Proteste in Teheran
AP
Todesstrafe droht

Sorge um iranischen Ex-Fußballprofi

Im Zusammenhang mit den seit fast drei Monaten andauernden Protesten im Iran soll nun auch ein prominenter Name auf der Todesliste der Justizbehörde stehen. Dem Ex-Profifußballer Amir-Resa Nassr-Asadani wird von einem Gericht „Kriegsführung gegen Gott“ vorgeworfen. Gemäß islamischer Rechtsauffassung steht darauf das Todesurteil – auch wenn staatliche Medien entsprechende Berichte am Dienstag dementierten.

Viele Iranerinnen und Iraner befürchten, dass Nassr-Asadani aufgrund der Vorwürfe hingerichtet werden könnte. Die beiden ehemaligen Legionäre in der deutschen Bundesliga, Ali Karimi und Mehdi Mahdawikia, zeigten sich ebenso besorgt wie die internationale Profispielerorganisation FIFPro.

Die Organisation sei „schockiert und empört über Berichte“, dass Nassr-Asadani im Iran die Hinrichtung drohe, „nachdem er sich für die Rechte der Frauen und die Grundfreiheit in seinem Land eingesetzt hat“, heißt es in einem entsprechenden Tweet. „Wir stehen in Solidarität mit Amir und fordern die sofortige Aufhebung seiner Strafe“, so die FIFPro weiter.

Mordvorwürfe als „absurd“ kritisiert

Nassr-Asadani soll letzten Monat während einer Protestkundgebung in die Ermordung eines Polizeibeamten und zweier Sicherheitskräfte involviert gewesen sein. Laut Angaben ehemaliger Mitspieler passe diese Anklage ganz und gar nicht zu seinem Charakter und sei daher grundlos und absurd.

Nassr-Asadani spielte in verschiedenen Vereinen in der ersten iranischen Liga und schaffte es auch in die U21-Nationalmannschaft. Wegen einer schweren Verletzung musste er seine aktive Karriere vor zwei Jahren unterbrechen und ist derzeit vereinslos. Wie Tausende von Iranern nahm auch er an den jüngsten systemkritischen Protesten teil und setzte sich für Frauenrechte und Demokratie im Land ein.

Zweite öffentliche Hinrichtung am Montag

Die Vorwürfe gegen Nassr-Asadani ähneln jenen, wegen derer Madschid-Resa R. am Montag öffentlich hingerichtet wurde. Er soll zwei Mitglieder der berüchtigten paramilitärischen Basidsch-Miliz mit einem Messer getötet haben. Das Gericht hatte ihm „Kriegsführung gegen Gott“ vorgeworfen und ihn gemäß islamischer Rechtsauffassung zum Tode verurteilt.

Die Nachricht der Hinrichtung löste im Iran landesweit Empörung und Wut aus. „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“ oder „Wir werden das Blut der Unschuldigen rächen“ waren wütende Reaktionen der Systemgegner in sozialen Netzwerken. Die regierungsnahe Tageszeitung „Resalat“ schrieb hingegen: „Begnadigung ist gut, aber im Islam ist Gerechtigkeit wichtiger“.

Eine weitere Hinrichtung wurde Medienberichten zufolge vorläufig verschoben. Der ebenfalls wegen „Kriegsführung gegen Gott“ verurteilte Mahan S. sollte demzufolge am Sonntag im Radschai-Schahr-Gefängnis westlich der Hauptstadt Teheran gehängt werden. Der 23-Jährige soll während der Proteste ein Mitglied der Basidsch-Miliz mit einem Messer verletzt und dessen Motorrad angezündet haben.

Erste Hinrichtung löste Proteste aus

In der Vorwoche hatten die Behörden erstmals einen Teilnehmer der seit Mitte September anhaltenden Proteste exekutiert. Der Rap-Musiker Mohsen S. soll ein Basidsch-Mitglied mit einem Messer verletzt und eine Straße in Teheran blockiert haben. Nach der Hinrichtung war es zu wütenden Protesten in Teheran und anderen Teilen des Landes gekommen.

Amnesty International spricht von „Scheinprozessen, die darauf abzielen, diejenigen einzuschüchtern, die an dem Volksaufstand teilnehmen, der den Iran erschüttert hat“. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation will der Iran mehr als 20 Menschen hinrichten lassen.

Grafik zu Massenprotesten im Iran
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Iran Human Rights

Tod von Mahsa Amini als Auslöser

Entzündet hatten sich die Proteste am Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Sie war am 16. September in Polizeigewahrsam gestorben. Die Religionspolizei hatte sie festgenommen, weil sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen haben soll. Die Proteste weiteten sich rasch zur größten Herausforderung für die Führung des Landes seit Jahrzehnten aus. Hunderte Menschen sind inzwischen ums Leben gekommen. Der Iran macht den Westen und insbesondere die USA für die Unruhen verantwortlich.

Grafik zu Massenprotesten im Iran
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Iran Human Rights

Doch die Realität ist wohl, dass sich große Teile der iranischen Gesellschaft mit dem Fall identifizieren können. Kritik kommt sogar von Konservativen. Bis heute reißen die Proteste nicht ab, immer wieder werden sie von staatlicher Gewalt und dem Tod weiterer junger Menschen angefacht. Über das Internet, das phasenweise abgestellt oder eingeschränkt wird, werden Tausende Videos, die Gewalt durch die Sicherheitskräfte zeigen sollen, im Netz verbreitet. Dadurch wächst die Wut, die Opfer werden zu Ikonen der Proteste. Viele junge Demonstrantinnen sprechen von einer Revolution.

Besonders hartes Vorgehen im kurdischen Teil

Besonders hart geht der Staat in den Provinzen vor. In Aminis Heimat, den kurdischen Teil des Iran, sind gar Militärkonvois eingerückt. Augenzeugen berichten von „bürgerkriegsähnlichen“ Zuständen. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte setzte eine Spirale der Wut in Gang.

Von der Führung sind bisher keine Töne der Versöhnung zu hören. Religionsführer und Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei schwieg erst wochenlang. Danach begann er, seine Erzfeinde für das Aufbegehren verantwortlich zu machen, und sprach von Verschwörung und Terrorismus. Der Generalstaatsanwalt erklärte zuletzt, die umstrittene Religionspolizei werde aufgelöst. Unklar ist, ob das stimmt und welche Auswirkungen es im Alltag hätte.