in der Stadt, stützte sich auf Telegram aber auf Kontakte. Eine Bestätigung der Angaben von unabhängiger Seite gibt es nicht. Der ukrainische Generalstab bestätigte Sonntagabend lediglich eine Reihe von Luftangriffen gegen Ziele in russisch besetztem Gebiet.