Eingesperrter Nerz in einer dänischen Nerzfarm
Reuters/Ritzau Scanpix
10.000 Tiere importiert

Dänemark steuert auf nächstes Nerzdrama zu

Nachdem die Massenkeulung aller Nerze in Dänemark vor zwei Jahren letztlich sogar der Auslöser für eine Neuwahl war, sind nun die ersten Tiere zum Aufbau einer neuen Zucht auf dem Weg in das EU-Land. Es handle sich um 10.000 Tiere aus isländischen Nerzfarmen, berichtete der Sender DR am Montag. Allerdings gibt es bereits vor dem offiziellen Start Probleme: Weil die Zuständigkeiten für die Gesundheit der Nerze noch nicht geklärt sind, könnten die Tiere im schlimmsten Fall eingeschläfert werden.

Eine kleine Gruppe von dänischen Nerzzüchtern möchte künftig laut dem Sender DR vor allem auf isländische Nerze setzen. Auch aus Norwegen, Spanien, Polen und Finnland sollen Nerze importiert werden – die isländische Qualität sei jedoch am besten, weshalb sie als Stamm für eine neue dänische Produktion verwendet werden solle, erklärte der ehemalige Nerzzüchter Erik Vammen gegenüber dem DR.

Weil seit der Parlamentswahl am 5. Oktober immer noch keine Regierung gebildet ist, droht der Nerzzucht jedoch schon vor dem Neustart ein Rückschlag, wie DR weiter berichtete. Die Lebensmittel- und Veterinärbehörde habe noch nicht Stellung genommen, wer die vorgeschriebene kostspielige Untersuchung der Nerze auf das Coronavirus und eine weitere Viruserkrankung in Höhe von rund 86 Euro je Tier bezahlen muss.

Die Behörde verweise darauf, dass der zuständige Ministerposten derzeit unbesetzt sei. „Wir sind sehr unglücklich darüber, denn wir haben Tiere, die ins Land gebracht werden müssen, damit die Zucht wieder beginnen kann“, so Jens Borring, Vizepräsident und Jurist des Branchenverbands Danske Mink. Die isländischen Nerze sollen am 4. Jänner per Schiff in Dänemark eintreffen. Wenn bis dahin keine Lösung gefunden wird, müssten die Tiere womöglich eingeschläfert werden, hieß es vom Branchenverband.

Eingesperrte Nerze in einer dänischen Nerzfarm
IMAGO/Ritzau Scanpix/Henning Bagger
Die Züchter der getöteten Nerze in Dänemark wurden mit einem Milliardenbetrag entschädigt

Tötung von 13,5 Mio. Nerzen löste Skandal aus

Auf dem Höhepunkt der Pandemie hatte der Umgang Dänemarks mit seinen Nerzen international bereits für Empörung gesorgt: Regierungschefin Mette Frederiksen hatte im November 2020 verkündet, dass alle Nerze im Land – rund 13,5 Millionen – getötet werden sollen. Eine „Cluster 5“ genannte Mutation des neuartigen Coronavirus hatte sich in Dänemark unter den Tieren verbreitet und war bereits auf Menschen übergesprungen.

Die Nerze waren bis dahin zur Pelzproduktion gezüchtet worden, bei der Dänemark lange als Weltmarktführer galt. Später hatte sich herausgestellt, dass für den radikalen Schritt die Rechtsgrundlage gefehlt hatte. Eine unabhängige Kommission hatte in einem Bericht deshalb die Ministerpräsidentin und Teile ihrer Regierung kritisiert.

Der damalige Lebensmittelminister Mogens Jensen trat im Zuge der Kontroverse zurück. Die Nerzhaltung wurde verboten und die Halter entschädigt. Etwa vier Millionen der mehr als 15 Millionen getöteten Tiere wurden auf Militärgeländen vergraben, viele traten aber im Zuge der Verwesung wieder an die Erdoberfläche und mussten exhumiert werden.

