Politikverbot für möglichen Erdogan-Rivalen Imamoglu

Gegen den Bürgermeister von Istanbul und möglichen Herausforderer von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bei der für das kommende Jahr geplanten Wahl, Ekrem Imamoglu, ist ein Politikverbot verhängt worden. Ein Istanbuler Gericht verurteilte ihn heute außerdem wegen Beleidigung auch zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten. Gegen das Urteil könne noch Einspruch eingelegt werden, sagte der Anwalt Imamoglus, Kemal Polat.

Imamoglu ist Politiker der kemalistischen bzw. sozialdemokratischen Republikanischen Volkspartei (CHP), der laut Umfragen derzeit stimmenstärksten Oppositionspartei in der Türkei. Imamoglu nannte die Entscheidung bei einer Rede vor Hunderten Menschen, die vor dem Rathaus gegen das Urteil protestierten, eine „Schande“ für die türkische Justiz. Er wolle sich von der Entscheidung nicht beeinflussen lassen.

Für Opposition politisch motiviert

Imamoglu war in der Anklageschrift vorgeworfen worden, die Mitglieder der türkischen Wahlbehörde rund um die Kommunalwahlen im Jahr 2019 öffentlich beleidigt zu haben. Er soll diejenigen, „die die Wahlen am 31. März annulliert haben“, als „Idioten“ bezeichnet haben. Polat hatte den Prozess und die Vorwürfe gegen seinen Mandanten als „gegenstandslos“ bezeichnet.

Imamoglu habe nicht die Wahlbehörde gemeint, sondern damit auf die gleiche Beleidigung vonseiten des Innenministers gegen ihn reagiert, hieß es in der Schlussverteidigung seiner Anwälte. Der Innenminister hingegen stehe nicht vor Gericht. Oppositionelle bezeichneten den Prozess als „politisch motiviert“.

Zweimal Wahl in Istanbul gewonnen

Die Wahl zum Bürgermeister von Istanbul 2019 hatte Imamoglu knapp gegen den Kandidaten der regierenden konservativen Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) gewonnen. Die Wahlkommission annullierte das Ergebnis jedoch auf Antrag der AKP und ließ die Wahl wiederholen – Imamoglu gewann erneut. Seinen Sieg in der 16-Millionen-Metropole sehen Beobachter auch als indirekte Niederlage Erdogans, der Wahlkampf für den Kandidaten seiner Partei gemacht hatte. Die Stadt war zuvor über mehr als 20 Jahre von der AKP und ihren politischen Vorgängern regiert worden.