Menschenmenge
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Gender-Pay-Gap

Kaum Bewegung ohne Druck

Die Einkommenssituation zwischen den Geschlechtern in Österreich bleibt eine große Baustelle: Beim mittleren Bruttojahreseinkommen unselbstständig Beschäftigter klafft zwischen Männern und Frauen eine Lücke von über 13.000 Euro, wie der Rechnungshof (RH) aufzeigt. Hoffnung verspricht eine EU-Richtlinie, die größere Firmen künftig zu mehr Transparenz zwingt.

Die Gehälterkluft lässt sich nicht durch Freiwilligkeit schließen, so viel ist inzwischen klar. Einmal mehr bestätigt das auch der „Allgemeine Einkommensbericht 2022“ des RH, der zwölfte seiner Art. Er zeigt, dass sich die Gehälter von Männern und Frauen über die Jahre hinaufbewegen, allerdings parallel, eine Annäherung gibt es bei Vollzeitbeschäftigung kaum bis gar nicht. Bei Teilzeit stellt sich das Verhältnis anders dar: Vor wenigen Jahren verdienten Männer in Teilzeit durchschnittlich geringfügig weniger als Frauen. Inzwischen holten die Männer auf.

Laut RH lag das mittlere Bruttojahreseinkommen aller unselbstständig Beschäftigten 2021 bei 31.407 Euro. Männer verdienten 37.707 Euro und Frauen nur 24.309 Euro. Frauen verdienten 2021 in allen Beschäftigungsgruppen weniger als ihre männlichen Kollegen, am größten war der Unterschied allerdings unter Angestellten. Hier standen auf dem Lohnzettel brutto im Schnitt 35.302 Euro, Frauen erhielten 26.953 Euro, bei Männern waren es 49.642 Euro.

Grafik zum Einkommen in Österreich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Rechnungshof

Bei Beamten fast gleichauf

Das mittlere Bruttojahreseinkommen von Arbeiterinnen und Arbeitern lag 2021 bei 23.248 Euro, wobei Frauen 13.434 Euro und Männer 30.030 Euro verdienten. Vertragsbedienstete bekamen durchschnittlich 37.770 Euro, hier lag das Einkommen für Frauen durchschnittlich bei 34.134 Euro und für Männer bei 43.971 Euro. Beamtinnen und Beamte verdienten mit 60.974 Euro (Frauen) und 61.673 Euro (Männer) unterdessen nahezu gleich viel.

Ein großer Teil der Unterschiede zwischen Arbeiterinnen und Arbeitern sowie unter Angestellten lässt sich mit dem hohen Frauenanteil in Teilzeitbeschäftigung erklären. So waren im Jahr 2021 rund 81 Prozent der Teilzeitbeschäftigten Frauen, unter den Vollzeitbeschäftigten lag der Frauenanteil bei 33 Prozent.

Außerdem sind die Verdienstmöglichkeiten meist geringer in Branchen, in denen überwiegend Frauen tätig sind. Dazu zählen etwa das Gesundheitswesen, die Beherbergung und die Gastronomie. Zu den Branchen mit den höchsten Einkommen gehört die Energieversorgung, hier waren deutlich mehr Männer als Frauen beschäftigt.

Größte Unterschiede bei Lehrlingen

Auch auf allen Bildungsniveaus verdienten Männer 2021 deutlich mehr als Frauen – und es fällt auf: Um über dem Durchschnitt zu verdienen (45.522 Euro brutto für ganzjährig Vollzeitbeschäftigte), brauchten Frauen einen Uniabschluss, bei Männern reichte ein Fachschulabschluss.

Analyse zu Gehaltsunterschieden

Die Leiterin der Abteilung Frauen in der Arbeiterkammer, Ingrid Moritz, war zu Gast in der ZIB2 und erläuterte, warum die Gehaltsunterschiede von Männern und Frauen immer noch so hoch sind.

Die größten Einkommensunterschiede gab es zwischen Frauen und Männern, die eine Lehre absolviert haben (Frauen: 32.905 Euro, Männer: 44.515 Euro), knapp gefolgt von Hochschulabsolventinnen und -absolventen. Auch wenn Frauen eine Universität abschließen, verdienen sie mit 54.140 Euro signifikant weniger als ihre männlichen Kollegen mit 72.002 Euro. Ebenfalls weiter große Unterschiede gibt es bei den Pensionen. Während Männer im Durchschnitt 29.574 Euro brutto jährlich bekommen, liegt die mittlere Bruttojahrepension bei Frauen mit 18.638 Euro deutlich darunter.

Schlechtes Zeugnis für Österreich

Ähnliche Zustände waren auch im Lohnsteuerbericht der Statistik Austria vor wenigen Wochen zu beobachten. Männer stellten die Hälfte aller Lohnsteuerpflichtigen (50,3 Prozent), erhielten aber 60,6 Prozent der Bruttobezüge. Je höher die Bezüge, desto größer der Männeranteil.

In Österreich liegt der Gender-Pay-Gap trotz leichter Verbesserungen immer noch deutlich über dem europäischen Durchschnitt (13,0 Prozent). Laut Bundeskanzleramt betrug er 2020 18,9 Prozent, etwas mehr als in Deutschland (18,3 Prozent). Die Datenanalyse zeige, dass nur ein Drittel des Gender-Pay-Gap durch Merkmale wie Branche, Beruf, Alter, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit und Arbeitszeitausmaß erklärt werden kann.

Lohntransparenz aus Brüssel

Abhilfe soll nun endlich die neue Lohntransparenzrichtlinie der EU schaffen, zu der es Mitte Dezember eine Einigung zwischen Mitgliedsländern und Europaparlament gab. Beide Seiten müssen noch offiziell zustimmen, das gilt aber als Formsache.

Die Richtlinie sieht vor, dass Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelmäßig Daten zum Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen veröffentlichen müssen. Die Beschäftigten und ihre Vertretungen sollen zudem das Recht bekommen, Informationen über das durchschnittliche Lohnniveau von Menschen, die die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten, nach Geschlecht aufgeschlüsselt zu erhalten.

Wenn Arbeitgeber Verpflichtungen des Grundsatzes für gleiche Bezahlung nicht beachten, sollen Arbeitnehmende das Recht erhalten, Entschädigung zu verlangen. Wann die Umsetzung beginnt, ist offen.

Bis dahin gilt in Österreich weiterhin die Pflicht zur Erstellung eines Einkommensberichts für Unternehmen ab 150 Beschäftigten. Dieser Bericht muss alle zwei Jahre das durchschnittliche Einkommen aller in den jeweiligen Verwendungsgruppen und -jahren darstellen. Der Bericht ist dem Betriebsrat zu übermitteln. Wo es keinen Betriebsrat gibt, muss der Bericht für alle zugänglich aufliegen.