Hitzewelle in Wien im August 2022
ORF.at/Roland Winkler
Österreich 2022

Eines der wärmsten Jahre seit Messbeginn

Ob Hitze, Trockenheit oder Unwetter: Die Klimakrise macht auch vor Österreich nicht halt. 2022 reiht sich unter die drei wärmsten Jahre, seit es Messungen gibt, ein. Auch war es ungewöhnlich trocken. Für die Gletscher war das Jahr das schlimmste jemals. Trotz der Hiobsbotschaften ist Österreich beim Klimaschutz kein Musterschüler.

Vom „Fingerabdruck der Klimaerhitzung“ spricht Marc Olefs, Leiter der Abteilung Klimaforschung an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Es fehlte nicht viel, dann wäre 2022 in Österreich wie in manchen Nachbarländern sogar das wärmste Jahr seit Messbeginn geworden. Die Kältewelle Mitte Dezember hat das Temperaturmittel aber noch etwas gedrückt.

2,3 Grad war es heuer wärmer als im Schnitt der Jahre 1961 bis 1990, gegenüber dem Mittel 1991 bis 2020 beträgt die Abweichung 1,1 Grad. Damit landet 2022 im Tiefland auf Platz drei in der 256-jährigen Messreihe Österreichs, heißt es von der ZAMG. An der Spitze liegt unverändert das Jahr 2018 vor 2014.

Auf den Bergen neuer Rekord

Auf den Bergen war 2022 aber das wärmste Jahr der Geschichte. „Fix ist ein neuer Rekord etwa für den Patscherkofel und Obergurgl (beide Tirol) sowie die Villacher Alpe (Kärnten)“, so der Klimaforscher Olefs. Aber auch an einzelnen Stationen in tiefen Lagen bricht 2022 den bisherigen Rekord, so etwa in Klagenfurt, Kufstein und Lienz. Der Trend zu einem immer wärmeren Klima ist ungebrochen. Die sechs wärmsten Jahre der Geschichte Österreichs waren alle in den vergangenen zehn Jahren.

Zwischen minus 24,9 Grad und 38,7 Grad

Die höchste Temperatur wurde am 5. August in Seibersdorf (Niederösterreich) registriert: 38,7 Grad. An 41 Tagen war es hier über 30 Grad heiß, im Mittel der letzten 30 Jahre gab es in Seibersdorf 25 Hitzetage. Eine Station hatte heuer sogar noch mehr Hitzetage, Bad Deutsch-Altenburg (Niederösterreich) kam auf 45 Tage über 30 Grad. Die deutliche Zunahme der Hitzetage ist ein Merkmal der Klimakrise.

Trockenheit in Seibersdorf
ORF/Daniel Schrott
Seibersdorf war 2022 der Hitzepol Österreichs und gekennzeichnet von Trockenheit und Hitze

Zu den tiefsten Temperaturen des Jahres ist es bei der Kältewelle Mitte Dezember gekommen: Am 18. wurden an der neu errichteten Station Schwarzau im Freiwald (Niederösterreich) in der Früh minus 24,0 Grad gemessen. Auf den Bergen war es am 12. des Monats noch eine Spur eisiger mit minus 24,9 Grad am Brunnenkogel (Tirol, 3.437 Meter).

Fast alle Monate des Jahres fielen deutlich zu warm aus, besonders extrem waren der Juni und der Oktober. Einzig der September bilanzierte kühler als in der Klimaperiode 1961 bis 1990, die von der Klimaerwärmung noch nicht so stark betroffen war. Trotzdem zählte der Herbst zu den fünf wärmsten seit Beginn der Messungen. Das lag auch an milden Nächten. Den ersten Frost in Innsbruck-Universität und Salzburg-Freisaal gab es am 27. November, einen Monat später als im langjährigen Mittel.

Trockenheit als Problem

Neben der fast durchgehenden Wärme war es zu trocken, rund 15 Prozent beträgt das Niederschlagsdefizit des Jahres. Die Trockenheit stellte die Landwirtschaft vor Herausforderungen. Im Frühjahr nahm die Dürre mancherorts sogar historische Ausmaße an. In Graz fiel im Februar und März 42 Tage hintereinander lang kein Regen. Trockenheit im Frühjahr wird in den letzten Jahren immer öfter beobachtet, so die ZAMG.

