Biene auf Blumenwiese
ORF.at/Viviane Koth
Strategie 2030

Fahrplan zu mehr Naturschutz

Das Umweltministerium hat am Montag eine „Biodiversitätsstrategie Österreich 2030+“ vorgestellt. Die Ziele sind ambitioniert. Bis 2030 soll ein Drittel der Landesfläche unter Schutz stehen, die Liste der gefährdeten Arten um ein Drittel kürzer und die Landwirtschaft zu 35 Prozent auf Bio umgestellt sein. Die Reaktionen fielen weitgehend positiv aus, wenn auch Rufe nach mehr Verbindlichkeit laut wurden.

Die „Biodiversitätsstrategie Österreich 2030+“ umfasst eine rund 160 Seiten lange Bestandsaufnahme der Artenvielfalt und definiert die drei genannten Hauptziele. Aktuell hält Österreich laut Umweltministerium bei rund 29 Prozent an Schutzgebieten, davon sind 1,7 Prozent Gebiete mit strengen Schutzauflagen – damit ist das aktuell bei der UNO-Artenschutzkonferenz im kanadischen Montreal zu verhandelnde 30-30-30-Ziel im Fall von Österreich beinahe erreicht.

Um den Anteil der biologischen Landwirtschaft an der landwirtschaftlichen Nutzfläche auf 35 Prozent zu erhöhen, braucht es etwas mehr Anstrengung. Laut letzten Angaben von 2019 waren es mit 670.000 Hektar rund 26 Prozent. „Eine intakte Umwelt hilft uns im Kampf gegen die Klimakrise“, wurde Umwelt- und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) zitiert. „Sie ist Arbeitsplatz für viele Menschen in Österreich und macht unser Land so lebenswert.“

Hunderte Tiere und Pflanzen akut gefährdet

Rein quantitativ dürfte die „Rote Liste“ die größte sprichwörtliche Baustelle sein, allein auf der „Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen Österreichs“ etwa, die erst 2022 aktualisiert wurde, finden sich 1.274 derartiger Pflanzen.

Feuersalamander
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Hunderte Tierarten, darunter häufig Amphibien, kommen immer seltener vor

Das Umweltbundesamt stellte außerdem fest, dass der Artenrückgang bei den Farn- und Blütenpflanzen unvermindert fortschreite. Bei den Tierarten gilt laut Umweltbundesamt, dass in Österreich über die Hälfte aller Amphibien und Reptilien stark gefährdet sind, knapp die Hälfte aller Fische und ein Drittel aller Vögel und Säugetiere sind es ebenfalls.

Alle müssen mitspielen

Um die Zahl der gefährdeten Arten um ein Drittel zu reduzieren, braucht es laut Umweltministerium Maßnahmen, die die zentralen Ursachen der Biodiversitätsverluste bekämpfen – einen Rückgang der Flächenversiegelung, aber auch eine Reduktion des Pestizideinsatzes.

Bio-Tomatenanbau im Folientunnel
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Auch für die Landwirtschaft sind die Pläne ambitioniert

Die Biodiversitätsstrategie gibt dabei den Rahmen für politische Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen vor und richte sich damit natürlich an alle relevanten Akteure – von der Gemeindeebene bis zur Bundesregierung, vom Gesundheits- bis zum Rohstoffsektor, hieß es weiter.

Warnung vor neuem „Papiertiger“

Zur Unterstützung der Umsetzung erinnerte das Ministerium an den im Jahr 2021 eingerichteten Biodiversitätsfonds, der mit 80 Millionen Euro dotiert ist. Dieser Fonds unterstütze unterschiedlichste Projekte zum Schutz der Arten, aber auch zur Wiederherstellung von bereits zerstörten Lebensräumen und werde durch den EU-Wiederaufbaufonds Recovery and Resilience Facility (RRF) finanziell unterstützt.

Blühstreifen neben Feld
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Für die Umsetzung der Pläne drängt aus Sicht von Naturschutzorganisationen die Zeit

Die Reaktionen auf die Vorstellung der Pläne des Umweltministeriums fielen weitgehend sehr positiv aus, wenn auch Forderungen nach mehr Verbindlichkeit und konkreten Umsetzungsschritten laut wurden. Die Umweltschutzorganisation WWF forderte eine systematische Umsetzung der geplanten Ziele und Maßnahmen.

“Die Lage unserer Natur ist dramatisch – über 80 Prozent der geschützten Arten und Lebensräume befinden sich in keinem guten Zustand. Um die Naturzerstörung und das Artensterben zu stoppen, braucht es daher einen nationalen Kraftakt." Die Politik müsse „einen Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen, Zuständigkeiten und Zeitplänen vorlegen“. Ansonsten drohe „ein neuer Papiertiger“.

Rufe nach „ambitioniertem“ Aktionsplan

Ähnlich ist aus Sicht der Umweltschutzorganisation Global 2000 ein konkreter Zeitplan zur Implementierung wichtig. Die generelle Reaktion auf die Pläne aus dem Umweltministerium fiel positiv aus. Die Pläne stellten "den Schutz der Natur und damit das Gemeinwohl aller“ vor die Interessen einzelner. Global 2000 wies auch darauf hin, dass die Naturschutzagenden Ländersache seien. Daher müssten die Länder „endlich ihrer Verantwortung gerecht werden“. Mehrere parallele Vertragsverletzungsverfahren der EU wegen Nichteinhaltung von Naturschutzstandards würden Nachholbedarf belegen.

Österreich erfülle das 30-Prozent-Ziel zwar schon fast, hieß es von Greenpeace zu den bereits 29 Prozent an Schutzgebieten, das aber „nur am Papier“. Es müssten also nicht nur Schutzgebiete erweitert, sondern auch der Zustand von bestehenden stärker kontrolliert werden. Auch Greenpeace forderte eine rasche Umsetzung und eine aktive Beteiligung der Bundesländer ein. Der Umweltdachverband forderte, dass „sektorenübergreifend Verantwortung für unser Naturerbe“ übernommen werde, „bei der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung ebenso wie beim Ausbau der erneuerbaren Energien“. Der nächste Schritt müsse ein ambitionierter Aktionsplan sein, der sicherstellt, dass die gesetzten Ziele auch erreicht werden.

Pläne „nur so viel wert wie Umsetzung“

Mit der Biodiversitätsstrategie 2030 sei "ein wichtiges Zeichen für den Schutz der Natur und der Umkehrung der Schädigung von Ökosystemen“ gesetzt worden, hieß es vom Ökobüro, einem Dachverband von 20 österreichischen Umwelt-, Natur- und Tierschutzorganisationen. Jetzt gelte es, rasch Schritte zur Umsetzung zu setzen, um die gesetzten Ziele auch tatsächlich zu erreichen. Eine Strategie sei „nur so viel wert wie ihre tatsächliche Umsetzung“.