Schneeleopard
Getty Images/Cristin McKee
Artenschutzkonferenz

Ringen um Abkommen mit Biss

Die Verhandlungen bei der UNO-Weltnaturkonferenz in Kanada biegen in die Zielgerade ein, am Montag soll die Konferenz in Montreal zu Ende gehen. Ob es dann auch ein relevantes Abschlussdokument geben wird, war am Wochenende aber noch offen. Während Umweltschutzorganisationen bereits vor einem Scheitern warnen, versuchten sich manche Länder in Appellen und eigenen Initiativen.

Ein Großteil der fast 200 Teilnehmerstaaten ist inzwischen auf Ministerebene vertreten. Für Österreich reiste Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) nach Kanada. „Jetzt geht es darum, entschlossen zu verhandeln – und ein gutes Ergebnis festzuzurren“, hieß es von Gewessler am Samstag in einem Statement. „Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten – alle anderen müssen das aber auch tun“, so die Ministerin.

Österreich ist einer von 116 Staaten, die sich in einer „High Ambition Coalition for Nature and People“ zusammengeschlossen haben. Die Koalition macht sich besonders für die Umsetzung des 30-Prozent-Schutzziels stark. Dieses sieht vor, dass bis 2030 weltweit 30 Prozent der Meeres- und Landesfläche unter Schutz gestellt werden, so das Klimaschutzministerium.

Delegierte in Montreal
AP/The Canadian Press/Ryan Remiorz
Vertreterinnen und Vertreter von fast 200 Staaten nehmen an der Konferenz in Montreal teil

Über dieses Ziel wird in Montreal derzeit aber noch heftig verhandelt – und wie so oft sind es unter anderem die Details, bei denen es sich spießt. In den Texten für ein mögliches Abkommen sind viele Punkte noch als ungeklärt eingeklammert. So steht in den Entwürfen etwa, dass die entsprechenden Gebiete „vollkommen“ oder „stark“ unter Schutz gestellt werden sollen. Nicht alle Staaten sind mit solchen Formulierungen glücklich und wünschen sich weniger konkrete Formulierungen.

Warnung vor Scheitern

Umweltschutzorganisationen warnen ob solcher Streitpunkte bereits vor einem Scheitern der Verhandlungen. Die Zeit für ein globales Abkommen, das „den Verlust unserer Arten und Lebensräume aufhält und umkehrt“, verrinne „immer schneller“, erklärte am Samstag etwa der Präsident des Naturschutzbunds Deutschland (NABU), Jörg-Andreas Krüger.

„In den bisherigen Verhandlungen wurde das anfängliche Ambitionsniveau für den globalen Schutz und Erhalt der Biodiversität Stück für Stück abgesenkt. Der Erfolg der Weltnaturkonferenz wird dadurch infrage gestellt.“ Die Minister müssten der Konferenz nun „neuen Schwung verpassen“, forderte Krüger. Bisher fehle der politische Wille, sagte auch Florian Titze vom WWF – aber: „Noch ist nichts verloren.“

Forderung nach finanzieller Unterstützung

Ein entscheidender Streitpunkt ist einmal mehr das Geld. Viel hängt an der Frage, ob die Industriestaaten ihre finanzielle Unterstützung für Entwicklungsländer maßgeblich erhöhen. Viele Länder sehen entsprechende Finanzhilfen als Grundvoraussetzung, um die in Montreal diskutierten Umweltziele erreichen zu können. Eine Gruppe von Entwicklungs- und Schwellenländern, angeführt von Brasilien, verließ die Verhandlungen aus Protest sogar zeitweise.

COP15-Logo in Montreal
APA/AFP/Andrej Ivanov
Bisweilen war die Stimmung zwischen den Verhandlern unterkühlt

Brasilien, eines der diplomatischen Schwergewichte auf der Konferenz, fordert zusammen mit Indien, Indonesien und afrikanischen Staaten finanzielle Unterstützung in Höhe von mindestens 100 Milliarden Dollar pro Jahr seitens der reicheren Länder. Das wäre das Zehnfache der derzeitigen Summe, die zur Stärkung der Biodiversität aus Industrie- in Entwicklungsländer fließt – und entspräche den zugesagten, aber noch nicht vollständig ausgezahlten 100 Milliarden Dollar für den Kampf gegen die vom Menschen verursachte Erderwärmung.

