Junge auf einer überfluteten Straße in Karachi, Pakistan
Reuters/Akhtar Soomro
Klimakrise

2022 Extremwetter am laufenden Band

Hitzerekorde in Frankreich und Japan, Sturzfluten in Australien und Brasilien, Dürre in den USA und China: Die Klimakrise schlägt immer größere Wellen, und ihre Auswirkungen waren 2022 weltweit zu spüren. Die verursachten Schäden sind immens. Das wohl am härtesten getroffene Land war Pakistan.

Die Treibhausgasemissionen sind auch heuer gestiegen, laut dem Global Carbon Project hat die Menschheit 40,5 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen. Dennoch waren die Ergebnisse der UNO-Klimakonferenz im November mehr als dürftig, ein Abschied von Erdöl und Erdgas wurde in der Abschlusserklärung nicht erwähnt.

In Europa ist 2022 in einigen Ländern das wärmste Jahr der Messgeschichte, so etwa in Spanien, Italien und der Schweiz. Weltweit ist es laut dem amerikanischen Wetterdienst NOAA mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit das sechstwärmste. Trotz des Klimaphänomens „La Nina“, das eher einen dämpfenden Effekt auf die weltweiten Temperaturen hat.

Rekordregen in Australien und Pakistan

Als Folge von „La Nina“ kam es in Australien zu sintflutartigen Regenfällen wie noch nie, mehrmals wurden große Landstriche überflutet. Im Februar fielen in der Millionenstadt Brisbane in nur drei Tagen über 670 Liter Regen pro Quadratmeter, mehr als etwa in Wien im ganzen Jahr. In Sydney ist 2022 das mit Abstand nasseste Jahr, über 2.500 Liter pro Quadratmeter sind bisher gefallen.

Pakistan erlebte das schlimmste Jahr seiner Geschichte. Zunächst gab es im Frühling eine Hitzewelle mit bis zu 51 Grad mit großer Trockenheit und einer noch nie da gewesenen Anzahl von Waldbränden. Dann folgten Rekordregenfälle. So hat es etwa in der Provinz Sindh im August achtmal so viel geregnet wie durchschnittlich. Ein Drittel der Fläche Pakistans stand unter Wasser, 33 Millionen Menschen waren auf der Flucht und über 1.700 starben.

Im Februar gingen Bilder von Schlammlawinen in Brasilien um die Welt. Die Stadt Petropolis nahe Rio de Janeiro wurde von historischem Regen heimgesucht. Die Behörden maßen in 24 Stunden knapp 260 Liter pro Quadratmeter, so viel wie noch nie.

Fünf Meter Neuschnee in Japan

Die Klimakrise schließt auch massenhaft Schnee nicht aus. In manchen Regionen der Erde nehmen die Schneefälle sogar an Intensität zu, etwa in Ostasien. In Japan türmten sich im Februar in der Präfektur Niigata genau fünf Meter Schnee in nur 400 Meter Seehöhe. Ganze Häuser versanken in den Schneemassen. Ungewöhnlich viel Schnee gab es im Jänner auch in Athen.

Die Akropolis in Athen im Schnee
IMAGO/Xinhua
Die Akropolis in Athen im Schnee

Im US-Bundesstaat New York fiel in der Stadt Buffalo im November die Rekordmenge von 1,8 Meter Schnee an nur einem Tag. Verantwortlich war der „Lake Effect“. So nennt man das Phänomen, wenn arktische Kaltluft über die relativ warmen Großen Seen Nordamerikas streicht, sich mit Feuchtigkeit vollsaugt und diese dann an Land in Form von Schneefall abgibt. Rund um Weihnachten folgten im Mittleren Westen und an der Ostküste der USA die nächsten Winterwetterextreme samt Minusgraden im zweistelligen Bereich.

Die Rolle des menschengemachten Klimawandels

Im Sommer schrieb Großbritannien Geschichte. Das erste Mal überhaupt wurden 40 Grad erreicht, so auch in London. Ohne den vom Menschen verursachten Klimawandel wäre diese Hitze äußerst unwahrscheinlich gewesen, sagen Forschende der World Weather Attribution Initiative (WWA), die bei Extremwetterereignissen den Fußabdruck des Menschen nachzuweisen versuchen.

Der Nachweis gelang auch für die enormen Regenfälle und Überflutungen in Südafrika im April. In der Großstadt Durban fielen 351 Liter Regen pro Quadratmeter, der alte Tagesrekord wurde um das Doppelte übertroffen. Afrika ist nur für vier Prozent der globalen Emissionen verantwortlich, die Auswirkungen der Klimakrise sind aber überproportional groß.

Bis zu 47 Grad in Europa

Auch in Europa kostete Extremwetter viele Leben. Allein in Frankreich starben im Sommer über 10.000 Menschen an den Folgen der Hitze, so die nationale Gesundheitsbehörde. Europa erlebte den wärmsten Sommer seiner Geschichte, in vielen Ländern wurden über 40 Grad gemessen.

Auf den Balearen war es so heiß wie noch nie: 44,5 Grad auf Formentera. Den Höhepunkt erreichte die Hitze im Juli in Portugal mit 47 Grad. Durch die zusätzliche Dürre trockneten Flüsse im Sommer aus oder waren nur noch Rinnsale, etwa die Loire in Frankreich und der Po in Italien. Mailand erlebte das trockenste Jahr überhaupt.

