Klimaschutzministerin Leonore Gewessler
IMAGO/Michael Indra
EU-Gaspreisdeckel fix

Gewessler ortet „gewisses Risiko“

Nach monatelangem Ringen haben sich die Energieministerinnen und -minister der EU am Montag auf einen Marktkorrekturmechanismus für den Gaspreis verständigt. Der Preis soll künftig unter bestimmten Umständen gedeckelt werden. Bei diesem Beschluss enthielt sich Österreich der Stimme. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) begründete die Enthaltung mit einem „gewissen Risiko“, dass damit kein Gas mehr nach Europa kommen könnte.

Zwar könne der Gaspreisdeckel „helfen, die Preise zu senken“, doch sei im Vorfeld der Abstimmung vereinbart worden, dass die Maßnahme auf allen europäischen Handelsplätzen angewendet werde. „Hier stellt sich die Frage der Versorgungssicherheit“, so Gewessler am Dienstag im Ö1-Morgenjournal. Man sei in Österreich nach wie vor auf Pipelineerdgas aus Russland angewiesen.

Weil aber neben dem größten Gashandelsplatz TTF auch alle anderen Börsen unter die neue Regelung fallen, sei die Möglichkeit zum „Ausgleich“ weggefallen, sagte die Ministerin. Die Regelung sei aber „spezifisch“ für den größten Handelsplatz TTF „designt“ gewesen, so Gewessler, die Ausweitung auf die anderen Börsen bedeute ein „gewisses Risiko“ – darum die Enthaltung.

Auch Deutschland und Niederlande skeptisch

Die Fronten in dem Punkt waren zuvor verhärtet: Während 15 Staaten, darunter etwa Griechenland und Italien, eine strenge Obergrenze befürworteten, sorgten sich neben Österreich auch Deutschland und die Niederlande um die Versorgungssicherheit.

Die Befürchtung blieb bis zuletzt, dass bei einem Deckel Flüssigerdgas nicht mehr nach Europa kommen könnte. Bei einem Mangel würden dann Verteilungskämpfe unter den Staaten ausbrechen, die die EU vor eine Zerreißprobe stellen würden. Deutschland stimmte letztlich trotz seiner Bedenken über die Auswirkungen der Politik auf Europas Fähigkeit, Gaslieferungen auf den preislich konkurrenzfähigen globalen Märkten anzuziehen, für die Gaspreisobergrenze.

EU-Gaspreisdeckel: Keine Stimme von Österreich

Die EU-Energieministerinnen und -minister haben sich auf einen Gaspreisdeckel geeinigt. Österreich hat sich bei der Abstimmung enthalten.

Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) begründete seine Zustimmung mit verschiedenen Sicherheitsmaßnahmen, die vorgesehen sind. „Wir haben jetzt sehr viele Instrumente definiert, die die Gefahr eines unbedachten Effekts deutlich reduzieren“, so Habeck. Wenn dann Gas zurückgehe, wenn rationiert werden müsse oder wenn der Handel zurückgehe, werde der Mechanismus wieder ausgesetzt.

Wann der Preisdeckel ausgelöst wird

Konkret soll der Preisdeckel ausgelöst werden, wenn der Preis am Großhandelsplatz TTF drei Tage in Folge 180 Euro pro Megawattstunde überschreitet und gleichzeitig 35 Euro höher ist als der internationale Preis für Flüssiggas (LNG). Mit einer solchen Maßnahme wollen die EU-Energieminister die angesichts des Ukraine-Krieges hohen Strom- und Gaspreise gemeinsam bekämpfen.

Der regulierte Preis soll nicht bei 180 Euro festgelegt werden, sondern jederzeit 35 Euro über dem internationalen LNG-Preis liegen. Somit kann der Preis, wenn der Mechanismus ausgelöst wurde, auch über 180 Euro pro Megawattstunde liegen. Wird der Mechanismus ausgelöst, soll er für 20 Tage gelten. „Es handelt sich nicht um einen festen Deckel, sondern einen dynamischen Deckel“, sagte der tschechische Industrieminister Jozef Sikela. Der Mechanismus stelle sicher, dass der Preis nicht übermäßig über den tatsächlichen LNG-Preis hinausschieße.

Zuletzt lag der Gaspreis am Handelsplatz TTF am Montag bei 110 Euro pro Megawattstunde. Im August erreichte der Preis am TTF einen Höchststand von über 340 Euro pro Megawattstunde – allerdings nur kurzfristig, vor allem auch weil die Gasspeicher in der EU gut gefüllt werden konnten. Fachleute halten es für möglich, dass er nach einem harten Winter wieder auf über 200 Euro steigt, wenn die Staaten zum Frühjahr ihre Speicher füllen müssen. Das Vorhaben betrifft grundsätzlich Großkunden, die am TTF handeln – Verbraucherpreise werden indirekt durch die Preise im Großhandel beeinflusst.

„Ende der Marktmanipulation durch Russland“

Die Einigung der EU auf eine Gaspreisobergrenze bedeute ein Ende der Marktmanipulation durch Russland und Gasprom, sagte Polens Premierminister am Montag. „Bei den jüngsten Treffen in Brüssel ist es unserer Mehrheitskoalition gelungen, den Widerstand zu brechen – vor allem von Deutschland“, schrieb der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. „Das bedeutet das Ende der Marktmanipulation durch Russland und sein Unternehmen Gasprom.“

Moskau: Inakzeptabler Eingriff

Die Regierung in Moskau bezeichnet die geplante Gaspreisbremse der Europäischen Union einem Medienbericht zufolge als inakzeptabel. Das sei ein Angriff auf die Preisgestaltung durch den Markt, zitierte die Nachrichtenagentur Interfax Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow.