Schwere Vorwürfe gegen ORF-NÖ-Landesdirektor Ziegler

Mit Verweis auf interne Dokumente, Chats und Mails haben „Der Standard“ und „Die Presse“ gestern Abend (Onlineausgaben) schwere Vorwürfe gegen den Direktor des ORF-Landesstudios Niederösterreich, Robert Ziegler, erhoben.

In der „Presse“ war die Rede von „systematischen Interventionen, ‚Pflicht‘-Interviews und einer ÖVP Niederösterreich, die den ORF für sich als Plattform nutzt“. Der „Standard“ ortet das „Sittenbild eines eng mit der Landespolitik verwobenen“ Rundfunks. Die Unterlagen stammen den Angaben zufolge aus Zieglers Zeit als Chefredakteur des Landesstudios und liegen eigenen Angaben zufolge auch dem deutschen „Spiegel“ vor.

Im Kern umfassen die Vorwürfe Zieglers Umgang mit Interventionen der Landespolitik, aber auch eine wohlwollende Berichterstattung für landesnahe Unternehmen und Kooperationspartner – und seien etwa laut „Presse“ „von mehreren Redakteuren bestätigt“. Im Landesstudio in St. Pölten herrsche eine „beispiellose Distanzlosigkeit zwischen Journalismus und Politik“, zitierte der „Spiegel“ in diesem Zusammenhang einen namentlich nicht genannten ORF-Mitarbeiter.

„Vorwürfe müssen untersucht werden“

Ziegler habe mit Hinweisen, die als Wünsche zu verstehen gewesen seien, auf die politische Berichterstattung eingewirkt, hieß es dazu beim „Standard“. Als ein Beispiel angeführt wird, dass Ziegler zur Berichterstattung über den Leopolditag 2020 minutiöse Hinweise gegeben habe, wie ein Video von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) auszuwerten sei.

In einen ZIB-Kulturbeitrag wollte Ziegler nachträglich einen O-Ton Mikl-Leitners eingebaut haben, wie die Zeitung am Beispiel einer an sich bereits bekannten Causa berichtete. Fälle wie dieser hätten bereits Folgen gehabt und zu einer Änderung des ORF-Redaktionsstatuts geführt, sagte dazu ORF-Redaktionsratsvorsitzender Dieter Bornemann, der gleichzeitig klarstellte: Wie ein Beitrag journalistisch korrekt gemacht wird, sei ausschließlich Sache von Redakteurin bzw. Redakteur.

Die Causa ließ auch im Landesstudio Niederösterreich die Wogen hochgehen. Es dürfe nun zu keiner „pauschalen Vorverurteilung der gesamten Redaktion kommen“, so die Redaktionssprecher des ORF Niederösterreich. Die Redaktionsvertretung stellte zudem außer Frage, dass die medial kursierenden Vorwürfe natürlich untersucht werden „sollen und müssen“.

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„Dem wird selbstverständlich nachgegangen“

Der ORF verfüge über „starke Instrumentarien, die die Unabhängigkeit der Berichterstattung und seiner Redakteurinnen und Redakteure absichern“, teilte die ORF-Generaldirektion dazu mit. Diese seien durch das von Generaldirektor Roland Weißmann mit dem Redaktionsrat neu verhandelte Redaktionsstatut heuer weiter verbessert worden.

Was die anonym erhobenen Vorwürfe gegen Ziegler betreffe, werde diesen seitens des Unternehmens selbstverständlich nachgegangen. ORF-intern seien bisher allerdings keinerlei Beschwerden gegen den damaligen Chefredakteur Ziegler bekannt, auch nicht „die angeblichen Belege, auf die sich die heutigen Presse-Berichte stützen“.

Ziegler sprach in einer ersten Reaktion von diffusen und nicht nachvollziehbaren Vorwürfen: „Ich kenne das angebliche Konvolut an Belegen nicht. Ich habe sechs Jahre nach bestem Wissen und Gewissen die Redaktion geleitet. Die Redaktion des LS NÖ leistet tolle und erfolgreiche Arbeit. Unabhängig, selbstständig und hoch qualifiziert.“

„Nicht akzeptabel“

Für die SPÖ Niederösterreich sind die erhobenen Vorwürfe unterdessen ein weiterer Beleg, „wie die ÖVP NÖ und ihre Getreuen sich das Land untereinander aufzuteilen versuchen“. Wie SPÖ-NÖ-Landesgeschäftsführer Wolfgang Kocevar per Aussendung weiter mitteilte, sei es „nicht akzeptabel, wenn ein Chefredakteur eines öffentlich-rechtlichen Senders versucht, die politische Meinung seiner Zuschauer durch einseitige Hofberichterstattung zu beeinflussen“. SPÖ-NÖ-Landesparteichef Franz Schnabl sprach per Aussendung von einer überschrittenen Grenze und forderte auch den Rücktritt von Mikl-Leitner.

„Was alle immer schon vermutet haben, konnte durch eine Geschichte des ‚Standard‘ nun schwarz auf lachsrosa aufgedeckt werden“, teilte FPÖ-NÖ-Landesparteichef Udo Landbauer per Aussendung mit: „Dieser Medienskandal zeigt einmal mehr, dass sich das System ÖVP wie ein schwarzer Faden durch alle Instanzen zieht.“ Sollten die nun veröffentlichten Mails der Wahrheit entsprechen, „steht es leider für das Sittenbild der ÖVP und ihre Vereinnahmung von Institutionen“, so die Sprecherin von Niederösterreichs Grünen, Helga Krismer, die per Aussendung Zieglers Rücktritt forderte.

Verweis auf Message Control

Auch auf Bundesebene sorgten die Berichte für Aufregung: SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried forderte restlose Aufklärung und sprach von einem „weiteren Beleg dafür, dass das Korruptionssystem ÖVP mit Machtmissbrauch und Message Control in der ÖVP NÖ perfektioniert wurde und wird und unter ÖVP-Chef Karl Nehammer unvermindert weiter besteht“.

Für NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos muss die ÖVP sich jetzt „klar bekennen, ob sie weiter den ganzen Staat und alle Institutionen mit in den Abgrund reißen will – oder bereit ist, für Aufklärung und echte Reformen zu sorgen“.