ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian in der ORF-„Pressestunde“
ORF
Katzian zu Fachkräftemangel

Geld nicht einziger Schlüssel

Die Herbstlohnrunde ist in fast allen Branchen abgeschlossen und der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Wolfgang Katzian, hat sich in der ORF-„Pressestunde“ am Sonntag zufrieden gezeigt. Die Sozialpartnerschaft habe „einen guten Job gemacht“. Offene Baustellen gebe es dennoch, etwa den angepeilten Mindestlohn von 2.000 Euro. Der Fachkräftemangel lasse sich aber nicht nur durch Geld beheben, so Katzian.

In einigen Branchen seien aktuell noch Kollektivvertragsverhandlungen im Laufen, in den Brauereien und im Privatbusbereich, so Katzian. Mit den bisherigen Abschlüssen sei er aber sehr zufrieden. Trotz „Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen“ seien die Ergebnisse in Zeiten einer hohen Inflation gut. Auch die für österreichische Verhältnisse ungewöhnlich starke Maßnahme eines ganztägigen Bahnstreiks im Dezember sei eine notwendige Druckmaßnahme gewesen: „Wir sind nicht dafür bekannt, dass wir die Streikhansln sind“, erklärte der oberste Gewerkschafter – auf dem Verhandlungsweg sei das Ergebnis vorerst nicht möglich gewesen.

Nach der Herbstlohnrunde werde es nun im Frühjahr Zeit sein, Bilanz zu ziehen. Im Fokus stehe dann auch die Forderung nach einem Mindestlohn von 2.000 Euro brutto für alle Branchen. „Wenn es nicht am Verhandlungsweg geht, werden wir uns Maßnahmen und Aktivitäten überlegen“, so Katzian. Aktuell seien die Unterschiede groß, es gebe Branchen, in denen die niedrigsten Gehälter deutlich über dieser Grenze liegen, einige wenige seien noch darunter. Im Handel wurde das Ziel in der vergangenen Verhandlungsrunde noch nicht erreicht, dort liege der Mindestlohn etwa noch bei 1.945 Euro.

Forderung nach einem Mindestlohn

Forderung nach Preisdeckel bekräftigt

Angesprochen auf seine Forderung nach einem Mietpreisdeckel erklärte Katzian, dass es ihm „auf den Hammer gehe“, dass Preisdeckel als „Gießkannenlösung“ abgetan würden. „Dieselbe Diskussion“ hätte es auch bei der ÖGB-Forderung nach einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs gegeben. Der Wocheneinkauf sei um 14 Prozent teurer geworden. Man könnte auch nicht so tun, „als wären nur die Ärmsten der Armen von der Inflation betroffen“. 

Dass die Europäische Zentralbank (EZB) unterdessen erneut den Leitzins auf nunmehr 2,5 Prozent erhöht hatte, werde zudem dazu führen, dass nun viele Kreditnehmer Probleme bei der Rückzahlung bekommen werden: „Da werden wir noch eine ordentliche Gaudi haben.“

Den Strompreisdeckel begrüßte Katzian zwar, er forderte aber Gleiches für alle Heizformen – Gas, Pellets, Öl etc. – und zudem Strompreismaßnahmen für Wärmepumpen. „Die Leute drehen schön langsam durch“ angesichts „unmoralisch hoher“ Gasvorschreibungen oder enormer Stromkosten, weil sie – um „die Welt zu retten“ – auf Wärmepumpen umgestiegen sind, warnte der Gewerkschaftschef. „Da muss uns etwas einfallen“ und zwar nicht nur für vulnerable Gruppen.

Bessere Arbeitsbedingungen gegen Fachkräftemangel

Für den um sich greifenden Fachkräftemangel sieht Katzian die Unternehmen in der Pflicht, die bessere Arbeitsbedingungen bieten müssen. Das hänge nicht immer nur mit den Löhnen zusammen – „gute Arbeitsbedingungen haben nicht immer mit dem Geld zu tun“, führte er aus: auch Schichtpläne, Arbeitszeiten und ähnliche Faktoren seien maßgeblich.

