Migration: NGO kritisiert Italiens Kodex für Rettungsschiffe

Die bei der Rettung von Geflüchteten im Mittelmeer aktive Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen kritisiert den von der italienischen Regierung gestern verabschiedeten Verhaltenskodex für Rettungsschiffe. Das Kabinett hatte beschlossen, dass Schiffe nach einer Seenotrettung „unverzüglich“ einen Hafen ansteuern müssen, anstatt noch länger auf See nach weiteren Flüchtlingsbooten zu suchen.

Die NGOs müssen zudem bereits an Bord ihrer Schiffe die geretteten Menschen darüber informieren, dass sie überall in der Europäischen Union um Schutz bitten können. Bei Zuwiderhandlung droht den Kapitänen und Kapitäninnen eine Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro. Bei wiederholten Verstößen kann das Schiff beschlagnahmt werden.

Warnung vor mehr Toten

„Wir werden gezwungen sein, die Hilfsgebiete im Mittelmeer ungeschützt zu lassen, was unweigerlich zu einem Anstieg der Zahl der Toten führen wird. Das Fehlen eines staatlichen Hilfssystems ist eine Lücke, die wir in den letzten Jahren zu füllen versucht haben. Aber wenn die Regierung unsere Aufgabe erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht, wer wird dann noch Leben im Mittelmeer retten?“, fragte Marco Bertotto, Leiter der italienischen Abteilung von Ärzte ohne Grenzen, in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung „La Stampa“ am Donnerstag.

Riccardo Gatti, der für das von Ärzte ohne Grenzen betriebene Rettungsschiff „Geo Barents“ zuständig ist, warnte vor den negativen Auswirkungen des Regierungsdekrets. „Wenn es keinen Krankenwagen gibt, wird der Kranke nicht gerettet und er stirbt vielleicht. Seit Jahren wird versucht, die Arbeit der Rettungsschiffe im Mittelmeer zu stoppen. Diese Strategie erhöht das Sterberisiko für Tausende von Menschen exponentiell. Und es schaltet die einzigen Augen aus, die sehen, was passiert“, so Gatti.

Oliver Kulikowski, Sprecher von Sea-Watch, sagte dazu: „Das neue Dekret der italienischen Regierung ist eine Aufforderung zum Ertrinkenlassen. Schiffe in den Hafen zu zwingen, verstößt gegen die Pflicht zur Rettung, sollten noch weitere Menschen in Seenot sein. Wir werden uns auch diesem Versuch entgegenstellen, zivile Seenotrettung zu kriminalisieren und Flüchtende ihrer Rechte zu berauben.“