Lower Manhattan
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New York und Co.

Neues Leben für leere Bürotürme

Nach zwei Jahren Pandemie sollte 2022 das Jahr des Comebacks des Büros sein – so wurde es auch in den USA vorausgesagt. Doch es kam anders. Nun wettet eine der größten New Yorker Immobilienfirmen der USA darauf, dass die Zukunft in Manhattan und anderen Innenstädten nicht in Büros, sondern Wohnungen liegt – und will Bürotürme aufkaufen und umbauen. Auf politischer Ebene gibt es erste Schritte, aus der Not eine Tugend zu machen.

Homeoffice wurde in den USA heuer eher mehr statt weniger, dazu kamen Inflation und ein düsteres Jahr für die so wichtige Tech-Industrie. All das ließ die Preise für Büros – selbst in bester Innenstadtlage – teils in den Keller rasseln. Gerade die junge Generation an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern machte klar, dass ihnen die Option auf Homeoffice wichtiger ist als das Behalten eines Jobs. Noch dazu, wo es diese derzeit quasi in Hülle und Fülle gibt und Arbeitgeber oft händeringend um ihre Mitarbeiter kämpfen – oder ihnen, etwa mit Homeoffice, entgegenkommen müssen.

Entsprechend leer blieben Büros – viele Firmen reagierten und verkleinerten diese. Die US-weite Leerstandsrate bei Büros lag Ende Oktober laut einem Bericht von CommericalEdge bei 16,3 Prozent – und damit nochmals um 1,5 Prozentpunkte höher als im Jahr davor. Und in den zwölf Monaten davor nahm der Leerstand in 86 von 120 erfassten Städten zu. In den bürotechnisch 25 wichtigsten Märkten waren es sogar 22, so der Anbieter für Software und Daten für Immobilienfirmen. Laut Bloomberg sind Büros in New York und anderen Metropolen nur zu etwa 40 Prozent besetzt – und das werde noch länger so bleiben.

One World Trade Center
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WTC-Memorial und One World Trade Center, das von Silverstein erbaut wurde

Ein Problem als Chance

Das Problem der einen ist freilich die Chance für andere: Das New Yorker Immobilienunternehmen Silverstein Properties will eineinhalb Milliarden Dollar (1,4 Mrd. Euro) in den Kauf von Bürohochhäusern in New York investieren und diese zu Wohngebäuden umbauen. Das Unternehmen, das die bei den Terroranschlägen von 9/11 zerstörten Türme des World Trade Centers gemietet hatte und danach dort den neuen Komplex baute, sucht derzeit weiter Investorinnen und Investoren.

Silverstein-Geschäftsführer Marty Burger will laut eigenen Aussagen vor allem ältere Bürohochhäuser in Manhattan aufkaufen, die hohe Leerstände haben oder mit hohen Schulden belastet sind. Angedacht seien ähnliche Projekte auch in anderen US-Metropolen wie San Francisco, Los Angeles, Washington D.C. und Boston.

„Riesiger Markt“

Ein erstes Bürohochhaus hat Silverstein heuer bereits südlich der Wall Street erstanden. Nächstes Jahr soll der Umbau zu Apartments beginnen. Es sei ein „riesiger Markt“, zeigte sich Burger überzeugt. Tatsächlich sind – parallel zum Schrumpfen vermieteter Büroflächen – die Preise für Wohnungen gewaltig in die Höhe geschossen. Mieten in Manhattan erreichten heuer laut der Wirtschaftsagentur Bloomberg ein neues Rekordniveau.

Es sei eine wirklich schwierige Zeit, um Büros zu vermieten, gleichzeitig sei der Wohnmarkt „sehr heiß“. Es gelinge hoffentlich, einige dieser Bürogebäude zu kaufen und sie für Wohnzwecke umzuwandeln. „Das braucht die Stadt ganz dringend.“

Luftbild von Manhatten
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Blick über den Central Park Richtung Südspitze von Manhattan

Druck wird weiter steigen

Auf US-Immobilienunternehmen, die auf Büroflächen spezialisiert sind, wird der Druck in den nächsten Wochen und Monaten wohl noch steigen: Viele Unternehmen, insbesondere im derzeit Zehntausende Jobs abbauenden Tech-Sektor, setzen bei Büroflächen radikal den Sparstift an. Denn mit Jahreswechsel laufen viele Verträge aus und müssen neu verhandelt werden. Inflationsbedingt steigen die Preise zudem, was es für Unternehmen noch attraktiver macht, bei Büroausgaben zu sparen. Silverstein und andere, die auf das – durchaus aufwendige und oft Jahre dauernde – Umwandeln in Wohnungen setzen, können daher zu Recht auf vergleichsweise günstige Kaufpreise hoffen.

Der Wert von Bürogebäuden in den USA könnte um bis zu 39 Prozent absacken, berichtete die „New York Times“ unter Berufung auf eine gemeinsame Studie der Columbia und der New York University.

Wichtige Einnahmequelle für Städte

Für Städte könnte der Leerstand bald zu einem Problem werden. Wenn der Wert von Bürogebäuden fällt, muss die entsprechende Vermögenssteuer gesenkt werden. Die Vermögenssteuer ist aber die wichtigste Einnahmequelle für Kommunen in den USA. Viele Immobilienunternehmen haben bereits eine Herabsetzung beantragt. In Städten, die die Vermögenssteuer jährlich neu berechnen, ist laut „Wall Street Journal“ die Zahl solcher Anträge bis zu 40 Prozent höher als in einem durchschnittlichen Jahr vor der Pandemie.

Historische Zeichnung des Broadways in New York
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Eine alte Ansicht von New York: Broadway und Fifth Avenue am Madison Square

Im Gegenzug dürften Städte die Abgaben auf Wohnungen anheben, um – im schlimmsten Fall fatale – Budgetlöcher zu stopfen. Dass Wohnen in den Downtowns von US-Metropolen gerade bei den Jungen wieder beliebter wird, könnte auch helfen, den jahrzehntelangen Trend zur Segregation von Arbeiten – im Stadtzentrum – und Wohnen in Suburbia zumindest einzubremsen, wenn schon nicht umzukehren. Der US-Ökonom Richard Florida zeigte sich bereits im Sommer überzeugt: „Das Stadtzentrum stirbt nicht, es verändert sich.“

Genau nach diesem Motto wollen mehrere US-Großstädte agieren: Zumindest trafen einander laut „New York Times“ Behördenvertreter und Geschäftsleute aus New York, Chicago, Philadelphia und Seattle in den letzten Wochen mehrmals auf Initiative der Brookings Institution zu einem Ideenaustausch für die Entwicklung der Geschäfts- und Büroviertel im Stadtzentrum.

Es wäre nicht zuletzt die Rückkehr zum alten Status quo, der vor der industriellen Revolution galt und mittlerweile wieder als erstrebenswert gilt: dass nämlich Arbeiten, Wohnen und Freizeit im Stadtzentren miteinander verwoben sind.