Konjunkturprognose und Arbeitskräftemangel

Weiters sei der Fachkräftemangel hausgemacht: Manche Berufe seien etwa seit Jahren auf der Mangelberufsliste und dennoch sei nicht durch eine Ausbildungsoffensive gegengesteuert worden. „Deshalb würde ich vorschlagen, dass wieder mehr Menschen ausgebildet werden müssen“, so Katzian. Das Erfolgsmodell der dualen Lehrlingsausbildung, die sich andere Länder – etwa die USA – als Vorbild nehmen würden, müsse gestärkt werden. Die Zahlen der auf diesem Weg ausgebildeten Jugendlichen würden seit Jahren zurückgehen, hier brauche es eine Trendwende.

Katzian sprach sich auch dafür aus, jungen Asylwerbern, die gute Chancen auf den Verbleib im Lande haben, Zugang zu Arbeitsmarkt und Lehre zu geben. Zum Asylthema erklärte er weiters, dass Asyl nach der Flüchtlingskonvention „nicht verhandelbar“ sei. Aber es brauche eine gemeinsame europäische Vorgangsweise – und dazu offensichtlich „einen neuen Anlauf“. Vorstellbar sei für ihn, Asylanträge an der EU-Außengrenze abzuwickeln.

Katzian stellt sich im Juni der Wiederwahl

Der 66-jährige Katzian, seit 2018 Präsident des ÖGB, wird sich im Juni der Wiederwahl stellen. „Solange ich das Gefühl habe, es brennt ein Feuer“ und er die Leidenschaft habe, „dass ich etwas umsetzen will“, stehe er für die Funktion zur Verfügung – „wenn der Körper und die Familie es zulässt. Von beiden habe ich positive Signale.“

Auf die Frage, wie lange die Regierung seiner Meinung nach halten werde, erklärte Katzian, dass die türkis-grüne Koalition seiner persönlichen Einschätzung nach bis 2024 halten werde. Die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner habe seine volle Unterstützung und sei auch die Spitzenkandidatin für die nächste Nationalratswahl.

Fachkräftemangel: IV pflichtet Katzian bei

„Der Fach- und Arbeitskräftemangel trifft mittlerweile alle Branchen und Unternehmen durch die Bank, dabei haben wir es mit einem strukturellen Problem zu tun, denn in den kommenden Jahren werden rund 540.000 Fach- und Arbeitskräfte fehlen – das ist ungefähr die Einwohnerzahl des Bundeslandes Salzburg“, sagte Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV). „Es ist erfreulich, dass auch der ÖGB erkannt hat, dass es in diesem Bereich einen großen Handlungsbedarf gibt“, so der IV-Präsident. „Das Potenzial der Arbeits- und Fachkräfte zu heben, muss rasch gemeinsam angegangen werden.“

SPÖ unterstützt Katzian-Forderungen

Die SPÖ gab in einer Aussendung bekannt, dass man die Forderungen Katzians im Kampf gegen Inflation und Teuerung unterstütze. „Statt Einmalzahlungen, die schnell verpuffen, müssen von der Regierung endlich wirksame, preissenkende Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung umgesetzt werden. Wie der ÖGB-Präsident fordert auch die SPÖ einen Gaspreisdeckel, eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und einen Mietpreisdeckel." Bundeskanzler Karl Nehammer und Finanzminister Magnus Brunner (beide ÖVP) sollten endlich aktiv werden und nicht länger ignorieren, dass sich immer mehr Menschen, „bis tief in die arbeitende Mittelschicht hinein“, Heizen, Wohnen und Nahrungsmittel nicht mehr leisten könnten, so SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch.

FPÖ kritisiert Forderungen

Ablehnung für Katzians Aussagen kam von der FPÖ – und zwar zum Punkt Arbeitsmarktzugang für Asylwerber. Da sei der ÖGB-Präsident „ganz auf Linie mit österreicher- und arbeitnehmerfeindlichen Vorstößen von ÖVP und SPÖ“, meinte die stellvertretende Klubchefin Dagmar Belakowitsch. Die FPÖ lehnt die Zulassung von Asylwerbern ab, weil das Lohndumping „befeuern“ und als „weiterer Magnet“ für illegale Einwandernde wirken könne.