Menschen in Wien
APA/Hans Punz
Drosten und Co.

Pandemieende mit einem „Aber“

Der bekannte Berliner Virologe Christian Drosten hat mit der Aussage aufhorchen lassen, dass die CoV-Pandemie seiner Einschätzung nach vorbei sei. In Österreich tätige Fachleute teilen Drostens Befund. SARS-CoV-2 werde sich bei den „gefährlicheren Atemwegserkrankungen“ einreihen, so Virologin Dorothee von Laer gegenüber Ö1. Die gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination (GECKO) warnte, das Virus auch beim Übergang in die Endemie nicht zu unterschätzen.

„Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit SARS-CoV-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei“, sagte Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Universitätsklinik Charite, dem „Tagesspiegel“. Virologin Dorothee von Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck stimmte Drosten am Dienstag gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal zu. Die Pandemie sei vorbei, wenn „in der Bevölkerung eine gute Immunität aufgebaut ist“, so von Laer.

Dank der „anfänglichen breiten Durchimpfung“, der vierten Impfung, die sich viele abgeholt haben, und vieler durchgemachter Infektionen hätten „weit über 90 Prozent der Bevölkerung“ eine „gute Immunität“, sagte die Virologin. SARS-CoV-2 habe sich „eingereiht“, wo auch die Grippe sei, nämlich bei den „gefährlicheren Atemwegserkrankungen“. Wie die Grippe sei auch das Coronavirus insbesondere für ältere Personengruppen und immungeschwächte Menschen relativ gefährlich.

„Covid-19 gekommen, um zu bleiben“

Auch der österreichische Genetiker Ulrich Elling kann Drostens Aussage beipflichten, dass nun die erste endemische Welle mit SARS-CoV-2 im Rollen ist. „Die Pandemie in dem Sinne“ sei damit vorbei, Covid-19 aber „gekommen, um zu bleiben“, so Elling gegenüber der APA. Wenn man „Pandemie“ so definiert, dass ein neuer Erreger auf eine immunologisch unvorbereitete Bevölkerung trifft, dann sei diese Phase der Auseinandersetzung mit dem SARS-CoV-2-Erreger tatsächlich mehr oder weniger abgeschlossen, so der am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) tätige Forscher.

Wenn Drosten jetzt von Endemie spreche, treffe das zu, da sich nun eben zum allergrößten Teil Menschen mit CoV infizieren, die dem Erreger schon ausgesetzt waren. Nachdem in Österreich die Omikron-Variante seit rund einem Jahr für eine breite Durchseuchung sorgt und vor relativ kurzer Zeit die BA.5-Untervariante eine Welle mit rund zwei Millionen Infizierten und somit kürzlich erst Genesenen verursacht hat, „haben die Leute jetzt eine breite immunologische Basis aufgebaut“, sagte Elling: Damit habe man es aktuell mit einer „endemischen Welle“ zu tun.

Fachleute: CoV tritt in endemische Phase ein

Am Montag sprach der deutsche Virologe Christian Drosten über ein mögliches Ende der CoV-Pandemie. Das Gesundheitsministerium zeigte sich gegenüber der ZIB zurückhaltender.

Am ehesten finde man noch in den höheren Alterskohorten Menschen, die wirklich noch keine CoV-Infektion durchgemacht haben. Dazu komme, dass der Schutz vor Neuansteckung nach Infektion länger anhalte als ursprünglich vermutet.

Elling: „Starke Nachwehen der Pandemie“

Allerdings sehe man nun die starken „Nachwehen der Pandemie“, mit vielen RS-Viren- und Influenza-Infekten. Dazu komme eine gewisse „Erosion im Gesundheitssystem“, wo das vielfach durch die Pandemie ausgelaugte und ausgedünnte Personal wieder mit einer sehr hohen Belastung konfrontiert ist, und etwa gerade im Kinderbereich Ressourcen fehlen. In vielen Zusammenhängen würden nun strukturelle Probleme durch Einsparungen im Gesundheitsbereich deutlicher greifbar.

Zurückhaltung im Gesundheitsministerium

Zurückhaltend zeigte sich am Dienstag das Gesundheitsministerium. Von einem Ende der Pandemie wollte man gegenüber der ZIB nicht sprechen, die Rahmenbedingungen hätten sich allerdings verbessert, hieß es.

