Eva Kaili, Vizepräsidentin des EU-Parlaments
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Korruptionsskandal

EU-Parlament enthebt Kaili des Amtes

Nach den schwerwiegenden Korruptionsvorwürfen im EU-Parlament ist nun die bisherige griechische Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili auch offiziell abgesetzt worden. Die Abgeordneten stimmten am Dienstag fast einstimmig für die Amtsenthebung. Kaili wies unterdessen die Vorwürfe gegen sich zurück.

Es wäre nur eine Zweidrittelmehrheit nötig gewesen, letztlich sprach sich aber die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten gegen Kaili aus. 625 Abgeordnete sprachen sich für den Antrag aus, es gab nur eine Gegenstimme und zwei Enthaltungen. Der fraktionslose Abgeordnete Mislav Kolakusic begründete sein Nein auf Nachfrage der dpa mit der Unschuldsvermutung. Die niederländische Konservative Dorien Rookmaker und der AfD-Politiker Joachim Kuhs enthielten sich. Kuhs sagte der dpa, als rechtstreuer Bürger und Christ wolle er Kaili nicht vorverurteilen.

Schon am Vormittag zeichnete sich ab, dass Kailis Zeit als Vizepräsidentin endgültig vorbei ist: Vor der Abstimmung sprachen sich sämtliche Franktionsvorsitzenden einstimmig dafür aus, die Griechin ihres Amtes zu entheben, hieß es aus Parlamentskreisen. Die Zustimmung des Parlaments galt damit nur noch als Formsache.

EU-Parlaments-Präsidentin Roberta Metsola während einer Sitzung mit anderen Präsidenten
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Am Vormittag traten alle Präsidentinnen und Präsidenten zusammen

Am Wochenende hatte Parlamentspräsidentin Roberta Metsola der Vizepräsidentin alle Befugnisse in diesem Amt entzogen. Aus ihrer griechischen PASOK-Partei und der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament wurde sie ausgeschlossen.

Anwalt: Kaili „hat nichts mit Finanzierung aus Katar zu tun“

Nur kurz vor der endgültigen Abstimmung meldete sich Kaili über ihren Anwalt zu Wort: „Sie vertritt die Position, dass sie unschuldig ist“, sagte Michalis Dimitrakopoulos, der Kaili vertritt, dem Sender Open TV. „Sie hat nichts mit Finanzierung aus Katar zu tun, nichts – ausdrücklich und unmissverständlich. Das ist ihre Position.“ Kaili habe „in ihrem Leben keine kommerziellen Handlungen“ unternommen. Auch habe er kein Bild davon, ob Gelder gefunden worden seien, und wenn ja, welche Summen.

Dimitrakopoulos wies jedoch Medienberichte zurück, wonach unter der Kinderwiege der kleinen Tochter von Kaili 160.000 Euro gefunden worden seien. Der Anwalt verwies in einem Interview mit AFP auf ihren Lebensgefährten: Nur er, der ebenfalls wegen Korruptionsvorwürfen festgenommene Italiener Francesco Giorgi, könne „Antworten auf die Existenz dieses Geldes“ geben.

Auch der vorübergehend festgenommene Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbunds (IGB), Luca Visentini, wies jede Schuld von sich. „Sollten weitere Anschuldigungen erhoben werden, freue ich mich auf die Gelegenheit, sie zu widerlegen, da ich mir nichts vorzuwerfen habe“, sagte der Italiener einer am Dienstag veröffentlichen IGB-Mitteilung zufolge.

Berichte: Schon 1,5 Mio. Euro beschlagnahmt

Noch am Montag gab es weitere Hausdurchsuchungen durch die belgische Polizei: Diesmal wurde auch das EU-Parlamentsgebäude in Brüssel durchsucht. Laut Staatsanwaltschaft wurden Daten von Computern von zehn parlamentarischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschlagnahmt. Am Dienstag berichteten die belgischen Zeitungen „Knack“ und „Le Soir“, dass bereits rund 1,5 Mio. Euro beschlagnahmt wurden, und veröffentlichten auch ein erstes Bild des Geldes.

Bekannt wurde auch, dass bereits am Wochenende Razzien in Italien stattgefunden hatten. Ebenfalls am Montag ließ die Anti-Geldwäsche-Behörde in Kailis Heimat Griechenland alle Vermögenswerte der Politikerin, ihrer Eltern, ihrer Schwester und ihres Lebenspartners einfrieren.

Die Ermittlungen starteten bereits vor „mehr als vier Monaten“, hieß es von der Brüssler Behörde, mittlerweile gab es 20 Durchsuchungen, der Skandal weitete sich seit dem Wochenende stark aus. Kaili ist eine von sechs Verdächtigen, die von den belgischen Behörden seit Freitag in dem Korruptionsskandal festgenommen wurden.