„Niedrige Wahrscheinlichkeit“ für neue CoV-Varianten

Die Regierung hatte das dänische Gesundheitsinstitut SSI in Anschluss an die Vorkommnisse darum gebeten, das Risiko einer Wiederaufnahme der Haltung für die menschliche Gesundheit mit 1. Jänner 2023 einzuschätzen. Die genaue Wahrscheinlichkeit für das Auftreten neuer Varianten im Falle einer limitierten Wiederaufnahme der Nerzhaltung lasse sich zwar nur schwer abschätzen, könne aber insgesamt als niedrig bezeichnet werden, hieß es. Es seien aber einige Maßnahmen zur Infektionsbegrenzung notwendig, die man mit den Züchtern durchgehen wolle. Die dänische Regierung kündigte daraufhin an, dass die Nerzzucht zur Pelzproduktion ab 1. Jänner wieder erlaubt sei.

Verkäuferin hängt Nerzmäntel auf
Reuters/Bob Strong
Pelz galt lange als Statussymbol in Mitteleuropa

Große Nerzbranche in Dänemark

Während etwa Österreich, Frankreich und Italien die Haltung von Pelztieren aus ethischen Gründen in den vergangenen Jahren verboten bzw. stark eingeschränkt haben, möchte sich Dänemark von der Nerzindustrie trotz der Probleme nicht recht verabschieden. Kein Wunder: Dänemark galt lange als der größte Nerzpelzexporteur der Welt. 2020 war der Nerz nach Schweinen und Kühen noch drittwichtigstes landwirtschaftliches Nutztier des Landes, berichtete der „Spiegel“.

Kopenhagen Fur, das dänische Auktionshaus für Pelzfelle, gilt als „globales Zentrum des Pelzhandels“, die Felle sind laut eigenen Angaben Dänemarks wichtigstes Exportgut für die „boomende Wirtschaft in China“. Bei 17 Millionen Nerzen und einer Bevölkerung von 5,8 Millionen Menschen lebten bis vor dem Nerzskandal etwa dreimal so viele Nerze wie Menschen in Dänemark. 2019, knapp vor dem Ausbruch der CoV-Pandemie, wurden laut „taz“-Recherchen 24,5 Millionen Felle exportiert.

Vor allem in China und Russland gilt Echtpelz noch als Statussymbol – und auch in Korea, der Ukraine und Südamerika ist er laut der International Fur Federation nach wie vor beliebt. In der EU sind Import und Produktion hingegen stark rückläufig, berichtete die Tierschutzorganisation Vier Pfoten. Zwischen 2011 und 2021 seien die Importzahlen von Bekleidung, Accessoires und anderen Artikeln aus Echtpelz von 318,8 Millionen auf 107,8 Millionen Euro zurückgegangen.

Grafik zum Nerzfellhandel
Grafik: ORF.at; Quelle: spiegel.de

Gesundheits- und Umweltbedenken

Die Tierschutzorganisation plädiert deshalb für ein Verbot für die gesamte EU. Der Zeitpunkt wäre günstig wie nie, denn die ökonomische Relevanz der Branche sei in Europa „nicht mehr gegeben“, so Wildtierexperte Thomas Pietsch. Zudem beinhalte die Pelzproduktion auch ein „unkalkulierbares Gesundheitsrisiko“ für Menschen, die Pandemie sei ein mahnendes Beispiel dafür.

Nach Angaben des Deutschen Tierschutzbundes waren bis Mitte Mai in zehn EU-Staaten Millionen von Tieren betroffen. Laut einer Aufstellung der Organisation wurde Sars-CoV-2 in Dänemark auf 290 Nerzfarmen nachgewiesen, in den Niederlanden waren es 69 und in Schweden 13. In Griechenland habe es in 22 von 91 Nerzfarmen positive Testungen gegeben. Grund für die Ausbrüche sei das Halten vieler für derartige Viren empfängliche Tiere auf engem Raum gewesen, „das begünstigt die Virusvermehrung und Weitergabe an Artgenossen“, so das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) für Tiergesundheit gegenüber dem „Spiegel“.

Während der Branchenverband Danske Minkavlere auf seiner Website seine Pelze als nachhaltig bewirbt, da die Kadaver als Düngemittel und Diesel weiterverarbeitet und die Tiere von Abfall leben würden, kritisieren Tierschützer die Herstellung der Pelze, die während der Verarbeitung mit verschiedenen umwelt- und gesundheitsschädlichen Chemikalien behandelt würden – die sich auch im Endprodukt wiederfänden. So könnten Formaldehyd und Ethoxylate etwa Allergien, Krebs und Störungen des Hormonhaushaltes verursachen.