Das Beratungsgremium GECKO warnte kurz vor Weihnachten, dass man das Coronavirus auch beim Übergang in eine Endemie nicht unterschätzen sollte. Selbst dann könnte es „zu massiven Beeinträchtigungen“ kommen, die lokale Maßnahmen nötig machen würden, heißt es im jüngsten Bericht.

Aktuell gilt die Lage in Österreich als stabil, das Zusammentreffen mit weiteren Infektionen wie der Grippe könnte aber den Spitälern Probleme machen. Setze sich der Trend fort, seien „personalbedingte Einschränkungen“ nicht auszuschließen, heißt es im Bericht weiter. Auch könnte die aktuelle Grippewelle demnächst in Verbindung mit anderen respiratorischen Infektionen zu mehr Patienten und Patientinnen auf Normal- und Intensivstationen führen.

Petautschnig (ORF) zur aktuellen CoV-Lage

Florian Petautschnig (ORF) spricht über die aktuelle Lage der CoV-Pandemie in Österreich und auf internationaler Ebene.

Grundsätzlich wird in dem Bericht festgehalten, dass CoV auch bei einem endemischen Zustand Probleme bereiten wird, alleine dadurch, dass es weltweit eine höhere Krankheitslast geben werde. Dazu werde Long Covid das allgemeine Wohlbefinden und die Fähigkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen, beeinträchtigen und die Gesundheitskosten in die Höhe treiben. Im Wiener AKH gibt es zwei Post-Covid-Ambulanzen, in denen die Nachfrage nach Terminen nach wie vor sehr hoch ist – mehr dazu in wien.ORF.at.

Variantenentwicklung weiter im Auge behalten

Wie oft sich Menschen künftig mit SARS-CoV-2 anstecken werden, lasse sich noch nicht abschätzen, so Molekularbiologe Elling. Er plädiert dafür, weiter einen wissenschaftlichen Überblick über die Variantenentwicklung zu wahren. Das sei im Vergleich zu vielen anderen Maßnahmen während der Pandemie auch wirklich nicht teuer – mehr dazu in science.ORF.at.

Während sich das CoV-Infektionsgeschehen in den meisten Ländern weitgehend normalisiert hat, türmt sich in China nach Ende der Null-CoV-Politik die bisher größte Welle seit Pandemiebeginn auf. Das nährt international Sorge, dass sich eine neue Virusvariante um die Welt verbreiten könnte. Die aktuell in China dominante Variante ist BF.7, eine von vielen Subvarianten von BA.5.

T-Zellen bieten guten Schutz auch vor neuen Varianten

Statt Virusvarianten, die einander ablösen – wie 2021, als Delta zuerst Alpha verdrängte und in weiterer Folge selbst von Omikron abgelöst wurde – bestehen nunmehr zahlreiche Omikron-Varianten nebeneinander. Momentan sehe man, dass sich Omikron immer weiter verästle und in immer kleinere Mutationen verzweige, die wieder etwas die Immunantwort umgehen könnten, sagte auch Virologin von Laer gegenüber Ö1.

Leere Impfstraße
APA/Herbert Neubauer
Impfzentrum in Wien: Dank Impfung und durchgemachter Infektion hatte der Großteil der Bevölkerung schon Kontakt mit SARS-CoV-2

Die Kombination aus Impfung und durchgemachter Infektion dürfte auch bei neuen Varianten vor schweren oder tödlichen Verläufen schützen. Von Laer verwies dazu auf die beiden Arme des Immunsystems: die Antikörper, die den ersten Abwehrwall gegen das Virus bilden, und die T-Zellen, die vom Virus infizierte Zellen unschädlich machen.

Eine neue Omikron-Variante könnte laut der Virologin die Antikörperantwort umgehen und so wieder zu einer Zunahme der Neuinfektionen führen. Aber die meisten Menschen mit funktionierendem Immunsystem seien aufgrund der Reaktion der T-Zellen gut geschützt. „Die neuen Varianten können sich nicht gegen die T-Zellen durchsetzen“, so von Laer.