Einsatzkräfte neben beschädigten Gebäuden in Kiew
Reuters/Valentyn Ogirenko
Charkiw bis Odessa

Schwere Raketenangriffe auf Ukraine

Russland überzieht die Ukraine nach Militärangaben aus Kiew erneut mit schweren Raketenangriffen. Im ganzen Land wurde Donnerstagfrüh Luftalarm ausgelöst. Auch in der Hauptstadt Kiew waren mehrere schwere Explosionen im Zentrum zu hören, wie ein Reporter der dpa berichtete.

Dem Vernehmen nach war die ukrainische Flugabwehr im Einsatz, um die Angriffe abzuwehren. Von den insgesamt 69 abgefeuerten russischen Raketen habe die Luftabwehr 54 abgeschossen, erklärte der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Walery Saluschny, im Onlinedienst Telegram. Die 16 auf Kiew abgefeuerten Raketen wurden den Angaben zufolge alle abgeschossen. Detonationen gibt es aber auch, wenn die russischen Raketen oder Drohnen abgeschossen werden.

Präsidentenberater Mychailo Podoljak erklärte hingegen, von der russischen Armee seien „mehr als 120 Raketen abgefeuert“ worden, um „wichtige zivile Infrastruktur zu zerstören und massenhaft Zivilisten zu töten“.

Drei Verletzte in Kiew

Der Kiewer Bürgermeister Witali Klitschko sprach von mehreren Explosionen, ohne Details zu nennen. „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es drei Verletzte, darunter ein 14-jähriges Mädchen. Alle befinden sich im Krankenhaus“, schrieb er auf Telegram. 40 Prozent der Haushalte seien derzeit ohne Strom. Die Energieversorger hätten wegen des Luftalarms Sicherheitsvorkehrungen getroffen, sie arbeiteten nun daran, die Stromversorgung wiederherzustellen, teilte Klitschko. Die Wärme- und Wasserversorgung funktioniere normal.

Explosionen auch in Charkiw und Odessa

Aus mehreren Teilen der Ukraine im Süden und im Westen gab es Berichte von Behörden über Angriffe. Gemeldet wurden Explosionen etwa auch aus den Gebieten Poltawa, Odessa, Charkiw, Mykolajiw und Lwiw. Russische Militärblogger veröffentlichten zahlreiche nicht überprüfbare Videos von Rauchwolken nach mutmaßlichen Treffern.

Das russische Verteidigungsministerium rühmte sich auf sozialen Netzwerken mit der Masse eigener Lenkwaffen. „Die Kalibr gehen niemals aus“, teilte die Behörde auf ihrem Telegram-Kanal mit. Illustriert ist der Spruch mit einer abgefeuerten Rakete. Die Kalibr sind Mittelstreckenraketen, die Russland von Schiffen aus dem Schwarzen und Kaspischen Meer auf Ziele in der Ukraine abfeuert. Die Verlautbarung soll wohl internationale Spekulationen von Experten zerstreuen, dass entsprechende Raketen mittlerweile knapp werden.

Erst am Vortag hatte es landesweiten Luftalarm gegeben. Laut ukrainischen Angaben hatte Russland allein in der Stadt Cherson innerhalb von 24 Stunden über 30 Raketen auf zivile Ziele abgefeuert. Russland greift seit Oktober im Abstand von einigen Tagen immer wieder intensiv vor allem die ukrainische Energieinfrastruktur an, zumeist jeweils mit Dutzenden Raketen. Millionen Menschen sind in dem Land im Winter von Stromausfällen betroffen.

Drohnenangriffe bereits in der Nacht

Die neue Welle war noch vor Jahresende erwartet worden. In der Nacht hatte es bereits Drohnenangriffe gegeben. Das ukrainische Militär teilte mit, nach den nächtlichen Drohnenangriffen greife der Feind nun aus verschiedenen Richtungen mit von Bombern aus der Luft und von Kriegsschiffen abgeschossenen Raketen an. Es gebe eine „hohe Aktivität“ der Besatzer, hieß es. Die Behörden forderten die Menschen auf, dringend Schutz zu suchen in Bunkern.

Das russische Verteidigungsministerium prahlte auf sozialen Netzwerken mit den Raketenangriffen: „Die Kalibr gehen niemals aus“, so ein Post der Behörde auf Telegram. Illustriert ist der Spruch mit einer abgefeuerten Rakete. Die „Kalibr“ sind Mittelstreckenraketen, die Russland von Schiffen aus dem Schwarzen und Kaspischen Meer auf Ziele in der Ukraine abfeuert.

Selenskyji ruft Landsleute zu Solidarität auf

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuvor in einer ungewöhnlich unpolitischen Videobotschaft an die Menschlichkeit und Gefühle seiner Mitbürgerinnen und Mitbürger appelliert. „Egal, was passiert und was euch beschäftigt, unterstützt euch gegenseitig, unbedingt“, bat Selenskyj Mittwochabend in seiner täglichen Videoansprache.

„Bitte nehmen Sie sich die Zeit, Ihren Nächsten freundliche Worte zu sagen.“ Selenskyj rief die Ukrainer auf, sich in Notlagen gegenseitig zu helfen. „Wenn Sie wissen, dass jemand einen Sohn oder eine Tochter aus dem Krieg erwartet, passen Sie bitte auf: Sagen Sie Hallo, hören Sie zu, helfen Sie“, sagte der ukrainische Staatschef. „Umarmen Sie Ihre Familie öfter.“

Habeck: Moskau steuert auf Niederlage zu

Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck sieht Russland unterdessen auf dem Weg zur militärischen Niederlage. „Niemand hätte gedacht, dass das Jahr 2022 so endet“, sagte der Grünen-Politiker der dpa in Berlin. „Putin verliert diesen Krieg auf dem Schlachtfeld“, sagte er mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die Ukraine bekomme Waffen von den USA, der NATO und Europa und setze diese „geschickt und strategisch, klug und heldenhaft“ ein.

„Ich bin dafür, dass Deutschland zusammen mit den Alliierten die Ukraine so unterstützt, dass sie diesen Krieg gewinnen kann“, sagte Habeck, der sich schon vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für Waffenlieferungen an das Land eingesetzt hatte. „Es wird sicherlich immer wieder neue Systeme, weitere Unterstützung geben, aber sie müssen immer im Verbund mit den Alliierten abgesprochen werden.“ So sei man weit gekommen, die nächsten Schritte würden sicherlich weitere Erfolge für die Ukraine ermöglichen.