EU Parlament in Brüssel
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Korruptionsaffäre

Polizei durchsucht EU-Parlament in Brüssel

Die Korruptionsaffäre im EU-Parlament weitet sich aus: Am Montag hat die belgische Polizei nun auch Räumlichkeiten des Parlaments in Brüssel durchsucht. Das teilte die belgische Bundesstaatsanwaltschaft mit. Es ist die mittlerweile zwanzigste Razzia innerhalb von vier Tagen. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sprach in Straßburg von einem „Angriff“ auf das Europäische Parlament und die europäische Demokratie.

Die belgische Zeitung „Le Soir“ schrieb am Abend, das Gebäude sei vom „Untersuchungsrichter Michel Claise in Begleitung eines Teams von Ermittlern der Bundeskriminalpolizei durchsucht“ worden. Dabei seien Daten von Computern von zehn parlamentarischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen beschlagnahmt worden. Die Computer seien seit Freitag „eingefroren“, um zu verhindern, dass für die Ermittlung benötigte Daten verschwinden können. Es hätten auch Razzien am Sonntag in Italien stattgefunden, hieß es von der Staatsanwaltschaft.

Die Ermittlungen, die laut der Behörde vor „mehr als vier Monaten“ eingeleitet worden waren, hatten am Freitag mit der Festnahme von mehreren Verdächtigen in der belgischen Hauptstadt an Fahrt aufgenommen. Darunter ist auch die griechische Vizeparlamentspräsidentin Eva Kaili. Ihr und den anderen Verdächtigen werden Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Korruption vorgeworfen. Katar soll mit beträchtlichen Geldsummen und Geschenken versucht haben, Entscheidungen des Europaparlaments zu beeinflussen.

Insgesamt hat es der Staatsanwaltschaft zufolge seit Beginn der Ermittlungen bereits 20 Durchsuchungen gegeben – 19 in Büros und Wohnräumen sowie eine im Europaparlament selbst. Dabei wurden 600.000 Euro im Wohnsitz eines oder einer Verdächtigen gefunden, mehrere Hunderttausend Euro in einem Koffer in einem Brüsseler Hotel sowie 150.000 Euro in der Wohnung eines EU-Abgeordneten. Namen wurden nicht genannt.

Metsola: „Angriff auf europäische Demokratie“

Praktisch gleichzeitig zu den neuen Durchsuchungen meldete sich Parlamentspräsidentin Metsola in Straßburg zu Wort. Zum Auftakt der Plenarwoche in der französischen Stadt sprach sie von einem „Angriff auf das Europäische Parlament, einem Angriff auf die europäische Demokratie und einem Angriff auf unsere offenen, demokratischen Gesellschaften“.

Metsola verurteilt „Angriff auf Demokratie“

Die belgische Polizei hat die Räumlichkeiten des EU-Parlaments in Brüssel im Rahmen von Korruptionsermittlungen gegen die griechische Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili durchsucht. Kaili und drei weitere Personen befinden sich in Untersuchungshaft. Die Präsidentin des EU-Parlaments, Roberta Metsola, bezeichnete die mutmaßliche Bestechung als einen „Angriff auf die europäische Demokratie“.

„Böswillige Akteure mit Verbindung zu Drittländern“ hätten versucht, die parlamentarischen Prozesse zu „unterwandern“, so Metsola weiter. Doch „ihre bösartigen Pläne sind gescheitert“. Metsola fühle „Wut, Ärger und Sorge“, so die Parlamentspräsidentin vor den Abgeordneten. Es gebe „keine Straffreiheit. Absolut keine“, so Metsola. „Korruption darf sich nicht auszahlen.“

Kailis Amtszeit vor Ende, Visaerleichterungen gestoppt

Sie kündigte eine interne Untersuchung an. Schon am Dienstag will man über die Aktivierung von Artikel 21 debattieren, mit dem die Amtszeit von Kaili vorzeitig beendet werden könnte. Das geschehe, um „die Integrität des Hauses zu wahren“, so die Parlamentspräsidentin.

Metsola gab weiter bekannt, dass die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten über Visaerleichterungen für Bürgerinnen und Bürger aus Katar nun ausgesetzt seien. „In Anbetracht der Ermittlungen“ müsse der Bericht über die Visaerleichterungen an den zuständigen Ausschuss im EU-Parlament zurückverwiesen werden, sagte sie. Eigentlich wollte Metsola am Montag den formellen Beginn der Verhandlungen bekanntgeben.

