Illustration zeigt eine Hand über einer stark glühenden Glühbirne
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Auf dem Patentamt

Wie man Erfindergeist aus der Flasche lässt

In zahllosen Seelen schlummert der Erfindergeist oder zumindest die Fantasie, mit nur einem Geistesblitz reich zu werden. Doch erfunden worden ist schon viel, zudem brauchen heutige Innovationen oft hochspezialisiertes Fachwissen. Ein Besuch auf dem Patentamt zeigt jedoch: Die eine gute Idee kann immer noch den Durchbruch schaffen.

Recht unscheinbar, in einem grauen Bürogebäude auf der Wiener Dresdner Straße residiert das österreichische Patentamt, umtost vom Verkehr. Vor Kurzem war die Fassade noch mit regenbogenfarbenen Folien verziert und Sprüchen wie „Love is Love. Patent is Patent“ – ein Relikt des Pride Month. „Es hat uns gefallen, deshalb haben wir es länger hängen lassen“, sagt Mariana Karepova, die Präsidentin des Amtes. Bunt ist es jetzt nur noch drinnen, Kunstwerke und Einsteins Konterfei hängen an den Bürowänden, hier und da ist das hauseigene Motto zu sehen: „Nerds don’t cry“.

Die studierte Ökonomin Karepova übernahm den Chefsessel 2015 und versucht seither, das altehrwürdige Amt, gegründet 1899, zu öffnen. „Früher war es eine Art Blackbox“, so Karepova, während sie an der Ahnengalerie der früheren Präsidenten – alles honorige Männergesichter auf Schwarz-Weiß-Bildern – vorbeigeht.

Die Türen sollen offen stehen für alle Interessierten, Berufserfinder, Unis und Studierende, große Firmen und Start-ups, aber eben auch für jene Menschen, die diese eine gute Idee haben und nur einmal vorsichtig nachfragen wollen, ob sie sich auszahlen könnte.

Österreicher „sensationell“

Die Österreicherinnen und Österreicher lieben es zu erfinden, so zumindest besagt es die Statistik. 2021 gab es weltweit 11.000 Einreichungen, rund die Hälfte wird üblicherweise tatsächlich ein Patent. Weltweit steht Österreich auf Platz zehn, in der EU an fünfter Stelle. „Das ist sensationell“, sagt Karepova.

Mariana Karepova (Präsidentin des Österreichischen Patentamtes)
Österreichisches Patentamt/Reither
Mariana Karepova

Der Trend gehe freilich stark zu hochspezialisierten Erfindungen, etwa in der Technologie oder in naturwissenschaftlichen Gebieten, fast überall ist Software drin, Sensorik und Chemie. Oft braucht man ein Team, die entsprechende Forschung geschieht multidisziplinär. Und freilich: Es ist ja schon so viel erfunden.

Suche nach Daniel Düsentriebs Erben

Einer, der dafür mitverantwortlich zeichnete, war Peter Florjancic: Der Slowene, der 2020 im Alter von 101 Jahren verstarb, war Skispringer, Schauspieler, Autor und Berufserfinder. Er meldete rund 400 Patente an, auch in Österreich, wie sich Karepova erinnert. Dutzende wurden realisiert, darunter der Parfumzerstäuber und der Reißverschluss. Auch eine frühe Version des Airbags erfand Florjancic, meldete ihn aber nicht an.

Doch Florjancic war ebenso eine Seltenheit wie komplett Außenstehende, denen der Geistesblitz im Bett oder unter der Dusche einfällt. Und dennoch gibt es sie noch, die praktischen Helferlein, kleine Problemlöser, die auch ohne Hightech-Expertise funktionieren und die jedermann und jedefrau entdecken kann.

Als Beispiel nennt Karepova den Einfall der oberösterreichischen Maskenbildnerin Andrea Lehner: Sie erfand eine Art Schablone zum einfachen Formen und Epilieren von Augenbrauen. Sie meldete das Patent an, inzwischen vertreibt Lehner das Produkt im Großhandel in Dutzenden Ländern der Welt, eine Lohnfertigung in China stanzt und verpackt die Schablonen – ein durchschlagender Erfolg.

Goodies vom Pantentamt
ORF
Auch außenstehende Interessierte sollen sich vom Patentamt anlocken lassen

Genau solchen Ideen soll das Amt zugänglich sein, so Karepova. Sie will den Zugang niederschwellig gestalten und die Wände der Blackbox einreißen. Als Sinnbild ließ das Patentamt Servietten mit der Aufschrift „Viele Dinge sind auf Servietten entstanden“ entwerfen. Sie sollen zeigen, dass sogar ein gezeichneter Entwurf auf einem Schmierblatt reicht, um eine Meinung einzuholen. Tatsächlich kann man solche Entwürfe oder auch Fotos auf der Homepage des Amts hochladen. Die Fachleute sehen sich die Idee an und antworten.

