Ein Mitarbeiter einer Hightech-Firma in Hanoi
APA/AFP/Nhac Nguyen
Auf der Überholspur

Vietnam als neues China für Hightech

Bei der Fertigung von Hightech setzt sich Vietnam für westliche Investoren zunehmend als Alternative zu China durch. Samsung ist hier Vorreiter, Konkurrent Apple will folgen. Vietnam beschert das ein Wirtschaftswachstum, von dem die meisten Länder nur träumen können.

Das Bruttoinlandsprodukt von Vietnam legte heuer um acht Prozent zu, wie aus amtlichen Statistiken vom Donnerstag hervorgeht. Das ist nicht nur das schnellste Wachstum der Region, sondern auch die höchste Rate für die sozialistische Republik seit einem Vierteljahrhundert. Getrieben ist sie von Exporten, die um mehr als zehn Prozent auf 372 Milliarden Dollar gestiegen sind.

70 Prozent der Exporte werden von Niederlassungen ausländischer Unternehmen getätigt, wobei Mobiltelefone einer der Exportschlager sind. Das hat auch damit zu tun, dass der südkoreanische Elektronikriese Samsung alleine für 20 Prozent der vietnamesischen Exporte verantwortlich zeichnet. Mehr als 50 Prozent von Samsungs Smartphones stammen derzeit aus Vietnam.

Samsung macht es vor

In Vietnams Hauptstadt Hanoi baut Samsung nun seinen größten Produktionsstandort für Smartphones auch zum Innovationszentrum aus. In dem neuen Gebäude will der Konzern auf fast 12.000 Quadratmeter Fläche in 16 Etagen Software für seine Handys und Technik für Mobilnetze entwickeln, berichtete unter anderem die Onlinezeitung heise.de.

Apple will 2023 kommen

Bei anderen Unternehmen wie dem Konkurrenten Apple dominiert hingegen noch China die Produktion von Hightech. Laut US-Bank J.P. Morgan produziert Apple dort mehr als 95 Prozent seiner Produkte. Doch die coronavirusbedingten Unsicherheiten und die zunehmenden geopolitischen Unstimmigkeiten zwischen Washington und Peking – befeuert noch durch den Ukraine-Krieg – sorgen auch bei Apple für ein Umdenken.

Container am Hafen von Hai Phong
Reuters/Nguyen Huy Kham
Stark steigende Exporte sind Vietnams Wirtschaftsmotor

Im Frühjahr soll Apple-Zulieferer Foxconn mit der Produktion von MacBooks in Vietnam beginnen. Eine 300 Millionen US-Dollar teure Fabrik im Norden des Landes ist offenbar fast betriebsbereit, berichtete unlängst die „Financial Times“ („FT“). Mit dem Produktionsstandort außerhalb Chinas wolle Apple seine Lieferketten stärker diversifizieren. Neben MacBooks peile Apple für vietnamesische Standorte auch die Produktion von Apple-Watch-Computeruhren, AirPods und den smarten Lautsprechern der HomePod-Reihe an, hieß es in früheren Berichten.

Chinas Vorsprung schmilzt

J.P. Morgan sagte voraus, dass Apple seine Produktion in China bis 2025 auf 75 Prozent senken werde. „Insgesamt schwinden Chinas Vorteile in Bezug auf die kostengünstige Fertigung, und viele US-Unternehmen schauen sich nach Alternativen außerhalb Chinas um“, zitierte die „FT“ einen Experten. Anfangs sei das vor allem durch den Druck der US-Regierung von Donald Trump begründet gewesen, Ware aus China mit Strafzöllen zu belegen. Dann sei vor allem die CoV-Politik der kommunistischen Führung in Peking zum Problem geworden.

Vietnam ist ein großer Profiteur dieser Entwicklung. Samsung steht symbolisch dafür. In den letzten Jahren hat der Konzern 20 Milliarden Dollar in Fabriken investiert und sich zum größten ausländischen Investor in Vietnam gemausert. Weitere 3,3 Milliarden Dollar bei der Halbleiterproduktion sind demnächst geplant. Rund 160.000 Jobs hängen direkt oder indirekt von Samsungs Niederlassungen in Vietnam, das mit billigen Löhnen lockt, ab.

Näher in einer Fabrik in Hung Yen
Reuters/Kham
Vietnam lockt mit niedrigen Löhnen auch Textilunternehmen an

Schon vor der Coronavirus-Pandemie gehörte Vietnam über Jahre zu den am stärksten wachsenden Volkswirtschaften Asiens. Lebten Mitte der 1990er Jahre noch mehr als 50 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, waren es 2018 nur noch knapp sieben Prozent. 2019 legte das Bruttoinlandsprodukt um sieben Prozent zu. Etliche Beobachter orteten gar ein Wirtschaftswunder.

Es gibt aber auch viele Probleme

Während der beiden Pandemiejahre sackte das Wachstum dann aber auf unter drei Prozent ab. „Die Wirtschaft hat sich erholt“, erklärte das Statistikamt in Hanoi nun. Mit acht Prozent übertraf das Wachstum 2022 auch das Ziel der Regierung, die sechs bis 6,5 Prozent anvisiert hatte. Allerdings verlangsamte es sich zum Ende des laufenden Jahres. Im vierten Quartal betrug das Wachstum nur noch 5,9 Prozent.

Die Exporte sanken im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar um sechs Prozent, weil wegen Inflation und Ukraine-Krieg Bestellungen aus Europa und den USA ausblieben. Auch das Statistikamt warnte am Donnerstag vor den Folgen „weltweiter politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten und Herausforderungen“. Nach Angaben des vietnamesischen Gewerkschaftsbundes wurde in den vergangenen vier Monaten fast einer halben Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Arbeitszeit gekürzt, etwa 40.000 Menschen verloren ihren Job.

Und auch sonst ist die Liste an Problemen, mit denen Vietnam zu kämpfen hat, lang: Sie reiche von einer überfälligen Steuerreform über den Umgang mit den Staatskonzernen, den neuen Milliardären, der Korruption und der Stabilisierung des Wohnungsmarkts bis zum raschen Aufbau klimafreundlicher Energieversorgung, zählte die „Frankfurter Allgemeine“ („FAZ“) am Donnerstag auf. So verzögere sich eine Fabrik von Lego, weil der Spielzeughersteller seine klimaschädliche Plastikfertigung mit grüner Energie zumindest teilweise ausgleichen will – die fehle Vietnam aber noch.