der iranische Präsident Ebrahim Raisi
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„Keine Gnade“

Iranischer Präsident droht Dissidenten

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi hat den unnachgiebigen Kurs im Umgang mit Gegnerinnen und Gegnern des islamischen Herrschaftssystems bekräftigt. „Unsere Arme sind offen für diejenigen (Demonstrierenden), die von ausländischer Propaganda nur geblendet worden sind, mit den Uneinsichtigen jedoch haben wir keine Gnade“, sagte Raisi bei einer religiösen Zeremonie in der Teheraner Universität am Dienstag.

Raisi sprach von „Feinden“, von „Heuchlern“, „Monarchisten“ und „antirevolutionären Strömungen“, die für die von der Regierung als „Unruhen“ bezeichneten Proteste in dem Land verantwortlich seien. Seine Drohung konkretisierte Raisi nicht weiter, allerdings stehen mehr als 20 Demonstrierende auf einer Todesliste der Justizbehörde. Die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) erklärte am Dienstag, rund 100 weiteren Festgenommenen drohe die Todesstrafe.

Vorgeworfen wird ihnen „Kriegsführung gegen Gott“, worauf gemäß islamischer Rechtsauffassung das Todesurteil steht. Zwei Demonstranten wurden in diesem Zusammenhang bereits hingerichtet. Seit mehr als drei Monaten protestieren im Iran landesweit Menschen gegen das islamische System. Zwar zogen in den vergangenen Wochen weniger Menschen auf die Straßen, die Proteste wurden aber in anderer Form fortgesetzt. Immer mehr Frauen ignorieren etwa das obligatorische Kopftuch.

eine Frau ohne Kopftuch steht auf einem Auto, hinter ihr eine riesige Menschenmenge
AFP
Unter der Parole „Frau, Leben, Freiheit“ wird seit Anfang September im Iran protestiert – unter anderem gegen den Kopftuchzwang

Hunderte Tote

Teheran sieht „Feinde des Iran“ und deren Verbündete im Inland hinter den Protesten und wirft ihnen vor, einen politischen Machtwechsel erzwingen zu wollen. Als Feinde begreift die iranische Führung allen voran die USA und Israel, aber auch Saudi-Arabien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland.

Im Zusammenhang mit den Protesten gab es laut iranischen Aktivistinnen und Aktivisten und Menschenrechtsgruppen im Ausland mehr als 500 Tote. Hauptsächlich seien Demonstrierende ums Leben gekommen, aber auch Polizei- und Sicherheitskräfte.

Proteste in Teheran
AFP
Laut Menschenrechtsgruppen starben bei den Protesten bisher mehr als 500 Menschen

Regime bekämpft Proteste auch in sozialen Netzwerken

Über das Internet werden Tausende Videos, die Gewalt durch die Sicherheitskräfte zeigen sollen, im Netz verbreitet. Dadurch wächst die Wut, die Opfer werden zu Ikonen der Proteste. Viele junge Demonstrantinnen sprechen von einer Revolution. Um Protestformen zumindest in sozialen Netzwerken zu unterbinden, schränkt die Regierung das Internet auch weiterhin stark ein und schaltet es an manchen Tagen ganz ab.

Doch der Satelliteninternetdienst Starlink kommt nach Angaben des Unternehmers Elon Musk bei der Bereitstellung seiner Anlagen im Iran voran. Musk erklärte zu Beginn der Woche, man sei nun kurz davor, 100 aktive Starlinks im Iran zu haben. Im September hatte er angesichts der regierungskritischen Proteste in dem Land erklärt, dort Starlinks als Teil einer von den USA unterstützten Initiative zur Förderung der Internetfreiheit und des freien Informationsflusses zu aktivieren.

Grafik zu Massenprotesten im Iran
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Iran Human Rights

Tod von Mahsa Amini als Auslöser

Entzündet hatten sich die Proteste am Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Sie war am 16. September in Polizeigewahrsam gestorben. Die Religionspolizei hatte sie festgenommen, weil sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen haben soll. Die Proteste weiteten sich rasch zur größten Herausforderung für die Führung des Landes seit Jahrzehnten aus.

Doch die Realität ist wohl, dass sich große Teile der iranischen Gesellschaft mit dem Fall identifizieren können. Kritik kommt sogar von Konservativen. Bis heute reißen die Proteste nicht ab, immer wieder werden sie von staatlicher Gewalt und dem Tod weiterer junger Menschen angefacht.

Zwei Frauen bei Protesten in Teheran
AP
Das Regime gibt seinen Erzfeinden im Westen Schuld an den Protesten

Besonders hartes Vorgehen im kurdischen Teil

Besonders hart geht der Staat in den Provinzen vor. In Aminis Heimat, dem kurdischen Teil des Iran, sind gar Militärkonvois eingerückt. Augenzeugen berichten von „bürgerkriegsähnlichen“ Zuständen. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte setzte eine Spirale der Wut in Gang.

Von der Führung sind bisher keine Töne der Versöhnung zu hören. Religionsführer und Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei schwieg zuerst wochenlang. Danach begann er, seine Erzfeinde für das Aufbegehren verantwortlich zu machen, und sprach von Verschwörung und Terrorismus. Der Generalstaatsanwalt erklärte zuletzt, die umstrittene Religionspolizei werde aufgelöst. Unklar ist, ob das stimmt und welche Auswirkungen es im Alltag hätte.