Karas: „Korruption ist tödlichstes Gift“

„Korruption ist das tödlichste Gift für unsere Demokratie“, sagte der Vizepräsident im EU-Parlament, Othmar Karas, Montagabend in der ZIB2. Die Ermittlungen zeigen, dass das System funktioniere, so der EU-Politiker: „Das entschuldigt aber nicht das Fehlverhalten.“

EU-Parlamentsvize Karas zum Korruptionsskandal

Othmar Karas, einer der Vizepräsidenten des EU-Parlaments, nimmt Stellung zum aktuellen Korruptionsskandal rund um seine griechische Amtskollegin Eva Kaili – und zum kaum zu ermessenden Imageschaden, den das EU-Parlament dadurch genommen hat.

Welche politischen Konsequenzen nun zu ziehen seien, ließ Karas offen. Man müsse die Ermittlungen abwarten: „Hier hat sich ein kriminelles Netzwerk gebildet, das über Jahre von außen und von innen einen Angriff auf die europäische Demokratie gestartet hat.“ Nun sei Aufklärung und Transparenz geboten.

EU-Staaten fordern Aufklärung

Schon am Vormittag meldeten sich die EU-Staaten zu Wort – und forderten umfassende Aufklärung der Vorwürfe. Vor einem Treffen der Außenministerinnen und -minister in Brüssel sprach Deutschlands Ministerin Annalena Baerbock von einem „unglaublichen Vorfall“. Dieser „muss jetzt ohne Wenn und Aber aufgeklärt werden, mit der vollen Härte des Gesetzes“.

Vizepräsidentin des EU-Parlaments Eva Kaili
IMAGO/Eurokinissi
Kaili wurde am Wochenende festgenommen

Es gehe hier um die Glaubwürdigkeit Europas, so Baerbock. Der irische Außenminister Simon Coveney sprach von einem „schädlichen Vorgang“. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell wiederum nannte die Vorwürfe „sehr besorgniserregend“. Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen meldete sich zu Wort: „Die Anschuldigungen sind äußerst besorgniserregend und sehr ernst“, sagte sie vor der Presse. Sie forderte ein unabhängiges Ethikgremium für die EU-Institutionen.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) gab sich vorerst abwartend. „Das wäre ein veritabler Skandal, wenn sich das bewahrheiten sollte“, sagte Schallenberg vor dem Treffen in Brüssel. „Aber wir sind Rechtsstaaten, wir sollten jetzt die Justiz arbeiten lassen, möglichst schnell hier für Aufklärung sorgen“, fügte er hinzu. Es gehe „immerhin um die Herzensinstitution der europäischen Demokratie“.

Vermögen von Kaili offenbar eingefroren

Die Vermögenswerte von Kaili in Griechenland wurden unterdessen eingefroren. Wie griechische Medien übereinstimmend berichteten, veranlasste der Chef der Anti-Geldwäsche-Behörde, Charalambos Vourliotis, den Schritt. Auch die Vermögenswerte der Eltern und der Schwester Kailis sowie die ihres Lebenspartners sollen gesperrt worden sein. Es gehe darum zu prüfen, ob die Vermögenswerte aus illegalen Aktivitäten stammen. Untersucht würden Konten, Immobilienbesitz, Unternehmensbeteiligungen und ähnliche Vermögenswerte.

Katar wies gleichzeitig Vorwürfe von Fehlverhalten in dem Korruptionsskandal entschieden zurück. Es sei haltlos, die Behauptungen darüber mit der Regierung in Doha in Verbindung zu bringen, so die katarische EU-Vertretung in Brüssel. Der Staat Katar handle in vollständiger Einhaltung internationaler Gesetze und Regeln.

Benedict Feichtner aus Brüssel

Borrell: Keine Hinweise auf Diplomatenbeteiligung

Nach Angaben Borrells gibt es bisher keine Hinweise auf eine Verwicklung von EU-Diplomaten in den Korruptionsskandal. „Wir sind davon nicht betroffen“, sagte der Spanier am Montag am Rande eines Treffens der Außenminister der Mitgliedsstaaten in Brüssel.

Niemand aus dem Auswärtigen Dienst oder den EU-Vertretungen im Ausland werde im Zusammenhang mit den Geschehnissen genannt, so Borrell. Auf die Frage, ob der Skandal Auswirkungen auf die Beziehungen der EU zu Katar haben werde, sagte Borrell, er müsse auf Grundlage eindeutiger Beweise handeln. Derzeit laufe ein Verfahren, und er könne nicht weiter gehen als die Justizbehörden.