In Frankreich brannten große Wälder, so wurde etwa nahe Bordeaux eine Fläche von 32.000 Hektar zerstört. Auch Spanien wurde von enormen Waldbränden heimgesucht. Die Daten des EU-Klimawandeldienstes zeigen, dass die Brände in beiden Ländern heuer so viel CO2 freigesetzt haben wie in keinem anderen Jahr seit Messbeginn 2003.

Junge auf einer überfluteten Straße in Karachi, Pakistan
Reuters/Sarah Meyssonier
Heuer gab es ungewöhnlich viele Waldbrände in Frankreich

So viel Sonnenstrom wie noch nie

Es gibt aber auch positive Meldungen. Griechenland gelang am 7. Oktober ein kleiner Meilenstein in Richtung unabhängiger Energieversorgung. Für immerhin fünf Stunden versorgte sich das Land zu 100 Prozent mit Strom aus nachhaltigen Quellen. In der EU hat die Stromproduktion aus Sonne und Wind heuer einen Rekord erreicht, zwischen März und September wurde knapp ein Viertel des Stroms abgedeckt, wie aus einer Studie der beiden Umwelt-Denkfabriken Ember und E3G hervorging.

Erneuerbare Energie aus Sonne und Wind ist mittlerweile günstiger als fossile aus Öl, Gas und Kohle. Das treibt die Energiewende an. Nach einer neuen Studie der Internationalen Energieagentur (IEA) wird sich die Kapazität der Erneuerbaren in den nächsten fünf Jahren weltweit fast verdoppeln. Tempo ist auch nötig, denn jede zusätzliche Tonne CO2 mehr in der Atmosphäre macht das Wetter extremer. „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle“, sagte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zum Auftakt der heurigen Klimakonferenz.

Hitze und Dürre auch in Asien und Nordamerika

In Japan endete die Regenzeit außergewöhnlich früh, und es folgte ein brütend heißer Sommer. In der Hauptstadt Tokio erlebten die Menschen die längste Hitzewelle der Geschichte, an acht Tagen hintereinander 35 Grad und mehr. Dagegen setzten in Südkorea im August die stärksten Regenfälle seit 80 Jahren Teile Seouls unter Wasser.

Extrem getroffen von der Hitze und Dürre wurde auch China, das weltweit am meisten CO2 ausstößt. Die Menschen hier erlebten den heißesten Sommer seit Messbeginn. Dazu kam eine extreme Dürre. Der Jangtse-Fluss wies die niedrigsten Pegelstände seit Messbeginn auf, die Stromproduktion mit Wasserkraft und die Landwirtschaft litten.

Die Dürre im Westen der USA ging 2022 unvermindert weiter. Der größte künstliche See der USA, der Lake Mead, der die Wasserversorgung für 25 Millionen Menschen sichert, sank auf den tiefsten Stand seit Bestehen und war nur noch zu 27 Prozent gefüllt. Kalifornien erlebte im September eine der schlimmsten Hitzewellen überhaupt.

Satellitenbild Lake Mead
Satellitenbild Lake Mead
NASA NASA

Nach der Hitze kam die Flut

In einem wärmeren Klima werden Hitzewellen heißer, Dürren trockener und Starkregen intensiver. In Valencia (Spanien) gab es im November Regenrekorde, im September traf es die italienische Region Marken mit den mit Abstand stärksten Regen seit Beginn der Aufzeichnungen. Verantwortlich für das Extremwetter war auch das sehr warme Mittelmeer, das im Sommer tropische Temperaturen von bis zu 30 Grad erreichte.

Auch beim Hurrikan „Ian“ im September in Florida lieferte das warme Meer der Karibik die Energie. Der Hurrikan traf mit Windgeschwindigkeiten von bis 255 km/h auf Florida, die Sturmflut erreichte eine Höhe von bis zu 4,5 Metern. Die Zerstörung nahm ein enormes Ausmaß an, mit Schäden von über 50 Milliarden Dollar war es dem Rückversicherer Swiss Re zufolge das weltweit teuerste Versicherungsereignis des Jahres.

Rekorde auch in Arktis und Antarktis

Auch die Polarregionen blieben 2022 nicht von Extremwetter verschont. In der norwegischen Stadt Tromsö wurden das erste Mal im Juni über 30 Grad gemessen. Auf der Inselgruppe Spitzbergen schmolz so viel Eis wie noch nie in einem Sommer. In Grönland gab es im September, also nach dem Sommer, eine noch nie da gewesene Hitzewelle. Auf einer Fläche größer als Italien taute es.

In der Antarktis war es im März außergewöhnlich mild. An der Forschungsstation Dome C wurden minus 10,1 Grad gemessen, 40 Grad mehr als normal zu dieser Zeit. Das Meereis rund um die Antarktis erreichte am Ende des Sommers keine zwei Millionen Quadratkilometer mehr und war damit so klein wie noch nie seit Messbeginn.

1,2 Grad hat sich das Klima seit der Industrialisierung bisher global erwärmt. Mit den aktuellen weltweit getroffenen bzw. geplanten Klimaschutzmaßnahmen droht bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine Zunahme von rund 2,5 Grad.