Immer noch vier Personen in Untersuchungshaft

Vier von ihnen kamen am Sonntag in Untersuchungshaft, darunter Kaili, ihr Freund und der ehemalige Europaabgeordnete Antonio Panzeri. Am Mittwoch soll bei einer Anhörung vor Gericht entschieden werden, ob sie bis zum Beginn ihres Prozesses in Haft bleiben. Sie werden der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, der Geldwäsche und der Korruption beschuldigt.

EU: Kaili als Vizepräsidentin abgesetzt

Die ehemalige griechische Abgeordnete Kaili ist am Dienstag als eine von 14 Vizepräsidenten- und präsidentinnen im EU-Parlament abgesetzt worden. Sie und drei andere Personen befinden sich wegen des Verdachts auf Korruption und Geldwäsche in U-Haft.

Im Raum steht, dass das Golfemirat Katar, das derzeit die Fußballweltmeisterschaft ausrichtet, mit umfangreichen Geld- und Sachgeschenken versuchte, Einfluss auf politische Entscheidungen im Europaparlament zu nehmen. Derzeit wird etwa auf EU-Ebene in Erwägung gezogen, die Visaregeln für Staatsbürger von Katar zu erleichtern – das Verfahren im Parlament liegt nach den Bestechungsvorwürfen auf Eis. Katar wies die Vorwürfe zurück.

Metsola: Angriff auf europäische Demokratie

Zum Auftakt der Plenarwoche in Straßburg hielt Parlamentspräsidentin Metsola am Montag eine Rede und sprach von einem „Angriff auf das Europäische Parlament, einem Angriff auf die europäische Demokratie und einem Angriff auf unsere offenen, demokratischen Gesellschaften“.

EU-Parlaments-Präsidentin Roberta Metsola
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Metsola übte scharfe Kritik

„Böswillige Akteure mit Verbindung zu Drittländern“ hätten versucht, die parlamentarischen Prozesse zu „unterwandern“, so Metsola weiter. Doch „ihre bösartigen Pläne sind gescheitert“. Metsola fühle „Wut, Ärger und Sorge“, so die Parlamentspräsidentin vor den Abgeordneten. Es gebe „keine Straffreiheit. Absolut keine“, so Metsola. „Korruption darf sich nicht auszahlen.“

Karas: „Korruption ist tödlichstes Gift“

„Korruption ist das tödlichste Gift für unsere Demokratie“, sagte der Vizepräsident im EU-Parlament, Othmar Karas, Montagabend in der ZIB2. Die Ermittlungen zeigen, dass das System funktioniere, so der EU-Politiker: „Das entschuldigt aber nicht das Fehlverhalten.“

EU-Parlamentsvize Karas zum Korruptionsskandal

Othmar Karas, einer der Vizepräsidenten des EU-Parlaments, nimmt Stellung zum aktuellen Korruptionsskandal rund um seine griechische Amtskollegin Eva Kaili – und zum kaum zu ermessenden Imageschaden, den das EU-Parlament dadurch genommen hat.

Welche politischen Konsequenzen nun zu ziehen seien, ließ Karas offen. Man müsse die Ermittlungen abwarten: „Hier hat sich ein kriminelles Netzwerk gebildet, das über Jahre von außen und von innen einen Angriff auf die europäische Demokratie gestartet hat.“ Nun sei Aufklärung und Transparenz geboten.

EU-Kommissionsvize verteidigt positive Aussagen

EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas verteidigte unterdessen seine Treffen mit katarischen Regierungsvertretern und positiven Aussagen zu Reformen des Golfstaats vor dem Hintergrund der Affäre im EU-Parlament . „Alle meine öffentlichen Äußerungen zu Katar, jedes einzelne Wort, sind zu hundert Prozent mit der Politik der Kommission vereinbar“, sagte der Grieche am Dienstag in Straßburg. „Das ist die Europäische Kommission. Wir improvisieren nicht, wir erfinden keine Positionen.“

Im Hinblick auf das Thema Arbeitnehmerrechte habe er nicht nur die Kommissionsposition, sondern auch die der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vorgetragen. Bei einer Reise nach Doha habe er sich als Erstes mit Vertretern der UNO-Organisation getroffen. Als Geschenke von katarischen Regierungsvertretern habe er einen Fußball und eine Schachtel Pralinen erhalten, die er seinem Fahrer überlassen habe. Außerdem habe er einige WM-Souvenirs bekommen, deren Wert unter der Schwelle für eine Registrierung bei der EU-Kommission lag. Er selbst habe den Ministern wiederum eine Kerze und einen Briefbeschwerer geschenkt.