Ministerpräsident Eduard Heger
Reuters/Ints Kalnins
Misstrauensvotum

Slowakisches Parlament stürzt Regierung

Die slowakische Regierung ist am Donnerstag gestürzt worden. Das Parlament in Bratislava sprach dem konservativ-populistischen Dreierkabinett von Ministerpräsident Eduard Heger das Misstrauen aus. Für den Sturz der Regierung stimmten 78 von 102 anwesenden Abgeordneten, notwendig waren 76 von insgesamt 150 Stimmen.

Eingebracht wurde der Misstrauensantrag von der noch vor drei Monaten mitregierenden liberalen Freiheit und Solidarität (SaS) von Richard Sulik. Mit ihrem chaotischen und ungeordneten Regierungsstil schade die Minderheitsregierung von Heger dem Land, lasse Bürger und Firmen in der Energiekrise und beim Kampf gegen die rasende Inflation von rund 15 Prozent in Stich und versage komplett beim Versprechen, die Slowakei von der Korruption zu säubern, argumentierte die SaS.

Sulik erklärte am Donnerstag vor Journalisten, seine Partei werde „den Umbau der Regierung unterstützen“. Hegers Regierung habe „Vertrauen verloren“, fügte er hinzu. Seine Partei sei insbesondere dagegen, dass Finanzminister Igor Matovic von der stärksten Koalitionspartei Olano in der Regierung bleibe.

Slowakischer Finanzminister Igor Matovic
AP/TASR/Jaroslav Novák
Die liberale SaS hatte den Rücktritt von Finanzminister Matovic (hinten) gefordert

Präsidentin Caputova am Zug

Der ehemalige Wirtschaftsminister Sulik war vor dem Auseinanderbrechen der Koalition häufig mit dem früheren Regierungschef Igor Matovic aneinandergeraten. Der Finanzminister hatte Heger am Donnerstag noch seinen Rücktritt angeboten, um das Misstrauensvotum zu vermeiden. Dieser hatte jedoch abgelehnt.

Wer in der Slowakei künftig regiert, hängt laut dpa nun vor allem von Staatspräsidentin Zuzana Caputova ab. Sie kann die gestürzte Regierung provisorisch mit der Fortsetzung ihrer Arbeit beauftragen, bis sich eine neue Koalition bildet. Sie kann aber auch eine Expertenregierung einsetzen.

Neuwahlen nur nach Verfassungsänderung möglich

Die in anderen Ländern mögliche Variante, jetzt Neuwahlen auszuschreiben, ist durch die Verfassung derzeit verboten. Das hatte das Verfassungsgericht vergangenes Jahr bestätigt – und zugleich nahegelegt, die Regelung zu ändern. Die Liberalen schließen ihre Unterstützung für Neuwahlen jedoch aus und plädieren für eine „Suche nach einer neuen Regierungsmehrheit“ auf Grundlage der Ergebnisse der letzten Parlamentswahlen von 2020, so Sulik. Erneut beteiligen wollen sie sich an dieser aber nicht. Die bisher zweitstärkste Koalitionspartei „Wir sind Familie“ hat sich noch nicht festgelegt.

Die Opposition, vor allem die linksgerichtete Smer von Ex-Premier Robert Fico, sowie die derzeit präferenzstärkste Hlas seines Nachfolgers im Posten des Premierministers Peter Pellegrini, sehen hingegen vorgezogene Wahlen als einzig mögliche Lösung der tiefen politischen Krise im Land.

Sollten Neuwahlen stattfinden, könnte das Folgen für die Ukraine-Politik des EU-Mitglieds haben, das bisher eng an der Seite der Regierung des Nachbarlandes steht. Die Linken sehen die Militärhilfe für die Regierung in Kiew kritisch. Durch den politischen Streit der vergangenen Monate ist zudem der Haushalt für 2023 blockiert. Darin sind auch Entlastungen für die 5,5 Millionen Bürger des Landes angesichts hoher Energiepreise vorgesehen.

Minderheitsregierung seit September

Die SaS hatte sich im September nach einem zweimonatigen Ultimatum aus der Regierung zurückgezogen. Sie hatte schon damals strikt darauf bestanden, dass Matovic die Regierung verlassen müsse.

Er sei für eine „Zersetzung“ des Landes, seiner Institutionen und öffentlicher Finanzen verantwortlich, mit seinem Konfliktcharakter habe er nahezu das ganze Land gegen sich aufgebracht, bekräftigte Sulik. Die Spannungen waren eskaliert, nachdem der Finanzminister ein Inflationshilfspaket für Familien trotz strikter Ablehnung der SaS mit Hilfe von Rechtsextremisten im Parlament durchgesetzt hatte. Die Liberalen bezeichneten die Hilfe in Gesamtumfang von 1,2 Milliarden Euro im kommenden Jahr als viel zu kostspielig und nicht ausgerichtet für Bedürftige.

Die Olano ließ die Frist ergebnislos verstreichen und beschuldigte ihrerseits die Liberalen, vor der Verantwortung in der aktuellen Inflations- und Energiekrise wegzulaufen.

Die vier SaS-Minister, verantwortlich für die Ressorts Wirtschaft, Justiz, Bildung und Äußeres, hatten in der Folge Rücktritte eingereicht. Die verbliebenen drei Parteien der konservativ-populistischen Koalition einigten sich daraufhin auf eine Neubesetzung der frei gewordenen Posten mit parteilosen Experten.