Im Sommer verfärbten sich durch Hitzestress und fehlenden Regen in Niederösterreich und Wien die Blätter mancher Bäume wie im Herbst, Wiesen waren braun wie sonst am Mittelmeer. In Eisenstadt war 2022 überhaupt das trockenste Jahr der Messgeschichte, nur 424 Liter pro Quadratmeter sind gefallen und damit gut 250 Liter weniger als normal.

Sogar noch niederschlagsärmer mit nur 370 Liter pro Quadratmeter war Podersdorf. Das wirkte sich dramatisch auf den Neusiedler See aus, der heuer auf den tiefsten Stand seit Messbeginn 1965 gesunken ist. Der Zicksee trocknete im Sommer überhaupt aus, massenweise verendeten Fische.

Ausgetrockneter Zicksee
ORF/Daniel Schrott
Vom Zickee war nichts mehr zu sehen

Wenig Wasser, wenig Strom

Im Sommer waren auch die Pegelstände von anderen Seen ungewöhnlich niedrig, etwa am Bodensees und am Wolfgangsee. Neben fehlendem Regen und der großen Verdunstung durch die Hitze und Sonne war hier auch die geringe Schneeschmelze aus den Bergen ein Grund.

Auch die Flüsse führten heuer weniger Wasser als üblich, die Stromproduktion durch die Wasserkraft litt. Da Wind und Photovoltaik noch nicht ausreichend ausgebaut sind, war Österreich dadurch selbst im Sommer auf Stromimporte angewiesen. Üblicherweise erzielt Österreich in den Sommermonaten Überschüsse und ist Exportland, hieß es vom Stromnetzbetreiber Austrian Grid Power.

Nicht jedes Jahr in Zukunft wird so trocken und heiß sein wie heuer, die menschengemachte Klimaerhitzung ist überlagert von natürlichen Schwankungen. Dennoch werden die Extreme in Zukunft häufiger auftreten und die Probleme langfristig größer, so der Klimaforscher Olefs.

Horrorjahr für die Gletscher

Übermäßig viel Wasser ergoss sich im Sommer von den heimischen Gletschern. Der Hintereisferner in Tirol, einer der bestuntersuchten Gletscher weltweit, verlor fünf Prozent seiner Masse, so viel wie noch nie. Auf dem 3.109 Meter hohen Sonnblick hat es heuer fast acht Meter weniger geschneit als normal, ein Negativrekord. Schon Anfang Juli war der Sonnblick schneefrei, die Zugspitze schon im Juni, beide so früh wie noch nie.

Saharastaub spielte eine entscheidende Rolle an der frühen Ausaperung, er verstärkte die Abschmelzung, sobald es ab Mai immer heißer wurde. Der Saharastaub war Mitte März in riesigen Mengen nach Österreich gelangt und hatte den Himmel spektakulär gelb-rötlich verfärbt.

Der feine Sand legte sich auf den Schnee und machte ihn dunkel. Sandskifahren bekam eine neue Bedeutung, so etwa in den Skigebieten am Arlberg. Für die Berge war der März nebenbei der sonnigste seit Beginn der Aufzeichnungen.

Sandskifahren in Lech
Karin Reith
Wer im März auf den Pisten wie hier in Lech unterwegs war, hatte das Gefühl, in eine andere Welt zu tauchen.

Temperaturrekorde am laufenden Band

Wärmerekorde fielen 2022 am laufenden Band. In Vorarlberg gab es sowohl im Mai mit 33,4 Grad in Bludenz als auch im Juni mit 36,5 Grad in Feldkirch neue Bundesland-Rekorde. In Graz raubten im Sommer die zwei wärmsten Nächte der über 100-jährigen Messgeschichte vielen den Schlaf. Im Juni kühlte es in einer Nacht nur auf 22,5 Grad an der Universität ab, im Juli wurde der Rekord mit 23,3 Grad noch einmal übertroffen.

Besonders viele Rekorde wurden im Oktober aufgestellt. Erstmals in der Geschichte Österreichs gab es in diesem Monat einen Sommertag (über 25 Grad) in über 1.000 Meter Höhe. Als noch extremer einzustufen ist die Tropennacht auf dem 1.113 Meter hohen Kolomansberg, wo es am 30. Oktober nicht unter 20,4 Grad abkühlte.

