Eine Person hält eine Halbleiterscheibe
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Milliardeninvestitionen

Europa im Wettlauf um Chipproduktion

Zwar dominieren Taiwan, die USA und China die Chipherstellung, aber Europas Aufholjagd soll durch EU-Investitionen Fahrt aufnehmen. Grund dafür sind nicht zuletzt pandemiebedingte Herstellungs- und Lieferengpässe. Im Wettlauf um die Chipproduktion geht es jedoch nicht nur um finanzielle Investitionen.

Der Halbleitermarkt könnte laut Schätzungen des internationalen Beratungsunternehmens McKinsey bis 2030 zu einer Billionen-Dollar-Industrie werden. Das weltweite Zentrum der Chipherstellung ist Taiwan, bei Spitzentechnologien wie etwa der Herstellung von Halbleitern unter zehn Nanometern hält Taiwan mehr als 90 Prozent des weltweiten Marktanteils.

Nicht zuletzt die Engpässe im Zusammenhang mit der Pandemie haben viele Länder dazu veranlasst, ihre Chipproduktion zu stärken. In nahezu allen technischen Produkten stecken Halbleiter, beispielsweise in Autos und Smartphones, aber auch Windkraftanlagen und Kühlschränken. Damit spielt die Chipherstellung auch eine wichtige Rolle für die Energiewende und Digitalisierungsprojekte.

Mindestens 81 neue Chipfabriken sollen zwischen 2021 und 2025 gebaut werden. Laut Daten des Halbleiterindustrieverbands SEMI vom September sollen zehn der Produktionsstätten in Europa entstehen, 14 in den USA und 21 in Taiwan.

EU-Kommission will 43 Milliarden in Chipindustrie pumpen

Anfang des Jahres kündigte die EU-Kommission an, mit dem „Chips Act“ rund 43 Milliarden Euro für die Chipindustrie zu mobilisieren. Bis 2030 will man den Marktanteil der EU an der weltweiten Chipproduktion auf 20 Prozent steigern, also mehr als verdoppeln. Mit den Investitionen will Brüssel zudem große Chiphersteller dazu bewegen, Fabriken in der EU zu errichten. Im Zuge einer Investition des US-Chipriesen Intel entstehen etwa in Deutschland zwei riesige neue Halbleiterfabriken.

Werk des Halbleiterproduzenten Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) in Nanjing (China)
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Auch in China hat der größte Chiphersteller Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) gigantische Standorte

Dem Plan der Kommission muss zunächst erst das EU-Parlament zustimmen, bevor Details mit den Mitgliedsstaaten verhandelt werden können. Die europäischen Gesetzgeber warnten etwa, dass die Pläne der EU für Chips die Mittel für andere potenzielle Projekte auffressen, schreibt Politico. Karlo Ressler, federführendes Mitglied des Parlaments in dieser Frage, sagte, es sei „bedauerlich“, dass das Budget für Chips auf der Entnahme von Geldern aus anderen Bereichen beruhe.

Hoch entwickelte Chipherstellungsanlagen seien eine der verborgenen Stärken Europas, schreibt die „Financial Times“ („FT“). Doch die Infrastruktur in Europa ist noch lückenhaft. Denn die Herstellungsfabriken sind zwar grundsätzlich breit aufgestellt und gut vernetzt, aber vor allem im Bereich der Entwicklung und Forschung hat Europa noch aufzuholen.

Personalmangel bremst Entwicklung

Die Kapazitäten der Chipentwicklung in Europa sind sowohl in ihrer Präsenz als auch in ihrem Umfang begrenzt. Grund dafür ist nicht zuletzt auch das fehlende Personal.

Unternehmen wie das deutsche Unternehmen Infineon, Edwards Vacuum in Großbritannien und AT&S in Österreich, einer der führenden Anbieter von High-End-Chipsubstraten, auf denen Halbleiter montiert werden, haben alle gewarnt, dass ausländische Talente für die weitere Entwicklung und Nachhaltigkeit der europäischen Halbleiterindustrie entscheidend sein werden.

Der Vorstandsvorsitzende von AT&S, Andreas Gerstenmayer, sagte zur „FT“, sein Unternehmen habe Schwierigkeiten, die 800 Fachkräfte zu finden, die es für sein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum in Österreich benötigt. AT&S müsse sich weltweit um Talente bemühen, weil die heimische Erfahrung und Technologie noch nicht vorhanden seien.

AT&S-Werk in Leoben
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Im AT&S-Werk in Leoben werden Leiterplatten und Substrate für Halbleiter entwickelt und gefertigt

Auch geopolitischer Wettkampf

Momentan spielt sich noch ein Großteil der Chipherstellung, besonders bei den leistungsstärksten Halbleitern, die etwa in Laptops und Handys verbaut werden, in Asien ab. Der weltweit größte Chiphersteller ist TSMC. Für die USA und Europa ist der Standort Taiwan aber aufgrund des Konflikts mit China besonders problematisch.

Denn die Angst einer chinesischen Militärintervention in Taiwan wächst nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Die US-Regierung hat daher zahlreiche Sanktionen – darunter ein Chip-Ausfuhrverbot – gegen China erlassen, auch um die militärische Nutzung der mit amerikanischer Technologie produzierten Halbleiter zu verhindern. Als Reaktion auf das Embargo will China seiner Chipbranche mit umgerechnet 136 Milliarden Euro unter die Arme greifen.

Gleichzeitig wollen die USA und Japan auch Anreize für den Ausbau der Chipproduktion in ihren Ländern schaffen. So schnürten die USA ein Investitionspaket von rund 49 Milliarden Euro. Das japanische Gemeinschaftsunternehmen von Technologiefirmen wie Sony und NEC, Rapidus, will gemeinsam mit US-Technologiekonzern IBM in den kommenden Jahren in Japan eine Fertigungsanlage für hochmoderne Computerchips aufbauen. Rapidus-Chef Atsuyoshi Koike bezifferte die Ausgaben im Rahmen der Kooperation auf umgerechnet mehrere Milliarden Euro.