Ex-EU-Parlamentsvize Eva Kaili
Reuters/European Union 2022
EU-Parlament

Neuer Vorwurf gegen Ex-Vize Kaili

Die Europäische Staatsanwaltschaft hat sich in die Ermittlungen zum EU-Korruptionsskandal eingeschaltet und die Aufhebung der Immunität der abgesetzten Vizepräsidentin des EU-Parlaments (EP), Eva Kaili, beantragt. Es bestehe der Verdacht auf Betrug zum Nachteil des EU-Haushalts, teilte die Behörde mit Sitz in Luxemburg am Donnerstag mit.

Dabei gehe es um die „Verwaltung der parlamentarischen Vergütung und insbesondere die Vergütung der akkreditierten parlamentarischen Assistenten“. Grundlage für den Verdacht ist ein Untersuchungsbericht der EU-Antibetrugsbehörde OLAF.

Für eine zweite Europaabgeordnete stellte die EU-Staatsanwaltschaft der Mitteilung zufolge ebenfalls einen Antrag auf Aufhebung der Immunität. Es gehe um die griechische Christdemokratin Maria Spyraki (Nea Demokratia). Bis die Immunität der beiden aufgehoben wird, dürfte es noch eine Weile dauern. Letztlich entscheidet das Plenum des Europaparlaments darüber. Wegen der Korruptionsvorwürfe setzte das EU-Parlament Kaili am Dienstag vom Amt der Vizepräsidentin ab.

Auch griechische Behörden ermitteln

Kaili ist derzeit in Belgien in Untersuchungshaft. Sie steht im Fokus eines Korruptionsskandals, zu dem die belgische Justiz seit Monaten ermittelt. Mittlerweile hat in der Causa auch die Finanzstaatsanwaltschaft in Athen eine vorläufige Untersuchung gegen Kaili eingeleitet. Finanzstaatsanwalt Christos Bardakis habe die Untersuchung „wegen des Verdachts der Annahme von Bestechungsgeldern und der Geldwäsche angeordnet“, verlautete am Donnerstag aus Justizkreisen.

Der griechische Justizminister Kostas Tsiaras hatte am Montag erklärt, es sei selbstverständlich, dass „Griechenland den belgischen Behörden helfen“ werde, falls das notwendig sei. Die griechische Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche kündigte indes an, alle Vermögenswerte der sozialistischen Politikerin einzufrieren.

Geständnis im EU-Korruptionsskandal

Katar und Marokko wollten Entscheidungen im EU-Parlament in ihrem Sinne beeinflussen. Der geständige Francesco Giorgi, Partner der verdächtigen abgesetzten Vizepräsidentin des EU-Parlaments Eva Kailli von der sozialdemokratischen S&D-Fraktion, soll das Bargeld verwaltet haben.

„Tat alles für Geld, das ich nicht brauchte“

Die belgische Justiz ermittelt, ausgehend von Geheimdienstinformationen, seit Monaten wegen mutmaßlicher Korruption, Geldwäsche und Einflussnahme aus dem Ausland im Umfeld des Europaparlaments. Im Raum steht, dass das Golfemirat Katar, das derzeit die Fußball-WM ausrichtet, mit Geld- und Sachgeschenken versucht hat, Entscheidungen zu beeinflussen. Zuletzt mehrten sich zudem Berichte über eine Verwicklung von Marokko.

Seit Freitag hat die belgische Justiz sechs Verdächtige festgenommen. Von ihnen sitzen unter anderem die Griechin Eva Kaili, die mittlerweile vom Europaparlament als Vizepräsidentin abgesetzt wurde, ihr Lebensgefährte Francesco Giorgi, der als Assistent eines Abgeordneten im Parlament arbeitet, sowie der ehemalige sozialdemokratische Europaabgeordnete Antonio Panzeri weiter in U-Haft.

Für einen neuen Paukenschlag sorgte der Bericht über ein erstes Geständnis. Wie die Zeitungen „Le Soir“ und „La Repubblica“ mit Verweis auf Dokumente der Ermittler berichteten, habe Giorgi „Korruption und Einmischung im Dienste von Marokko und Katar“ gestanden. Seine Aufgabe sei es gewesen, „Bargeld zu verwalten“, so „La Repubblica“, die Giorgi mit den Worten zitierte: „Ich tat alles für Geld, das ich nicht brauchte.“

Panzeri als Fädenzieher vermutet

Den Angaben zufolge deutete Giorgi auch an, dass er den Italiener Andrea Cozzolino und den Belgier Marc Tarabella, beide Abgeordnete der S&D-Fraktion im EU-Parlament, verdächtigt, über den ehemaligen italienischen EU-Abgeordneten Panzeri Geld angenommen zu haben. Marokko soll über den Geheimdienst DGED (Directorate General of Studies and Documentation) in die mutmaßliche Bestechungsaffäre verwickelt sein. Panzeri, Cozzolino und Giorgi seien mit dem DGED, aber auch mit einem hochrangigen, offenbar in Polen sitzenden marokkanischen Diplomaten in Kontakt gestanden, wie „Le Soir“ und „La Repubblica“ mit Verweis auf die eingesehenen Dokumente weiter berichteten.

Im Zentrum der Ermittlungen der belgischen Justiz steht das Netzwerk Panzeris. Dieser war viele Jahre Mitglied der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), derzeit die stärkste Oppositionspartei in Italien. 2017 wechselte er zur Partei des ehemaligen italienischen Kommunistenchefs und Ex-Premiers Massimo D’Alema, Articolo 1, blieb jedoch im Europäischen Parlament in der Fraktion der Sozialdemokraten.

Die Staatsanwaltschaft Brüssel ist sich sicher, dass bei Panzeri die Fäden zusammenliefen, wenn es darum ging, politische und wirtschaftliche Entscheidungen des EU-Parlaments zugunsten von Staaten wie Katar und Marokko zu beeinflussen. Im Zentrum steht die von Panzeri nach seinem Ausscheiden 2019 aus dem EU-Parlament gegründete Nichtregierungsorganisation „Fight Impunity“. Er soll das Geld aus Katar verteilt haben, um Entscheidungen des Parlaments im Sinne des Emirats zu beeinflussen.

ein Teil des in Brüssel beschlagnahmten Geldes
AP/Belgian Prosecutors Office
Die Ermittler beschlagnahmten in der Causa bereits Hunderttausende Euro in bar

Anwalt: Von Geld nichts gewusst

Kaili soll am 22. Dezember der belgischen Justiz vorgeführt werden. Die Vorwürfe der Ermittler wiegen schwer. Nach Angaben aus Justizkreisen wurden in der gemeinsamen Wohnung von Kaili und Giorgi 150.000 Euro gefunden, weitere 750.000 Euro bei Kailis Vater, der sich in einem Hotel in der belgischen Hauptstadt aufhielt. Die Staatsanwaltschaft in Brüssel wirft auch Kaili „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Korruption“ vor. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Kaili weist die Vorwürfe zurück und hat nach Angaben ihres Anwalts auch nichts mit dem bei ihr sichergestellten Bargeld zu tun. Sie habe „von der Existenz dieses Geldes nichts gewusst“, sagte ihr Anwalt Michalis Dimitrakopoulos am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Die 44-Jährige sei „unschuldig“.