Elon Musk
AP/Matt Rourke
„Rote Linie“

EU droht Twitter mit baldigen Sanktionen

Nach der Twitter-Sperrung mehrerer US-Journalistinnen und -Journalisten hat die EU dem Unternehmen von Elon Musk langfristig mit Sanktionen gedroht. Es gebe „rote Linien“, und die aktuellen Entwicklungen seien „besorgniserregend“, so EU-Vizekommissionspräsidentin Vera Jourova am Freitag. Kritik kam auch aus Österreich und Deutschland sowie von den betroffenen Medien selbst und den Vereinten Nationen.

„Die Nachrichten über die willkürliche Suspendierung von Journalisten sind besorgniserregend“, schrieb Jourova am Freitag auf Twitter. Sie verwies auf das Gesetz über digitale Dienste, das die Achtung der Medienfreiheit und der Grundrechte vorsehe.

Es war im vergangenen Jahr vom EU-Parlament verabschiedet worden und soll besonders die sehr großen Onlinekonzerne in der EU stärker regulieren. Das Gesetz über digitale Dienste werde durch ein EU-Gesetz zur Medienfreiheit bestärkt. Musk solle sich dessen bewusst sein, so Jourova weiter. „Es gibt rote Linien. Und bald Sanktionen.“

UNO: Gefährlicher Präzedenzfall

Die Vereinten Nationen zeigten sich ebenso zutiefst beunruhigt. Reporterinnen und Reporter dürften auf einer Plattform, die vorgebe, ein Raum für Meinungsfreiheit zu sein, nicht durch die willkürliche Sperrung von Konten zum Schweigen gebracht werden, sagte UNO-Sprecher Stephane Dujarric heute in New York.

„Aus unserer Sicht schafft der Schritt einen gefährlichen Präzedenzfall zu einer Zeit, in der Journalisten auf der ganzen Welt Zensur, körperlichen Drohungen und noch Schlimmerem ausgesetzt sind“, so Dujarric. Man habe in letzter Zeit einen sehr besorgniserregenden Anstieg von Hassreden, Desinformationen zum Klima und anderen Themen auf Twitter gesehen, so Dujarric weiter. Man bleibe mit Twitter deshalb weiter in Kontakt, werde die Plattform aber weiterhin nutzen, um faktisch korrekte Informationen zu teilen.

Pressefreiheit nicht einfach „ein- und ausschalten“

In Österreich meinte Grünen-Mandatar Michel Reimon: „Wenn Twitter nun JournalistInnen sperrt, die kritisch über Musk berichten, zeigt das eines: Es braucht eine öffentlich-rechtliche Grundstruktur bei Plattformen ähnlich der BBC-Idee bei Radio und TV.“

Kritik kam etwa auch aus Deutschland. Das Außenministerium in Berlin kritisierte die Sperrungen am Freitag. Es twitterte Screenshots der gesperrten Accounts und schrieb dazu: „#Pressefreiheit darf nicht nach Belieben ein- und ausgeschaltet werden.“ Die betroffenen Journalisten könnten nun auch dem deutschen Außenministerium nicht mehr folgen, es nicht kritisieren und kommentieren. „Damit haben wir ein Problem @Twitter.“

Unzufrieden über Berichte?

Zuvor hat Twitter die Konten mehrerer Journalisten und Journalistinnen gesperrt, die über das Unternehmen und Musk berichtet hatten. Betroffen war am Donnerstag (Ortszeit) mehr als ein halbes Dutzend Journalistinnen und Journalisten, wie US-Medien berichteten. Einige von ihnen hatten noch am Vortag über die Sperrung eines Nutzerkontos berichtet, auf dem alle Flüge Musks dokumentiert wurden.

Andere hatten kritisch über das Vorgehen Musks bei Twitter berichtet, wie etwa die „New York Times“ schreibt. Viele der Journalistinnen und Journalisten hatten Zehntausende Follower auf Twitter, hieß es weiter. Twitter gab keine Gründe an, warum die Konten der Journalistinnen und Journalisten gesperrt wurden. Die Betroffenen arbeiten unter anderem für renommierte Medien wie CNN, die „New York Times“ und die „Washington Post“. Auch frei arbeitende Journalisten und Journalistinnen waren betroffen.

Besorgniserregend – aber nicht überraschend"

„Die plötzliche und ungerechtfertigte Sperrung von Journalisten inklusive Donie O’Sullivan von CCN ist besorgniserregend – aber nicht überraschend“, erklärte der Fernsehsender. „Twitters zunehmende Instabilität und Volatilität sollte große Bedenken bei jedem auslösen, der die Plattform nutzt.“ CNN fordere eine Erklärung von Twitter und mache davon die Reaktion auf den Vorfall abhängig.

Twitter-Gebäude in San Francisco
Reuters/Carlos Barria
Die Twitter-Zentrale in San Francisco

Konto über Flugbewegungen zuvor gesperrt

Am Mittwoch war das vom Studenten Jack Sweeney angelegte Konto gesperrt worden, der mit Hilfe eines automatisierten Computerbots öffentlich zugängliche Flugdaten auswertete, um die Flugbewegungen von Musks Jets zu ermitteln und zu dokumentieren. Musk schrieb in einem Tweet am Mittwochabend, dass der einige Stunden zuvor deaktivierte Bot-Account gegen die Nutzerrichtlinien der Internetplattform verstoßen habe.

Musk sprach sich auch gegen das Posten von Links, die den Flugverkehr live verfolgen, aus. Insgesamt wurden laut „New York Times“ 25 Konten in dem Fall gesperrt. Musk erwägt zudem offenbar rechtliche Schritte. Dabei hatte der Twitter-Chef noch im November verkündet, er sehe sich der Redefreiheit so sehr verpflichtet, dass er das Konto erlaube, obwohl es ein Risiko für seine Sicherheit darstelle. So wurden laut Medien denn auch Links auf den Twitter-Rivalen Mastodon gesperrt.

Medien: Gremium gegen Hassbotschaften aufgelöst

Der Multimilliardär Musk – derzeit der zweitreichste Mensch der Welt hinter dem französischen Luxusgütermogul Bernard Arnault – hat Twitter seit der Übernahme Ende Oktober ins Chaos gestürzt. Er entließ das Spitzenmanagement und rund die Hälfte der Belegschaft und schaltete gesperrte Konten wie jenes des früheren US-Präsidenten Donald Trump wieder frei. Kritiker befürchten, dass unter Musks Führung auf Twitter Hassbotschaften und Falschinformationen rasant zunehmen könnten.

So löste US-Medien zufolge Twitter ein Gremium auf, das den Kurznachrichtendienst im Umgang mit Hassbotschaften und anderen Problemen auf der Plattform beraten hatte. Der Beirat war 2016 gegründet worden. Mitglieder waren Vertreter der Zivilgesellschaft, etwa von Menschenrechts- und Jugendschutzorganisationen.

Ihre Aufgabe war es, das Unternehmen bei der Weiterentwicklung von Produkten und Regeln zu beraten. Die AP zitierte aus einer E-Mail, wonach Twitter nun prüft, wie „Außenansichten“ am besten eingebracht werden können. Der Beirat sei dafür nicht das richtige Mittel. Twitter werde aber schneller als bisher dafür sorgen, dass die Plattform informativ und sicher sei, hieß es in der Mail.