Mehrere chinesische Mitarbeiter des Gesundheitssystems in Schutzanzügen
Reuters/Thomas Peter
Nach abruptem Strategiewechsel

CoV-Infektionswelle erfasst China

Politische Proteste im ganzen Land gegen die chinesische Führung und deren Festhalten an der radikalen Null-Covid-Politik haben in der Vorwoche Staatschef Xi Jinping zu einem selten abrupten Kurswechsel veranlasst: Das Gros der radikalen Anti-Covid-Maßnahmen, die die Bevölkerung im Alltag viel stärker einschränkten, als das im Westen je der Fall war, wurde vor wenigen Tagen schlagartig aufgehoben. Die Folgen werden nun sichtbar: Eine riesige Welle an Infektionen hat das Land erfasst.

Nach der radikalen Kehrtwende in der strengen Null-Covid-Strategie in China müssen viele Krankenhäuser einen Ansturm von Infizierten bewältigen. In Metropolen wie Peking, Guangzhou und Shijiazhuang erlebten Spitäler „den ersten Schock einer gigantischen Welle von Infektionen und einen Mangel an Gesundheitspersonal“, schrieb das renommierte Wirtschaftsmagazin „Caixin“ am Montag.

Einige Kliniken seien bereits überfüllt. Vielfach gebe es Schlangen vor den Spitälern. Patienten infizierten Ärzte und Gesundheitspersonal. Das Magazin schrieb von „Covid-Chaos“.

Arbeiter in Schutzkleidung räumen Absperrgitter weg
AP/FeatureChina
Öffentliche Verkehrsmittel durften bisher nur mit einem negativen Testergebnis benutzt werden

Ruckartige Abkehr von Null-Covid-Strategie

In einer radikalen Kehrtwende am Mittwoch letzter Woche hatte die Regierung ihre rigorose Null-Covid-Strategie weitgehend – und mit sofortiger Wirkung – aufgehoben. Lockdowns wurden beendet, die strenge Testpflicht, Zwangsquarantäne und Isolation von Kontaktpersonen weitgehend gelockert. Die Führung in Peking reagierte damit auf landesweite Proteste, die sich teils auch direkt gegen Staatschef Xi richteten und dessen Rücktritt forderten.

Schon vorher hatte es allerdings Anzeichen gegeben, dass die Zahl der Infizierten steigt und die Tests und Nachverfolgung der Infektionen längst nicht mehr mithalten können.

Medikamente vielfach ausverkauft

In vielen Apotheken sind Erkältungs- und Fiebermedikamente sowie Schnelltests ausverkauft. Viele Geschäfte und Restaurants sind geschlossen. Menschen trauen sich aus Angst vor Infektionen nicht vor die Tür. Die Straßen der Hauptstadt Peking wirkten am Montag wie leer gefegt. Nachdem in den vergangenen Monaten immer vor der CoV-Variante Omikron gewarnt worden war, spielten Staatsmedien die Gefährlichkeit des Virus nun herunter und verglichen die Infektion mit einer normalen Grippe.

Offizielle Zahlen entsprechen nicht der Realität

Führende Epidemiologen sagten nach Angaben der parteinahen Zeitung „Global Times“, dass die Infektionswelle innerhalb eines Monats den Höhepunkt erreichen werde. Da nicht mehr getestet und wohl auch kaum noch gemeldet wird, spiegeln die offiziellen Fallzahlen längst nicht mehr das Geschehen wider. Die Krankmeldungen in Unternehmen gingen in die Höhe. „Ich kenne allein 25 positive Fälle oder Erkrankte in meinem Umfeld“, sagte eine Pekingerin. Ein anderer schätzte, dass ein Drittel seiner Bekannten krank sei.

Cov-App wird abgeschaltet

Im Zuge der aktuellen Lockerungen der Maßnahmen kündigte China zudem die Abschaltung der wichtigsten Nachverfolgungs-App an. Die „Communications Itinerary Card“, die anhand des Handysignals prüft, ob sich Nutzerinnen und Nutzer in einem Risikogebiet aufgehalten haben, wird laut Behördenangaben im Onlinedienst WeChat am Dienstag vom Netz gehen.

Zentraler Teil der Null-Covid-Politik

Die App war ein zentraler Bestandteil der strengen Null-Covid-Politik. Sie war im Jahr 2020 eingeführt worden und war Voraussetzung für Reisen zwischen den Provinzen und die Teilnahme an Veranstaltungen. Auch wenn die App nur eine von vielen Apps ist, die den Alltag in China während der Pandemie bestimmt haben, kommentierten zahlreiche Nutzer in Onlinediensten die bevorstehende Abschaltung. Viele veröffentlichten Screenshots von ihren letzten Log-ins. Andere fragten, was mit den von der App gesammelten Daten geschehen werde.