Der Rekordreigen begann 2022 schon beim Jahreswechsel. Bei frühlingshaften 16,3 Grad in Pottschach/Ternitz (Niederösterreich) knallten die Korken zum Jahreswechsel. Tagsüber gab es am Neujahrstag bis zu 18,8 Grad in Köflach (Steiermark).

Stürmische Zeiten

Die Wärme am Jahresbeginn kam nicht von ungefähr, sie war einer nicht enden wollenden Westwetterlage geschuldet. Zahlreiche Sturmtiefs zogen im Jänner und Februar über Österreich. Wien erlebte im Jänner und Februar zwölf Tage mit Windgeschwindigkeiten über 80 km/h auf der Hohen Warte, dreimal so viele wie normal.

Mit 115,2 km/h stellte die Station Innsbruck-Universität am 7. Februar einen neuen Windrekord auf, und das mitten in der Nacht bei Nordföhn. Der Sturm „Ylenia“ am 17. Februar war einer der stärksten der letzten Jahre und forderte Hunderte Feuerwehreinsätze. Auf der Buchbergwarte (460 Meter Höhe, Niederösterreich) wurden 146 km/h gemessen, auf der Hohen Veitsch (1.973 Meter Höhe, Steiermark) sogar 160 km/h. Klimamodelle zeigen, dass winterliche Sturmtiefs in der Zukunft intensiver werden könnten.

Unwetter mit Rekordregen

Extreme Windgeschwindigkeiten traten auch im Sommer auf, und mancherorts regnete es so viel wie noch nie. In der Nacht vom 28. auf den 29. Juni überrollte ein Unwetter das Gegendtal (Kärnten), binnen weniger Stunden fielen in Arriach 135 Liter Regen pro Quadratmeter, so viel wie sonst in einem ganzen Monat. Die Folgen: Ganze Landstriche wurden durch Muren und Überschwemmungen verwüstet, die Folgen sind bis heute sichtbar.

Das folgenschwerste Unwetter des Sommers ging am 18. August nieder, eine außergewöhnlich heftige Sturmfront überrollte weite Teile Österreichs. Fünf Todesopfer waren durch umstürzende Bäume zu beklagen, darunter zwei Kinder in St. Andrä im Lavanttal (Kärnten). In der Obersteiermark knickten Strommasten wie Streichhölzer, in Neumarkt wurden 139 km/h gemessen, ein neuer Rekord.
Tags darauf hieß es im Rheintal (Vorarlberg) Land unter. In Bregenz fielen 212 Liter Regen pro Quadratmeter. Sämtliche erdenkliche Regenrekorde wurden pulverisiert. In ein paar Stunden regnete es mehr als in den zwei Monaten davor. 1.500 Feuerwehreinsätze waren die Folge. In einer wärmeren Welt regnet es zwangsläufig stärker, die Regenrekorde passen somit zum Szenario der Klimaforscher.

Aufholbedarf beim Klimaschutz

Im Zuge der Klimakrise werden Unwetter wie heuer in Zukunft mehr werden und auch an Intensität zunehmen, sagt Olefs. Gleichzeitig werden auch die Dürrephasen länger. Auch die vielen Temperaturrekorde heuer sind Fußabdrücke und Warnsignale der Klimaveränderung. „Alles, was wir heuer gesehen haben, passt zu dem, was man sich von der Physik her als Auswirkungen einer wärmeren Atmosphäre erwartet“, so Olefs. Die Verwerfungen im fragilen Klimasystem haben gerade erst begonnen.

Dennoch ist Österreich beim Klimaschutz kein Musterschüler. Jährlich werden rund 77 Millionen Tonnen klimaschädlicher Treibhausgase ausgestoßen. Dieses hohe Niveau hat sich seit rund 30 Jahren kaum verändert, auch heuer sinkt der Ausstoß nur um drei Prozent, so das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO). Zu wenig, um das ambitionierte Ziel einer Halbierung der Emissionen bis 2030 und Nettonull bis 2040 zu erreichen. Dass es auch anders geht, zeigt etwa Deutschland, wo der Treibhausgasausstoß seit 1990 schon um fast 40 Prozent gesunken ist.