Gestrandete Touristen in Machu Picchu
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Proteste in Peru

Touristen in Machu Picchu gestrandet

Nach der Absetzung des Präsidenten Pedro Castillo gehen die landesweiten Proteste in Peru weiter – nicht ohne Folgen für den Tourismus. Rund 800 ausländische Touristinnen und Touristen sitzen in der weltberühmten Inka-Stätte Machu Picchu fest, darunter auch Österreicher.

In Aguas Calientes, einem Kurort, der in einem tief eingeschnittenen Tal am Fuße der historischen Stätte liegt und über den man nach Machu Picchu gelangt, sitzen die Touristen „in der Falle“. Die gut hundert Kilometer lange und nun gesperrte Bahnstrecke zwischen der Weltkulturerbestätte und der Stadt Cusco ist nämlich der einfachste und meistgenutzte Weg, um nach Machu Picchu oder von dort wieder wegzukommen.

Nach Angaben der Stadtverwaltung von Machu Picchu sitzen seit Dienstag etwa 779 Touristen verschiedener Nationalitäten fest. Der Bürgermeister von Machu Picchu, Darwin Baca, bat die Regierung um humanitäre Hilfe und forderte die Entsendung von Hubschraubern, um die gestrandeten Reisenden wegzubringen.

Unter den gestrandeten Touristen befinden sich auch Österreicher, wie das Außenministerium am Donnerstag mitteilte. Die Urlauber stünden im Kontakt mit der Botschaft. Insgesamt sind aktuell rund 90 Österreicher registriert, die sich im Moment in Peru aufhalten.

Menschenleere Restaurantstraße in Machu Picchu
APA/AFP/Jesus Tapia
Die Straßen und Geschäfte in der berühmten Ruinenstadt Machu Picchu sind weitgehend leer gefegt

Ausnahmezustand verhängt

Als Grund für die Sperre hatte die peruanische Staatsbahn PeruRail Sicherheitsbedenken angegeben, da sie Blockaden der Bahngleise befürchtet. Agrargewerkschaften sowie Bauern- und Indigenenorganisationen, die in der Region Cusco stark vertreten sind, hatten Anfang der Woche einen „unbefristeten Streik“ in mehreren Regionen Perus angekündigt und die Schließung des Parlaments sowie vorgezogene Wahlen und eine neue Verfassung gefordert, wie es in einer Erklärung der Agrar- und Landfront Perus hieß.

Polizisten und Protestierende in der peruanischen Stadt Arequipa
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Bei den Protesten gegen die Inhaftierung Castillos kommt es immer wieder zu Zusammenstößen mit der Polizei

Im ganzen Land sind seit dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Pedro Castillo und der Vereidigung der bisherigen Vizepräsidentin Dina Boluarte vergangene Woche Proteste ausgebrochen. Die Regierung geht gegen die Proteste vor, bei Auseinandersetzungen mit der Polizei wurden bereits mehrere Demonstrierende getötet.

Am Mittwoch wurde ein landesweiter Ausnahmezustand ausgerufen. Er soll für 30 Tage gelten und die „Aussetzung der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit“ beinhalten. Die Erklärung ermächtigt auch die Polizei, die vom Militär unterstützt wird, ohne Erlaubnis oder richterlichen Beschluss die Wohnungen der Menschen zu durchsuchen.

Castillo wollte Parlament entmachten

Bereits während der Amtszeit des ersten peruanischen Präsidenten aus armen Verhältnissen kam es zu diversen Meinungsverschiedenheiten und Disputen innerhalb des Kabinetts. Immer wieder räumten wichtige Minister ihre Posten, rund 80 Ministerinnen und Minister waren während der 17 Monate unter Castillo insgesamt im Amt. Die Regierung des Linkspolitikers befand sich zudem in einem permanenten Machtkampf mit dem Parlament.

Vergangene Woche hatte Castillo dann versucht, das Parlament zu suspendieren, um einer Abstimmung über einen Misstrauensantrag gegen ihn zuvorzukommen, der sich aus mehreren Korruptionsvorwürfen gegen ihn ergab. Der Generalstaatsanwalt des Landes ermittelt in sechs Fällen, unter anderem wegen Einflussnahme bei Beförderungen im Militär und bei der Polizei sowie wegen Behinderung der Justiz.

Perus Ex-Präsident Castillo
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Schon während Castillos Amtszeit gab es immer wieder Machtkämpfe mit dem Parlament

Castillo kündigte noch vor dem Misstrauensvotum an, per Dekret mit Notstandsbefugnissen zu regieren, und rief zu einer neuen Parlamentswahl auf. Doch innerhalb weniger Stunden seines Machtübernahmeversuchs stellten sich einige Ministerinnen und Minister und politische Verbündete – darunter auch seine Vizepräsidentin Boluarte – sowie die Streitkräfte und die Polizei gegen Castillo. Er wurde festgenommen, und das Parlament enthob ihn seines Amtes. Er sitzt nach wie vor in Untersuchungshaft.

Geteiltes Stimmungsbild nach Absetzung

Die Anhänger Castillos beschuldigen wiederum das Parlament, einen Staatsstreich gegen ihn inszeniert zu haben. Castillo wurde als erster Angehöriger der verarmten ländlichen Bevölkerung Präsident des Landes. Er ist der Sohn von Bauern und Analphabeten und arbeitete vor seiner Politkarriere als Dorfschullehrer.

Es gebe einen Hunger, an Castillo zu glauben, sagte Omar Coronel, Soziologieprofessor an der Päpstlichen Katholischen Universität Perus, dem „Guardian“. Es sei einfacher, an Castillo, den Gefangenen, Castillo, den Märtyrer, zu glauben als an Castillo, der von allen möglichen Korruptionsvorwürfen umgeben sei.

Perus Präsident Boluarte präsentiert ihr Kabinett
Reuters/Sebastian Castaneda
Nach der Absetzung Castillos hat die ehemalige Vizepräsidentin Boluarte mit ihrem Kabinett die Regierungsgeschäfte übernommen

International fallen die Reaktionen auf die Proteste gemischt aus. Mehrere lateinamerikanische Länder wie Chile und Brasilien zeigten sich über die Entwicklungen in Peru besorgt und riefen zu Ruhe, Besonnenheit und Vernunft auf. Mexiko, Argentinien, Bolivien und Kolumbien hingegen weigern sich, Boluarte als rechtmäßiges Staatsoberhaupt Perus anzuerkennen.

Enttäuschte Hoffnung auf Veränderung

Zwar könnten die Proteste rund um die Weihnachtsfeiertage abflauen, aber die grundlegenden Probleme, die den Unruhen zugrunde liegen, bleiben: Peru ist gezeichnet von einer tiefen Kluft zwischen der mächtigen Hauptstadt Lima und dem übrigen Land, das sich nach wie vor großteils mit Castillo identifiziert.

Viele Peruanerinnen und Peruaner vor allem aus ländlichen Regionen fühlen sich von den Institutionen und dem Parlament, das als korruptes Schlangennest angesehen wird, vernachlässigt. Mit Castillos Sieg in der Präsidentschaftswahl vergangenes Jahr glaubten sie an Veränderung im Land. Er hatte unter anderem auch eine neue Verfassung angekündigt und weitreichende Versprechen für die indigene Bevölkerung abgelegt.

Doch bald nach Amtsantritt gab der ehemalige Lehrer seine Versprechungen zu grundlegenden Veränderungen wieder auf. Während einige seiner Anhänger von den gebrochenen Versprechen enttäuscht sind, sehen viele von ihnen die Schuld für Castillos Scheitern beim korrupten Parlament.