Handelbares Wissen

Das Patentamt geht auch an Unis und zu Start-ups, veranstaltet Pop-up-Stores und Seminare. Dafür gibt es eine eigene „IP-Academy“, um Interessierten Wissen über Abläufe, Sinn und Zweck von Patenten und geistigem Eigentum (Intellectual Property, IP) näherzubringen. Wozu braucht man ein Patent? Wie melde ich es an, ab wann sollte es eingereicht werden? Wo soll man überhaupt anfangen? Am Beginn herrscht oft Ratlosigkeit, die das Patentamt beenden kann.

„Es ist wichtig, die Kontrolle über sein geistiges Eigentum zu haben, dann kann man auch nicht über den Tisch gezogen werden“, so Karepova. „Es ist ein gesellschaftlicher Vertrag, es macht Wissen handelbar.“ Das Patent regelt das Handeln mit Wissen. Man könne Patente auch verschenken oder freigeben, aber die Lösungen sollten geschützt sein.

Was ein Patent sein muss

Ist eine Idee geboren, kostet die erste Einreichung eine Gebühr von 322 Euro. Dafür berät das Amt bei allen Fragen, und die rund 100 Patentprüferinnen und -prüfer durchforsten Datenbanken auf der ganzen Welt, um herauszufinden, ob die Erfindung auch tatsächlich noch nicht da war. „Wir übersehen nichts“, so Karepova. Ein Patent muss bestimmte Bedingungen erfüllen: Es muss weltweit neu sein und bisher nicht öffentlich beschrieben. Es muss „erfinderisch“ sein und sich abheben.

Ist das Patent erteilt, fallen fünf Jahre keine Jahresgebühren an, danach steigen sie von Jahr zu Jahr. Die Maximaldauer beträgt 20 Jahre. In dieser Zeit darf sonst niemand anderer die Idee kommerziell nutzen. Bald kommt auch auf europäischer Ebene das Einheitspatent mit einheitlicher Wirkung in den 17 teilnehmenden Ländern.

Denn das Patentrecht ist eigentlich regional. Man meldet an, wo man produziert oder verkauft. Inzwischen wird übers Netz aber selbst das kleinste oder nutzloseste Produkt weltweit gehandelt. Auch kleine Firmen müssen sich daher international schützen, das kann teuer und langwierig sein. Das Amt, das dem Klimaschutzministerium untersteht, hilft auch bei der Frage, was in welchem Fall sinnvoll ist.

Für den Einstieg

Um kleine Firmen und auch Einzelpersonen anzusprechen, gibt es manche Erleichterung. Mit einem „Patentscheck“ der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) werden Start-ups gefördert, die Patente einreichen wollen. Auch eine provisorische Patentanmeldung ist möglich: Es gilt für ein Jahr und kostet 50 Euro, die Idee muss dafür noch nicht vollends dokumentiert sein. Der Erfinder oder die Erfinderin hat Zeit, sich mit Produkt und Perspektiven auseinanderzusetzen, und genießt dennoch einen gewissen Schutz. Das ist etwa für Start-ups wichtig, da sie zwar vielleicht eine gute Idee haben, diese aber auch erst einmal mit vielen anderen, etwa Investoren teilen müssen.

Beschämende Frauenquote

Weil die Frauenquote mit acht Prozent Anteil beim Patentieren in Österreich beschämend gering ist, sollen auch Frauen speziell angesprochen werden. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Frauen holen in den innovationslastigen MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) noch auf, zudem patentieren Frauen häufig in Teams, nehmen aber seltener führende Rollen dabei ein. Generell patentieren Forscherinnen an europäischen Unis – trotz gleicher Produktivität – um 40 Prozent weniger als die männlichen Kollegen.

Auch hier gibt es freilich Ausnahmen. Alberta Bonanni erfand etwa einen robusten Halbleiterlaser für den speziell in der Telekommunikation wichtigen Infrarotbereich. Miriam Unterlass erfand ein Verfahren zur Herstellung von kristallinen Polyimiden, das die Kunststoffproduktion umweltschonender macht. Aber die Gesamtentwicklung von Jahrzehnten umzukehren ist zäh.

Geld sollte kein Antrieb sein

Das Amt bietet dafür Seminare von Frauen für Frauen an, man plant im neuen Jahr strukturierte Gespräche mit Firmen und Unis und will die Bewusstseinsbildung forcieren. „Wir wollen die Frauen in die Auslage stellen“, so Karepova. So habe es etwa auch schon eine eigene Spezialkategorie beim Staatspreis Patent gegeben. Der kommende Staatspreis, dieses Mal mit dem Spezialpreis Weltraum, wird am 26. April verliehen, am „World IP Day“. Dann hoffen die Patenthüter von der Dresdner Straße wieder, neue Interessierte anzulocken.

Richtig reich werden aber auch davon nur die wenigsten mit einer einzigen Erfindung. Eine Untersuchung von Patenten der US-Uni Stanford seit 1970 zeigte, dass zwar von 10.000 Einreichungen die Hälfte zu Patenten werden und davon wiederum die Hälfte auch in der Praxis verwendet wird. Doch nur drei brachten tatsächlich ein Millionenvermögen ein.