Es ist das erste Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten, dass der Kongress einen ehemaligen Präsidenten zur strafrechtlichen Verfolgung überweist, schrieb die „New York Times“ („NYT“). In den vergangenen knapp 18 Monaten hatte der Ausschuss untersucht, wie es zum Sturm von Anhängern Trumps auf den Sitz des US-Kongresses am 6. Jänner 2021 kam, in dem damals die Wahlniederlage des Republikaners gegen Joe Biden beglaubigt werden sollte.
„Noch nie hat ein Präsident der Vereinigten Staaten einen gewaltsamen Versuch unternommen, die Machtübergabe zu blockieren“, sagte der Ausschussvorsitzende Bennie Thompson am Montag zu Beginn der Sitzung des Gremiums in der US-Hauptstadt Washington. Trump habe gewusst, dass er die Präsidentschaftswahl 2020 verloren habe.
„Am Ende rief er einen Mob nach Washington“, so der Demokrat Thompson weiter. Dafür müsste Verantwortung übernommen werden, die es nur im Strafrechtssystem geben könne. Die Abgeordnete Liz Cheney von den konservativen Republikanern sagte, Trump, der bereits in das Präsidentschaftsrennen 2024 eingestiegen ist, sei „ungeeignet“, jemals wieder ein öffentliches Amt zu bekleiden.

Trump und Sohn reagieren mit Kritik
Trump reagierte zunächst nur mit einem Satz auf seiner Onlineplattform Truth Social, in dem er Cheneys Namen falsch schrieb: „Aber Liz Chaney hat mit einem Rekord von 40 Punkten verloren.“
Der Ex-Präsident bezog sich dabei offensichtlich auf die deutliche Niederlage seiner schärfsten innerparteilichen Kritikerin bei Republikaner-Vorwahlen vor den Kongresszwischenwahlen vom 8. November. Trumps Sohn Eric bezeichnete den Untersuchungsausschuss auf Truth Social als „fanatisch parteiische Anti-Trump-Gruppe“ und als „Scheingericht“.
Empfehlung kann zu Anklage führen
Das Justizministerium entscheidet nun selbst, ob es gegen den Republikaner strafrechtlich vorgeht. Wann diese Entscheidung kommt, ist offen. Obwohl eine Empfehlung des Gremiums zwar keine rechtliche Bindung für das Justizministerium hat, könnte diese aber den Entscheidungsprozess beeinflussen und letztlich zu einer Anklage führen. Zudem inszenierte das Gremium die öffentlichen Anhörungen als TV-Spektakel – das dürfte bei vielen Menschen einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.
Mit Spannung wird in diesem Zusammenhang der für Mittwoch erwartete vollständige, wohl mehrere hundert Seiten umfassende Abschlussbericht zur Arbeit des Kapitol-Ausschusses erwartet.
Dieser werde sich wohl „eng an die Themen der einzelnen Anhörungen des Ausschusses halten“, wie unter anderem der US-Sender ABC am Montag prognostizierte. Der Bericht werde ein „umfassendes Bild“ der Ereignisse rund um den Anschlag auf das Kapitol zeichnen, so der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger. Welche Folgen der Ausschuss für Trump hat, bleibt offen – dennoch prognostizierte etwa die „NYT“ dem Ex-Präsidenten „eine Woche voller Kopfschmerzen“.
Strafverfahren gegen Trump empfohlen
Der Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das US-Kapitol hat die Justiz zu Strafverfahren gegen Ex-Präsidenten Donald Trump in vier Anklagepunkten aufgerufen. Die Abgeordneten warfen Trump bei einer öffentlichen Anhörung unter anderem Anstiftung bzw. Beihilfe zum Aufstand, Behinderung eines offiziellen Vorgangs und Verschwörung zum Betrug gegen die USA vor. Über ein Strafverfahren und eine mögliche Anklage muss nun das Justizministerium entscheiden.
Straftatbestand des Aufruhrs der schwerwiegendste
Das Justizministerium muss nun schauen, ob es genügend Beweise für eine Strafanzeige gegen den Republikaner hat. Der seltene Straftatbestand des Aufruhrs ist der schwerwiegendste. Er ist dem US-Gesetz zufolge erfüllt, wenn zum Aufstand gegen die Autorität des Staates oder der Gesetze angestiftet oder eine eigene Beteiligung daran vorliegt. Das wird mit einer Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu zehn Jahren oder mit beidem bestraft. Sollte Trump also wegen Aufruhrs verurteilt werden, dürfte er kein politisches Amt mehr ausüben.
Im Laufe der Untersuchungen wurde der heute 76-jährige Trump von Zeuginnen und Zeugen schwer belastet. Dazu zählten etwa Trumps ehemaliger Justizminister William Barr und Angestellte des Weißen Hauses. Als besonders spektakuläre Überraschungszeugin galt etwa Cassidy Hutchinson, eine ehemalige Mitarbeiterin im Weißen Haus. Sie warf Trump im Sommer vor, sich im Voraus über mögliche Gewalt am 6. Jänner 2021 im Klaren gewesen zu sein.
Bereits laufende Ermittlungen
Die US-Justiz führt bereits Ermittlungen gegen Trump, wobei Justizminister Merrick Garland erst Mitte November den Staatsanwalt Jack Smith zum Sonderermittler ernannte. Bei den Ermittlungen geht es einerseits um die Kapitol-Erstürmung bzw. grundsätzlich eine mögliche Behinderung des Machtwechsels nach der von Biden gewonnen Präsidentschaftswahl 2020. Ein weiterer Ermittlungsstrang dreht sich um Geheimdokumente, die Trump Anfang 2021 zum Ende seiner Amtszeit aus dem Weißen Haus in sein Privatanwesen Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida mitgenommen hatte.

„Auf Teufel komm raus“
Radikale Trump-Anhänger hatten am 6. Jänner 2021 das Kapitol gestürmt, um eine endgültige Bestätigung von Bidens Wahlsieg zu verhindern. Der Sturm auf den Kongress mit fünf Toten erschütterte die USA und sorgte international für Entsetzen. Das Repräsentantenhaus leitete damals ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump ein, das aber im Senat scheiterte.
Im Juli 2021 nahm dann ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss seine Arbeit auf, um die Hintergründe der Kapitol-Erstürmung aufzudecken. Das Gremium, dessen Arbeit mit Jahresende offiziell ausläuft, wurde gebildet, nachdem ein Versuch, eine unabhängige Kommission einzurichten, letztlich von den Republikanern blockiert wurde.
Die Mitglieder des Ausschusses – sieben Demokraten und zwei Republikaner – haben immer wieder deutlich gemacht, dass sie Trump für den Hauptverantwortlichen für die Gewalt halten. Der Rechtspopulist hatte sich nach der Wahl 2020 geweigert, seine Niederlage einzugestehen, und vielfach widerlegte Wahlbetrugsvorwürfe verbreitet. Am 6. Jänner 2021 rief er seine in Washington versammelten Anhänger auf, zum Kapitol zu marschieren und „auf Teufel komm raus“ zu kämpfen.