russische Soldaten
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Kampf verweigert

Drakonische Strafen für russische Soldaten

Schläge mit Pistolen, Morddrohungen, Inhaftierungen in Kellern – russischen Soldaten, die sich weigern, an die Front zurückzukehren, drohen drakonische Strafen, wie ein aktueller Bericht der BBC zeigt. Mit Gewalt und Einschüchterung soll gegen die sinkende Kampfmoral vorgegangen werden. Der Kreml weist die Vorwürfe zurück und spricht von „Fake News“.

Es habe zwar einen Einrückungsbefehl gegeben, aber keinerlei vorbereitende Sicherheitsmaßnahmen, wird ein russischer Soldat in der BBC zitiert. Daraufhin habe er schriftlich seine Weigerung, in den Krieg zu ziehen, dargelegt. Einige seiner Kollegen hätten es ihm gleich getan, woraufhin ihnen die Waffen abgenommen und sie unter bewaffnete Aufsicht gestellt worden seien.

Eine „andere Gruppe russischer Soldaten“ solle dann versucht haben, ihn zum Kampf zu zwingen. So sei er in Haft mit einer Waffe blutig geschlagen worden. Zudem sei ihm gesagt worden, man werde ihn erschießen. Letztlich wurde er zu Zwangsarbeit in einem Lager rekrutiert, so die BBC.

Soldaten steigen in einen Zug
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150.000 Reservisten befinden sich laut Putin derzeit im Kampfgebiet der Ukraine

Mobilmachung als Wendepunkt?

Versprach der russische Präsident Wladimir Putin zu Beginn des Angriffskrieges noch, dass nur professionelle Soldaten zum Einsatz kämen, änderte sich das mit der ausgerufenen Mobilmachung der insgesamt 300.000 russischen Reservisten. Laut Putin sind rund 150.000 davon nun im Kampfgebiet in der Ukraine stationiert.

Während Hunderttausende Russen ins Ausland geflohen sind, hätten viele der neu mobilisierten Truppen sich schnell darüber beklagt, „dass sie in ein Kriegsgebiet geschickt wurden, ohne über ausreichende Ausrüstung oder angemessene Ausbildung zu verfügen“, so die BBC dazu. In den sozialen Netzwerken finden sich zudem unzählige – freilich schwer zu überprüfende – Berichte über die schlechte Verpflegung an der Front.

„Man kann Menschen nicht zum Kämpfen zwingen“

Erzählt wird in dem BBC-Artikel auch die Geschichte eines russischen Kommandeurs, der sich geweigert haben soll, seine Truppe „in den sicheren Tod“ zu führen. Und der, gemeinsam mit vier anderen Offizieren, für fünf Monate in einen Keller gesperrt worden sein soll. Seit dem Beschuss des Gebäudes würden alle fünf Männer als vermisst gelten.

Auch aus der Ukraine sei mehrfach berichtet worden, dass mobilisierte russische Deserteure in Gefangenenlagern festgehalten worden seien – und in einigen Fällen in Kellern und Untergeschoßen eingesperrt wurden. Dabei gibt es, abgeleitet von dem Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), ein Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung. Jedoch wird das nicht in allen Staaten gewährleistet.

Elena Popova von der russischen Bewegung der Kriegsdienstverweigerer sieht in den drakonischen Strafen Russlands „eine Möglichkeit, die Leute dazu zu bringen, in dieses Blutbad zurückzukehren“. Das Ziel der Kommandeure sei es, die Soldaten an der Front zu halten. „Die Befehlshaber kennen nur Gewalt und Einschüchterung. Aber man kann Menschen nicht zum Kämpfen zwingen.“

verlassener russischer Schützengraben
Reuters/Clodagh Kilcoyne
Hunger und Kälte – neben Gewissensgründen desertieren Soldaten auch wegen der schwierigen Bedingungen an der Front

Moskau: Keine Deserteure, keine Gefangenenlager

Viele der Soldaten hätten zudem bereits ihren Dienst an der Front geleistet und dort eine schlechte Behandlung erfahren, so Popova. „Sie haben Zeit in den Schützengräben verbracht, haben gefroren und gehungert, aber wenn sie zurückkommen, werden sie von ihren Kommandeuren nur angeschrien und beschimpft.“

Moskau wies Berichte über desillusionierte Soldaten und Gefangenenlager als „Fake News“ zurück. So sagte Putin etwa Anfang des Monats, es gebe weder Gefangenenlager noch Probleme mit Soldaten, die ihre Kampfposition verlassen würden.