ein Teil des in Brüssel beschlagnahmten Geldes
AP/Belgian Prosecutors Office
1,5 Mio. beschlagnahmt

Neue Spuren in EU-Korruptionsskandal

Der Korruptionsskandal im EU-Parlament zieht immer weitere Kreise: Mittlerweile wurden 1,5 Mio. Euro beschlagnahmt, die belgische Polizei veröffentlichte Bilder von Geldkoffern, die die Ausmaße des Skandals gut sichtbar machen. Nun wurde bekannt, dass nicht nur Katar, sondern auch Marokko in die Affäre verwickelt sein könnte. Nach dem vorläufigen Stopp für gelockerte Visaregeln wackelt auch ein weiterer – lukrativerer – EU-Deal.

Eigentlich wäre diese Woche auf EU-Ebene ganz im Zeichen des Spitzentreffens in Brüssel gestanden – doch der Korruptionsskandal, der am Wochenende an Fahrt aufgenommen hatte, überschattet momentan alles. Mittlerweile wurde Eva Kaili ihres Amtes als Parlamentsvizepräsidentin enthoben, sie befindet sich seit dem Wochenende in Untersuchungshaft. Am Mittwoch wurde nun entschieden, dass diese für Kaili aufrecht bleibt. Ihre Anhörung wurde auf den 22. Dezember verschoben.

Doch die Lage beruhigt sich nicht – eher im Gegenteil: Offenbar könnte auch Marokko in die Korruptionsaffäre verwickelt sein. Dem ebenfalls festgenommenen Ex-EU-Abgeordneten der Sozialdemokraten, Pier Antonio Panzeri, werde vorgeworfen, auch von Marokko Geld angenommen zu haben, berichtete der „Spiegel“ unter Berufung auf interne Dokumente der belgischen Ermittler. Demzufolge sollen zwei Familienmitglieder Panzeris geholfen haben, „Geschenke“ zu transportieren, die ihnen der Botschafter Marokkos in einem östlichem EU-Staat übergeben habe.

Eva Kaili Vizepräsidentin des europäischen Parlaments
APA/AFP/European Parliament/Eric Vidal
Kaili, hier noch als Parlamentsvizepräsidentin im Einsatz, bleibt in Untersuchungshaft

Polizei zeigt Fotos von Geldkoffern

Nachdem es bereits am Dienstag erste Medienberichte dazu gab, bestätigte die belgische Polizei nun auch offiziell, dass bereits rund 1,5 Mio. Euro beschlagnahmt wurden. Dazu veröffentlichte sie auf dem Kurznachrichtendienst Twitter Fotos von Geldkoffern und Stapeln mit Bargeld.

Kaili verteidigte sich über ihren Anwalt schon am Dienstag. Sie habe „von der Existenz dieses Geldes nichts gewusst“, sagte ihr Anwalt Michalis Dimitrakopoulos gegenüber AFP. Nur ihr Lebensgefährte, der ebenfalls wegen Korruptionsvorwürfen festgenommene Italiener Francesco Giorgi, könne „Antworten auf die Existenz dieses Geldes“ geben. Später sagte der Anwalt gegenüber dem griechischen TV-Sender Skai, das Geld gehöre weder Kaili noch ihrem Partner. „Frau Kaili hat ihren Partner gefragt, was für Gelder das seien“, sagte Dimitrakopoulos. Der Lebenspartner habe erwidert, dass das Geld jemand anderem gehöre. „Daraufhin hat Frau Kaili gesagt, sie erlaube nicht, dass Gelder, die jemand anderem gehörten, in der gemeinsamen Wohnung aufbewahrt werden.“ Aus diesem Grund habe Kailis Vater die Tasche mit Geld an sich genommen und sich auf den Weg zu einem Hotel gemacht, wo der nicht namentlich genannte Empfänger hätte auftauchen sollen. Giorgi bleibt vorerst wie Panzeri in Untersuchungshaft.

