Insgesamt vier Vorsätze und 23 Zielsetzungen umfasst die Abschlusserklärung. Unter anderem wurde die Rolle indigener Völker und lokaler Gemeinden in weltweiten Naturschutzbemühungen betont, zudem setzt das Papier das Ziel, die Gefährdung von Mensch und Umwelt durch Pestizide bis 2030 zu halbieren und umweltschädliche Subventionen abzubauen.
Bis 2030 sollen weiters mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz gestellt werden. Außerdem soll mehr Geld für den Schutz der Artenvielfalt ausgegeben werden. Dafür sollen beispielsweise reichere Länder ärmeren Ländern bis 2025 rund 20 Milliarden Dollar jährlich zukommen lassen. Beobachter kritisierten nun, dass viele dieser Ziele zu weit in die Zukunft gesetzt und zu wenig qualitativ greifbar gemacht worden seien.
Ärmere Länder fordern mehr Geld
Vertreter einiger vor allem ärmerer Länder kritisierten weiters, dass zu wenige finanzielle Hilfen der reicheren Länder eingeplant worden seien. Diese Einwände seien nicht ausreichend ernst genommen worden, und die Verabschiedung sei am Ende auch gegen Widerstände durchgepeitscht worden, bemängelte beispielsweise der Vertreter der Demokratischen Republik Kongo.
Das Land steht mit seinem Regenwald für einen erheblichen Teil der Artenvielfalt der Welt und verlangte mehr Hilfe der reicheren Staaten für seinen Schutz. Auch Kamerun und Uganda sprachen von einem erzwungenen Abkommen und wollten die Einschätzung im Protokoll verankern lassen. Zwischenzeitlich hatte eine Gruppe von Entwicklungs- und Schwellenländern, angeführt von Brasilien, aus Protest die Verhandlungen sogar verlassen.
Der Ökologe Franz Essl von der Universität Wien sieht die gesamte Einigung grundsätzlich vorsichtig positiv: „Das Glas ist schon mehr als halb voll, aber sicher nicht voll.“ Wie bei allen derartigen Einigungen würden viele Fragen zur tatsächlichen Umsetzung der Zugeständnisse in den einzelnen Ländern bleiben, so Essl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien. Auch er sieht den Bedarf für einen gewissen Ausgleich bei Ländern mit wenigen finanziellen Mitteln, denn gerade dort würde sich ein großer Teil der Biodiversität konzentrieren. Es gebe eine „klare Verantwortung des Nordens“.
Gemischte Reaktionen von NGOS
Bei Vertretern von Nichtregierungsorganisationen stieß das Abkommen auf geteilte Reaktionen. Für Greenpeace Österreich stellt das Ergebnis einen faulen Kompromiss dar. Der starke und vollkommene Schutz von Gebieten, die ins 30x30-Ziel (Schutz von 30 Prozent der Land- und Meeresflächen) gezählt werden sollen, blieb demnach auf der Strecke. Zudem sei die Tür für Greenwashing weit geöffnet worden, indem Kompensationszahlungen als mögliche Finanzierungsquelle für den weltweiten Artenschutz akzeptiert seien.
Greenpeace forderte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) auf, den Artenschutz in Österreich entschieden voranzutreiben. Ein erster Schritt sei die rasche Umsetzung der Biodiversitätsstrategie durch die zuständigen Bundesländer.
Artenschutzkonferenz beschließt Erklärung
Die Staatengemeinschaft will bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz stellen. Auf diese weitere Maßnahme einigten sich am Montag die rund 200 Teilnehmerstaaten der Weltnaturkonferenz (COP 15) in Montreal. Neben dem Jubel der Teilnehmer und Teilnehmerinnen bei der Plenarsitzung kam von Nichregierungsorganisationen auch teils heftige Kritik.
Für Gewessler selbst sendet die Einigung „ein historisches Signal in die Welt. Wir machen den Schutz unserer Artenvielfalt – unserer Lebensgrundlage – zur Priorität“. Man wolle künftigen Generationen einen intakten und lebenswerten Planeten übergeben. Jetzt beginne aber die Umsetzung. Alle seien gefordert, den notwendigen Beitrag zu leisten, so die Umweltministerin.
„Natur muss mehr zählen als Profit“
„Die Natur muss endlich wieder mehr zählen als der Profit“, forderte Julia Herr, SPÖ-Umweltsprecherin, denn sonst könne der Schutz von Tier- und Pflanzenarten nicht gelingen. Da habe auch Österreich noch viel zu tun. „Der vorliegende Text ist jedenfalls ein Meilenstein im Kampf gegen die Biodiversitätskrise“, meinteNEOS-Umwelt- und Klimasprecher Michael Bernhard. Das Entscheidende sei jetzt, dass die unterzeichnenden Staaten rasch in die Gänge kommen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die Abschlusserklärung wie Veranstalter China als „historisches Ergebnis“. Es gebe für die Weltgemeinschaft nun einen „Fahrplan zum Schutz und zur Wiederherstellung der Natur und zu ihrer nachhaltigen Nutzung – für heutige und künftige Generationen“. In die Natur zu investieren bedeute auch, den Klimawandel zu bekämpfen. Es sei sehr positiv, dass es messbare Ziele ebenso wie Mechanismen gebe, um ihre Umsetzung zu finanzieren. „Jetzt ist es an der Zeit, dass alle Länder ihre Naturziele für 2030 und 2050 erreichen.“
WWF: Erfolg mit Schwächen
Der WWF sprach von einem Erfolg mit Schwächen, es sei ein „lückenhaftes, aber in wesentlichen Punkten brauchbares Abkommen“. Das wichtige Ziel, 30 Prozent der Land- und Meeresfläche zu schützen, sei enthalten, so WWF Österreich. „Der Erfolg steht und fällt aber mit dem politischen Willen, dieses Abkommen lückenlos umzusetzen sowie die nötige Finanzierung sicherzustellen“, so Artenschutzexperte Karim Ben Romdhane, der an der Konferenz teilnahm. Zu den Schwachstellen gehören laut WWF unter anderem die Regelungen für die verbleibenden Ökosysteme außerhalb von Schutzgebieten.
Der Umweltdachverband zeigte sich erfreut, dass eine „künftige weltweite Biodiversitätsstrategie“ beschlossen wurde. Der chinesischen Präsidentschaft sei für diesen Verhandlungserfolg durchaus Respekt zu zollen, so Gerald Pfiffinger, Geschäftsführer des Umweltdachverbandes.
Der 15. Weltnaturgipfel hätte ursprünglich schon 2020 in China stattfinden sollen, wurde dann aber wegen der anhaltenden pandemischen Lage dort verschoben und zerteilt. Auch davor wurde schon verhandelt. Der erste Verhandlungsteil fand im vergangenen Oktober hauptsächlich online im chinesischen Kunming statt. Bei der Konferenz in Montreal rangen schließlich knapp 5.000 Delegierte aus 193 Ländern zwei Wochen lang um das Abkommen. Von den schätzungsweise acht Millionen Tier- und Pflanzenarten auf der Erde sind laut Wissenschaftlern des Weltbiodiversitätsrats IPBES eine Million vom Aussterben bedroht.