Initiative soll Bewegung in Verhandlungen bringen

Zur Lösung dieses Problems soll eine Initiative beitragen, deren Start das deutsche Umweltministerium am Samstag bekanntgab. Mit der neuen Partnerschaft („NBSAP Accelerator Partnership“) sollen Entwicklungsländer dabei unterstützt werden, ihre nationale Umweltpolitik an die globalen Umweltschutzziele anzupassen.

Deutschland werde die gemeinsam mit Kolumbien und anderen Staaten auf den Weg gebrachte Partnerschaft mit 29 Millionen Euro unterstützen, so das deutsche Umweltministerium. Das sei „eine unverzichtbare Investition in unsere gemeinsame Zukunft und die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen“, sagte die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne).

Appelle von Macron und Xi

Am Samstag forderte auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem ehrgeizigen Abkommen auf. Man solle keine kleinen Entscheidungen treffen, sondern das Maximum tun, schrieb er auf Twitter. „Lassen Sie uns das ehrgeizigste Abkommen zusammenbringen, das möglich ist. Die Welt braucht es“, so Macron.

Tags zuvor hatte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping noch einmal zum Konsens für einen besseren Artenschutz aufgerufen. „Wir müssen einen globalen Konsens über den Schutz der Biodiversität aufbauen“, sagte Xi per Videozuschaltung. Die Ambitionen müssten in Taten umgewandelt werden. Auch müssten die Entwicklungsländer beim Aufbau ihrer Fähigkeiten zum Artenschutz unterstützt werden, so Xi.

Der chinesische Staatschef steht der Konferenz offiziell vor. Der Gipfel, der der auch unter dem Kürzel COP15 läuft, hätte – bereits 2020 – eigentlich in China stattfinden hätte sollen. Wegen der CoV-Pandemie wurde er allerdings verschoben und auch von China nach Kanada verlegt. Ein erster Verhandlungsteil fand im Oktober hauptsächlich online im südwestchinesischen Kunming statt, nun gefolgt von dem Treffen in Montreal.

Ziel der Weltnaturkonferenz ist ein Abkommen zur Biodiversität, das ähnlich bedeutend ist wie das 2015 abgeschlossene Pariser Klimaabkommen. Die Zeit drängt: 70 Prozent der Ökosysteme der Welt sind geschädigt, größtenteils aufgrund menschlicher Aktivitäten. Mehr als eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Auf dem Spiel steht auch die wirtschaftliche Zukunft der Menschheit. Mehr als die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung hängt einer Berechnung des Weltwirtschaftsforums zufolge von der Natur ab.

WWF kritisiert Österreichs Umgang mit Natura-2000-Gebieten

Die Umweltschutzorganisation WWF kritisierte unterdessen die Säumigkeit Österreichs in Sachen Schutzgebiete im eigenen Land. Österreich scheitere „noch immer an der Umsetzung des europäischen Schutzgebiets-Netzwerks Natura 2000“, hieß es in einer Aussendung. „Wegen der mangelhaften Grundlagen wurden unzählige Infrastrukturprojekte in Natura-2000-Gebieten von vornherein falsch bewertet“, kritisierte WWF-Gewässerschutzexperte Gerhard Egger.

Der WWF Österreich forderte einen Stopp von Bauprojekten in Natura-2000-Gebieten. Das betreffe vor allem Wasserkraftprojekte, wie zum Beispiel an Kamp und Ybbs in Niederösterreich oder im Einzugsgebiet der Osttiroler Isel. Die EU-Kommission habe im September ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Österreich bleibe noch bis Ende Jänner Zeit, um darauf zu reagieren.