Kritik an lukrativem Deal mit Katar

Im Raum steht nach wie vor, dass Katar Geld gezahlt haben solle, damit sich die Verdächtigen für die Interessen des Golfemirats einsetzen. Im Hinblick darauf entschied man sich, die Pläne für gelockerte Visaregeln für Bürgerinnen und Bürger aus Katar vorerst auf Eis zu legen.

Qatar-Airways Passagierflugzeuge
IMAGO/Bruno Coelho/Bruno Coelho
Ein Deal, der vor allem Qatar Airways nützt, steht nun in der Kritik

In diesem Zusammenhang gerät nun auch eine neue Abmachung der EU mit Katar ins Rampenlicht, die durchaus lukrativ ist, wie „Politico“ berichtete. Konkret geht es um ein Abkommen, das Qatar Airways, die staatliche Fluglinie Katars und eine der größten Fluggesellschaften weltweit, Zugriff auf den gesamten Markt der EU – und damit von rund 450 Mio. möglichen Passagieren – gewährt. Im Austausch dafür soll europäischen Airlines genau das auf dem katarischen Markt erlaubt sein, das Emirat hat rund 2,9 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner.

Nun mehren sich im EU-Parlament die Stimmen, diesen Deal zu bremsen. Schon am Donnerstag könnte darüber abgestimmt werden. Von der EU-Kommission hieß es dazu am Mittwoch, dass das Abkommen mit Katar mit „voller Transparenz“ erreicht wurde. „Mitgliedsstaaten und ihre Stakeholder, Fluglinien, Gewerkschaften, Flughäfen“ seien alle in den Prozess involviert gewesen, hieß es.

Belgischer Premier kritisiert EU-Parlament

Vor allem in Belgien ist der Korruptionsskandal seit dem Wochenende praktisch dauernd in den Schlagzeilen – nicht zuletzt, weil die belgische Polizei eine prominente Rolle spielte. In diese Debatte schaltete sich auch Belgiens Premier Alexander De Croo ein: „Offensichtlich tut die belgische Justiz das, was das Europäische Parlament versäumt hat“, so De Croo. „Sicherlich hat das Europäische Parlament viele Mittel, um seine eigene Arbeitsweise zu regulieren, aber offensichtlich hat das System der Selbstkontrolle nicht ausgereicht.“

der belgische Premierminister Alexander De Croo
AP/Olivier Matthys
De Croo kritisierte das Parlament

Regner fordert strengere Kontrollen

Das EU-Parlament will jedenfalls transparenter werden, das kündigte auch Parlamentspräsidentin Roberta Metsola zuletzt an. Vizepräsidentin Evelyn Regner (SPÖ) sprach sich bei einem Pressegespräch für strengere Registrierungspflichten für Lobbyisten und für bessere Kontrollen aus. Sie plädierte dafür, dass sich auch staatliche Vertreter registrieren müssen. Parlamentarische Freundschaftsgruppen mit Golfstaaten sollten aufgelöst werden. „In Summe sind mehr Kontrollen notwendig.“

Neue Spuren in EU-Korruptionsskandal

Der Korruptionsskandal im EU-Parlament zieht immer weitere Kreise: Mittlerweile wurden 1,5 Mio. Euro beschlagnahmt, die belgische Polizei veröffentlichte Bilder von Geldkoffern, die die Ausmaße des Skandals gut sichtbar machen. Nun wurde bekannt, dass nicht nur Katar, sondern auch Marokko in die Affäre verwickelt sein könnte.

Die größte Gruppierung im EU-Parlament, die Europäische Volkspartei (EVP), erklärte unterdessen, sie werde bis auf Weiteres nicht mehr an Dringlichkeitsverfahren, etwa für Resolutionen des Europaparlaments zu internationalen Krisenherden und potenziellen Menschenrechtsverletzungen, teilnehmen. Es müsse zuerst sichergestellt sein, „dass das Verfahren und das Netzwerk nicht weiter durch Drittstaaten wie Katar kompromittiert werde“, so die Fraktion. Betroffen wären davon am Donnerstag Resolutionen zur Menschenrechtslage in Bahrain sowie zur Niederschlagung von Protesten in China und im Tschad.