Kinder spielen in einem Kindergarten
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Kindergarten-Studie

Derzeitige Personalmisere erst der Anfang

Schon jetzt gibt es in den Kindergärten zu wenig Personal. Bis 2030 könnte sich die Situation noch deutlich verschärfen, zeigt eine Studie der Uni Klagenfurt und des Instituts für Berufsbildungsforschung (ÖIBF) im Auftrag des Bildungsministeriums. Berücksichtigt man Bevölkerungsentwicklung, Betreuungsquoten sowie Personalabgänge und -nachfolge, könnten rund 13.700 Fachkräfte fehlen. Bei einer Verbesserung des Fachkraft-Kind-Verhältnisses wären es sogar 20.200.

Ohne bildungspolitische Maßnahmen würde entweder die Lücke zwischen Platzangebot und Nachfrage noch größer, oder es würden sich die Betreuungsverhältnisse weiter verschlechtern. Die Studienautoren um Roland Löffler vom ÖIBF und Veronika Michitsch von der Uni Klagenfurt sehen deutlichen Handlungsbedarf.

Assistenzpersonal wäre zwar schneller zu rekrutieren als Elementarpädagoginnen, auf dieses zu setzen würde aber auch zu schlechterer Strukturqualität führen, heißt es in der Studie. Zuletzt haben mehrere Bundesländer Pläne zur Verbesserung der Betreuungsverhältnisse angekündigt – die Länder sind bei den Kindergärten für die Gesetzgebung zuständig.

Grafik zeigt Daten zur prognostizierten Personalnot in Kindergärten
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: öibf

Derzeit fehlen rund 1.800 Fachkräfte

Schon jetzt ist laut einer im Rahmen der Studie durchgeführten Befragung in mehr als einem Viertel der Einrichtungen der Fachpersonalbedarf unzureichend oder gar nicht gedeckt. Der Personal-Kind-Schlüssel entspricht nicht den Bedürfnissen der Gruppen, die steigenden Anforderungen sind mit dem vorhandenen Personal nur unzureichend erfüllbar.

Drei Viertel der befragten Kindergartenleiterinnen und -leiter gaben an, dass es (viel) schwerer sei, für offene Stellen geeignetes Personal zu finden, als noch vor zehn Jahren. Auch die Fluktuation ist laut mehr als der Hälfte der befragten Pädagoginnen (viel) höher als früher. Der Studie zufolge fehlen derzeit 1.800 Fachkräfte.

15 Prozent wollen Beruf wechseln

Aktuell gibt es rund 61.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kindergärten, das sind sechsmal so viele wie Anfang der 1970er. Knapp 42 Prozent gehören zum Assistenzpersonal. Der überwiegende Teil der Kindergartenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter ist dabei teilzeitbeschäftigt, nur 40 Prozent arbeiten 36 Wochenstunden oder mehr.

In den kommenden zehn Jahren geht mehr als ein Viertel des Personals in Pension. Dazu kommt, dass 15 Prozent in einem überschaubaren Zeitraum den Beruf wechseln wollen, vier Prozent am liebsten sofort. Unter den jüngsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann sich nur jede bzw. jeder vierte vorstellen, bis zur Pension in diesem Feld zu bleiben.

Als Gründe für den Wunsch nach einem baldigen Wechsel nennen die Befragten neben zu wenig Wertschätzung und Gehalt vor allem, dass die Arbeit psychisch zu anstrengend ist, die Gruppen zu groß sind und sie das Gefühl haben, den Bedürfnissen der Kinder nicht gerecht zu werden.

Nur Hälfte geht nach Ausbildung in Kindergärten

Die aktuelle Ausbildung an den Bundesanstalten für Elementarpädagogik (BAFEP) ist zwar beliebt, die Zahl der Absolventinnen und Absolventen ist in den vergangenen 20 Jahren um 40 Prozent auf knapp 2.400 gestiegen. Allerdings arbeitet ein guter Teil nach dem Abschluss nicht im Kindergarten. Bei einer Befragung von Schülerinnen und Schülern im Abschlussjahrgang im Rahmen der Studie gab gerade einmal die Hälfte an, dass sie im Anschluss gleich im Kindergarten arbeiten wollen.

Unter den Schülerinnen der fünfjährigen BHS-Langform, in der man neben der Berufsberechtigung auch die Matura erwirbt, gehen nur 54,7 Prozent nach dem BAFEP-Abschluss in den Kindergarten. Die Übrigen gehen lieber studieren oder ergreifen einen anderen Beruf, zeigt die Analyse der Berufswege des Absolventenjahrgangs 2016/17. Das liegt laut der Studie u. a. an der frühen Berufswahl mit 14 Jahren und daran, dass man sofort bei Berufseinstieg eine Gruppe führen muss.

Beruf fordernder als vorher angenommen

Die Rahmenbedingungen werden in der Praxis mitunter als abschreckend empfunden. Außerdem stellen sich die Arbeit mit den Kindern und deren Eltern, die Integration von Kindern unterschiedlicher Sprache und Herkunft, die Organisation sowie Vor- und Nachbereitung schon während der Praktika in den Einrichtungen als fordernder heraus als angenommen.

Bei den Absolventinnen und Absolventen der Kollegs, die die Ausbildung nach der Matura bzw. Berufsreife- oder Studienberechtigungsprüfung und damit bereits im Erwachsenenalter beginnen, entscheiden sich nach dem Abschluss immerhin 83,7 Prozent für die Arbeit im Kindergarten.

Das Bildungsministerium setzt deshalb auch stark auf einen Ausbau dieses Ausbildungswegs. Allerdings sind Kollegabsolventen und -absolventinnen noch deutlich in der Minderheit: 2022 standen 600 Kollegabsolventinnen und -absolventen rund 1.700 in der Langform gegenüber.

Immerhin ein Fünftel aller Absolventinnen und Absolventen gibt in der Studie an, sich (sicher) nicht noch einmal für eine BAFEP zu entscheiden, weil sie andere Erwartungen an die Ausbildung hatten oder sich für den Beruf persönlich nicht so gut geeignet einschätzen. In Österreich gibt es zwar auch Elementarpädagogikangebote an Hochschulen, allerdings nicht für die Grundausbildung.

Die Empfehlungen der Fachleute

Um die Personalsituation zu verbessern, schlägt das Forschungsteam u. a. Maßnahmen gegen Personalabgänge vor, etwa zusätzliches Administrations- und Hilfspersonal, einen besseren Betreuungsschlüssel und neue Arbeitszeitmodelle für ältere Mitarbeiterinnen, um die Zahl vorzeitiger Abgänge zu verringern. Um die Belastung im Alltag zu verringern, sollte ein Pool an Springerinnen und Ersatzkräften für Ausfälle geschaffen werden.

Weitere Empfehlungen sind ein Mix aus Ausbildungsangeboten mit ausreichend Kollegplätzen und mehr Praxisnähe in der Ausbildung, um für bessere Übertrittsquoten von der Ausbildung in den Beruf zu sorgen, und das verstärkte Ansprechen neuer Zielgruppen. Wie Vertreterinnen der Praxis treten die Fachleute auch für die Schaffung von einheitlichen Rahmenbedingungen in allen Bundesländern (bei Gruppengröße, Betreuungsschlüssel, Öffnungszeiten etc.) und eine „einheitliche gute Entlohnung“ ein. Außerdem solle die einheitliche Zuständigkeit des Bundes für den Elementarbereich forciert werden.