Einheit zur Sabotageabwehr in Russland
IMAGO/FSB
Mehr Anschläge

Putin erhöht Strafen für Sabotage

Der Kreml verschärft nicht nur die Angriffe auf die Ukraine und insbesondere die dortige Energieinfrastruktur. Auch in Russland fährt Präsident Wladimir Putin eine härtere Gangart. Am Donnerstag unterzeichnete er ein Gesetz, das die Strafe für Sabotageakte und Unterwanderung der sozialen Ordnung auf bis zu lebenslange Haft verschärft. Innerhalb der russischen Elite dürfte sich Beobachtern zufolge die Spaltung über die weitere Vorgangsweise im Krieg gegen die Ukraine vertieft haben.

Mit der Gesetzesverschärfung können nicht nur Sabotageakte selbst, sondern auch die Finanzierung, das Werben und die Vorbereitung von Staatsstreichen und anderen „subversiven Handlungen“ bestraft werden. Damit reagierte Putin auf Anschläge gegen die Infrastruktur in Russland seit Beginn des Einmarsches in die Ukraine. Vor allem nach der von Putin ausgerufenen Mobilmachung verstärkten sich die Anschläge. Allein bis November wurden Angriffe auf mehr als 75 öffentliche Gebäude registriert, davon mehr als 50 auf Militärkommissariate.

Bürgerrechtler kritisieren, dass mit der Gesetzesänderung aufgrund schwammiger Formulierungen großer Spielraum für die Verfolgung Oppositioneller und Andersdenkender bestehe. Schon in den vergangenen Monaten wurden viele Kriegskritiker unter dem Vorwand der „Diskreditierung der russischen Armee“ zu langen Haftstrafen verurteilt.

Berichte über Sammlung russischer Truppen in Luhansk

Im Krieg mit der Ukraine gibt es keine Winterruhe. In der Nacht auf Freitag wehrte die ukrainische Flugabwehr nach Behördenangaben Drohnenangriffe in Kiew und Umgebung sowie im Osten des Landes ab. Am Donnerstag reichte der Beschuss durch russische Raketen bis weit in den Westen der Ukraine – nahe der Grenze zu Rumänien und der Slowakei. Erneut wurden Infrastrukturziele getroffen.

„Heute Abend kommt es in den meisten Regionen der Ukraine zu Stromausfällen“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstagabend in einer Videoansprache. „Besonders schwierig“ sei die Lage unter anderem in der Region Kiew und in der Hauptstadt selbst, in der westlichen Region Lwiw sowie in den Regionen Odessa und Cherson im Süden des Landes.

In der westukrainischen Stadt Lwiw waren nach Explosionen laut dem dortigen Bürgermeister 90 Prozent der Haushalte ohne Strom. Gemeldet wurden Explosionen auch aus den Gebieten Poltawa, Odessa, Charkiw, Mykolajiw. Am Mittwoch war auch Cherson im Visier der Angriffe.

Zerstörung nach Raketeneinschlag nahe Kiew
Reuters/State Emergency Service of Ukraine
Beim russischen Beschuss wurden auch Einfamilienhäuser am Rand von Kiew getroffen

Putin weihte Kriegsschiffe ein

In Moskau weihte Putin unterdessen am Donnerstag in einer Zeremonie per Videobotschaft mehrere neue Kriegsschiffe ein, darunter ein U-Boot, das Atomraketen abfeuern kann. Putin kündigte die Produktion weiterer Schiffe an und rühmte die Fähigkeiten der russischen Marine. Dennoch gilt die russische Armee weiterhin als unzureichend ausgerüstet und schlecht organisiert.

Kiew meldete am Donnerstag ein Vorrücken seiner Truppen bei der strategisch wichtigsten Stadt Kreminna im Gebiet Luhansk. Zugleich berichtete die amerikanische Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW), dass die russische Armee im Gebiet Luhansk Truppen sammle und sich für eine Entscheidungsschlacht rüste. Auch der ukrainische Militärgouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, berichtete auf seinem Telegram-Kanal von einer russischen Truppenkonzentration und schweren Kämpfen vor Kreminna.

Widersprüche bei Elite

Niederlagen an der Front verschärften auch die Spaltung der russischen Elite, von der US-Medien bereits vor wenigen Monaten berichteten, die aber vom Kreml zurückgewiesen wurde. Erst vor wenigen Tagen sprach ein US-Beamter gegenüber der Nachrichtenagentur AFP davon, dass es in der russischen Führung unterschiedliche Auffassungen bezüglich einer Winteroffensive gebe: „Ich denke, wir sehen widersprüchliche Dinge.“ Einige wollten weitere Offensiven gegen die Ukraine führen, andere hätten „echte Fragen über die Fähigkeit Russlands, das tatsächlich zu tun“.

Ähnlich argumentierte die Politologin Tatjana Stanowaja für einen Beitrag für den Thinktank Carnegie Endowment for International Peace. Die Elite sei zwar weiterhin im Putin-Lager und Teil des Systems. Sie spalte sich aber in die Realisten, die eine taktische Pause für die Überdenkung der Ziele und eine Neuorganisation der Armee fordern, und in diejenigen, die eine Eskalation um jeden Preis befürworten.

Rückzug aus Charkiw und Cherson als Wendepunkt

Diese Vertreter würden auch von einer schlechten Lage an der Front profitieren, da ihr politischer Einfluss dann zunehme, so die Expertin. Zu dieser Gruppe zählen demzufolge etwa Jewgeni Prigoschin mit seiner Wagner-Söldnergruppe und Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow. Entscheidend für diese Entwicklung innerhalb der Elite sei der russische Rückzug aus Charkiw und Cherson vor wenigen Monaten gewesen.

Jewgeni Prigoschin
AP
Prigoschin, Chef der Wagner-Gruppe, gilt als Unterstützer der Eskalation der russischen Angriffe

Putins Funktion als Führer werde „immer mehr ausgehöhlt, weil er diesen Krieg immer noch als ‚Spezialoperation‘ führt, ohne seine Ziele zu verdeutlichen“, analysiert Stanowaja. Vor allem die Befürworter der Eskalation beeinflussen nach Ansicht der Politologin derzeit die russische Strategie in der Ukraine: „Sie sind der Grund dafür, dass Putin von der Taktik des Abwartens zu heftigen Angriffen auf die Energieinfrastruktur der Ukraine übergegangen ist.“