Elon Musk
Reuters/Mike Blake
Keine Miete, Personalabbau

Musks Sparkurs verschärft Chaos bei Twitter

Twitter- und Tesla-Chef Elon Musk ist laut den Rankings „Bloomberg Billionaires“ und von „Forbes“ nicht mehr der reichste Mann der Welt. Als Gründe nennt Bloomberg den Kauf von Twitter und einen Absturz der Tesla-Aktie. Musk will bei Twitter so weit wie möglich Kosten senken. Die Sparmaßnahmen reichen von anhaltendem Personalabbau über nicht bezahlte Mieten bis zur Versteigerung von Büroinventar. Musks Kurs verschärft die Turbulenzen bei Twitter.

Seit Wochen hat Twitter etwa keine Miete für sein Headquarter in San Francisco im US-Bundesstaat Kalifornien und für Büros an internationalen Standorten bezahlt. Das geht aus Informationen von sieben Personen, die mit internen Gesprächen vertraut sind, hervor. Die „New York Times“ berichtete darüber. In San Francisco soll auch Kantinenpersonal entlassen worden und Büromaterial, Küchengeräte und Elektronik bei Versteigerungen angeboten worden sein.

Musk dürfte sich offenbar auf mehrere Gerichtsprozesse einstellen. Aus einer Klage etwa geht hervor, dass Twitter eine Rechnung von über 197.000 Dollar (rund 185.000 Euro) für private Charterflüge Musks in der Woche der Twitter-Übernahme nicht bezahlte. Erwogen wird laut dem „NYT“-Bericht auch, den Tausenden entlassenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen keine Abfertigung zu zahlen.

Twitter-Zentrale in San Francisco
AP/Jeff Chiu
Laut „NYT“ zahlt Twitter seit Wochen keine Miete für die Zentrale in San Francisco und andere Niederlassungen

Eigentlich entschied sich das Unternehmen, den in den USA tätigen Mitarbeitern drei Monate für die Abfindung zu bezahlen. Den Angaben gegenüber der „NYT“ zufolge erwägt Musk aber, sich den Klagen ehemaliger Beschäftigter zu stellen, statt zu zahlen. Hohe Abfindungspakete für scheidende Führungskräfte habe Musk bereits verweigert.

Juristenteam mehrfach ausgetauscht

Einen personellen Kahlschlag gab es nicht nur beim Personal in der Technik und im Marketing. Schon kurz nach der Übernahme trennte sich Musk von Führungskräften der Rechtsabteilung und setzte stattdessen seinen Anwalt und Vertrauten Alex Spiro für juristische Angelegenheiten ein.

Laut „NYT“ ist Spiro aber ebenfalls nicht mehr im Amt – wegen Differenzen mit Musk. Inzwischen füllen Anwälte aus Musks anderen Unternehmen, darunter auch des Raketenherstellers SpaceX, die juristischen Lücken bei Twitter. Sie haben nun Zugang zu den internen Systemen erhalten.

Kein Zugriff auf Quellcode

Probleme gibt es auch im Technikbereich. Die Journalistin Zoe Schiffer deckte für das auf Nachrichten aus dem Silicon Valley spezialisierte Portal Platformer auf, dass die derzeit noch bei Twitter beschäftigten Administratoren keinen Zugriff auf Verzeichnisse haben, die den Quellcode von Twitter und übernommenen Unternehmen enthalten.

Aus einer internen Kommunikation eines Technikmitarbeiters geht laut Schiffer hervor, dass noch 519 Mitglieder Zugriff auf die Verzeichnisse haben. Der Großteil arbeite aber nicht mehr für das Unternehmen, so der Mitarbeiter. „Aus Sicht der Sicherheit nicht gut“, kritisierte Schiffer. Andere technische Werkzeuge wie das bei Twitter verwendete Tool zur Inhaltsmoderation dürften ebenfalls nicht mehr ganz funktionieren. Am Wochenende beschwerte sich Musk dem Bericht zufolge bei der Technik aufgrund eines falschen doppelten Accounts. Die Kontrollsysteme hatten dieses doppelte Konto übersehen.

„Keine Kontrollen und Gegenkontrollen mehr“

Die inhaltliche Kontrolle von außen wurde ebenfalls gekappt. Am Montag wurde der 2016 von Twitter gegründete „Trust and Safety Council“ (Rat für Vertrauen und Sicherheit) mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Mitglieder der Beratungsgruppe waren rund 100 unabhängige Bürger-, Menschenrechts- und andere Organisationen. Der Rat hatte das Ziel, Hassreden, Ausbeutung von Kindern, Suizid, Selbstverletzung und andere Probleme auf der Plattform anzugehen.

Kurz vor einem geplanten Treffen der Gruppe erfolgte die Information zur Auflösung der Gruppe via E-Mail. Darin hieß es, dass Twitter „neu bewertet, wie man am besten externe Erkenntnisse einbringt“ – und der Rat sei „nicht die beste Struktur dafür“, zitierte die Nachrichtenagentur AP aus der Mail. Die ehemalige Twitter-Mitarbeiterin Patricia Cartes leitete die Gründung des Rats. Für sie bedeutet die Auflösung der Gruppe, „dass es keine Kontrollen und Gegenkontrollen mehr gibt“.