Beamte der Behörde zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens (DIICOT) führten am Donnerstag eine Hausdurchsuchung in der Villa von Tate in der Ortschaft Voluntari nördlich von Bukarest durch, wie rumänische Medien berichteten. Tate und sein Bruder Tristan wurden im Zuge der Razzia festgenommen und von der zuständigen Staatsanwaltschaft befragt. Bis Freitagabend soll entschieden werden, ob sie in Gewahrsam bleiben.
Die Polizei teilte offiziell mit, „zwei britische Staatsbürger“ in Gewahrsam genommen zu haben. Insgesamt seien fünf Örtlichkeiten im Zuge von Ermittlungen gegen eine kriminelle Organisation durchgeführt worden, der Menschenhandel und Vergewaltigung vorgeworfen werde.
Physische Gewalt und Nötigung
Die Ermittler werfen dem ehemaligen Kickboxer und seinem Bruder vor, Frauen mit physischer Gewalt und mentaler Nötigung zum Mitwirken in Pornoclips gezwungen zu haben. Die bisher sechs nachgewiesenen Opfer seien nach der Loverboy-Methode rekrutiert worden, heißt es in einer Mitteilung von DIICOT. Sie seien mit Versprechen auf Liebe und Heirat angelockt worden.
Danach habe man die Frauen und Mädchen mit Gewalt und Einschüchterung in verschiedenen Wohnungen in der Umgebung von Bukarest festgehalten. Dort seien sie zum Sex und zu Auftritten in pornografischen Videos gezwungen worden, die dann in sozialen Netzwerken verbreitet worden seien. Eines der Opfer sei zudem zweimal von einem der Festgenommenen vergewaltigt worden.
Neben den beiden Briten wird auch gegen rumänische Helferinnen und Helfer ermittelt, berichteten lokale Medien. Unter den Verdächtigen soll sich eine ehemalige Polizistin befinden. Bei den Razzien wurden Waffen, Bargeld und Luxusautos sichergestellt, wie ein von der Polizei veröffentlichtes Video zeigen soll. Das Anwesen der Tates war wegen ähnlicher Anschuldigungen bereits im April durchsucht worden.
„Die Matrix hat ihre Agenten geschickt“
Die britische Zeitung „Daily Mirror“ zitierte einen Sprecher von Tate mit den Worten, man könne zwar im Moment keine Einzelheiten zu entsprechenden Berichten über die Festnahme nennen. „Andrew und Tristan Tate haben jedoch den größten Respekt vor den rumänischen Behörden und werden helfen, wo sie können.“
Tate twitterte am Freitag aus dem Arrest der Bukarester Polizei: „Die Matrix hat ihre Agenten geschickt.“ Damit wollte der 36-Jährige wohl andeuten, Opfer einer Verschwörung zu sein. Im Film „Matrix“ von 1999 gibt es eine Pille, die dem Hacker Neo (Keanu Reeves) angeboten wird, damit dieser Zugang zur echten Welt jenseits der Kunstwelt (Matrix) bekommt. Rechtsextreme Verschwörungstheoretiker, aber auch frauenfeindliche „Männerrechtler“ nutzen dieses Bild von der echten Realität, die es zu erkennen gelte, um Unwahres und „Fake News“ als Akt des Widerstandes zu rechtfertigen.
Twitter-Streit mit Thunberg
Der Ex-Kickboxer ist wegen seiner frauenfeindlichen und hasserfüllten Kommentare auf zahlreichen Social-Media-Plattformen gesperrt. Auch auf Twitter konnte er jahrelang nicht posten – bis der neue Twitter-Chef Elon Musk die Sperre aufhob. In den vergangenen Tagen hatte sich der 36-Jährige Wortgefechte mit Klimaaktivistin Thunberg geliefert.
Tate hatte sich in einem Tweet, in dem er mit seiner Autosammlung und deren Emissionen prahlt, direkt an Thunberg gewandet. Die Schwedin hatte sich daraufhin über den 36-Jährigen lustig gemacht. Der Tweet verbreitete sich wie ein Lauffeuer auf der Plattform, was eine Videoantwort Tates – im roten Bademantel, mit Zigarre im Mund – nach sich zog.
Verwirrung um Rolle von Pizzakarton
Im Clip zu sehen war ein Pizzakarton mit rumänischer Aufschrift, die die Polizei gerüchteweise auf die Spur geführt haben soll. Allerdings verbreitete Tate am 25. Dezember auf Twitter ein Video, das nach eigenen Angaben während einer Wanderung in Rumänien aufgenommen wurde. Laut Polizeibericht gaben die Onlineaktivitäten von Tate und dessen ebenfalls festgenommenem Bruder Tristan den Ermittlern den Hinweis, dass sich die beiden Briten im Land aufhielten.
Mit Blick auf Medienberichte, wonach dieser Pizzakarton einen Hinweis auf den Aufenthaltsort Tates gegeben habe, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft DIICOT auf dpa-Anfrage: „Das sind amüsante Spekulationen.“ Thunberg legte unterdessen bei Twitter nach und schrieb am Freitag: „Das passiert, wenn man seine Pizzakartons nicht recycelt.“
Lange Liste frauenfeindlicher Äußerungen
Tate wurde in der US-Hauptstadt Washington geboren und wuchs im englischen Luton auf. Sein Vater war der Schachprofi Emory Tate. Bekannt wurde der ehemalige Kickboxer 2016 als kurzzeitiger Teilnehmer der britischen Ausgabe von „Big Brother“. Er musste die Show verlassen, nachdem ein Video auftauchte, in dem Tate eine Frau mit einem Gürtel schlug. Tate erklärte damals, die Aufnahme sei verändert worden, um ihn in ein schiefes Licht zu rücken.
In sozialen Netzwerken stellte sich der Ex-Sportler als Macho und Selbsthilfeguru für männliche Jugendliche und Männer mit einem Faible für teure Autos dar. Berüchtigt wurde er für frauenfeindliche Aussagen. So erklärte er, Vergewaltigungsopfer trügen eine Mitschuld für die Angriffe auf sich. In Videos schwelgte er in Gewaltfantasien gegen Frauen. Er selbst bevorzuge 18-, 19-jährige Beziehungspartnerinnen, da er Frauen in diesem Alter noch „seinen Stempel aufdrücken“ könne. Zudem bezeichnete er Frauen als Eigentum des Mannes und sprach ihnen die Fähigkeit ab, Auto fahren zu können.
Anknüpfungspunkte an extreme Rechte
Trotz seiner hasserfüllten und misogynen Kommentare war Tate in sozialen Netzwerken überaus erfolgreich. Auf der Plattform TikTok, von der er mittlerweile verbannt wurde, wurden seine Videos laut „Guardian“ mehr als elf Milliarden Mal aufgerufen, auf YouTube folgten 740.000 Accounts Tates Channel. Im Jahr 2022 war der 36-Jährige eine der meistgesuchten Personen auf Google. Facebook, Instagram, YouTube und TikTok haben Tate mittlerweile gesperrt, seine Videos zirkulieren aber weiterhin.
Starken Anteil an Tates kometenhaftem Aufstieg in den sozialen Netzwerken hätte eine gezielte Kampagne gehabt, berichtete die britische Zeitung „Observer“ im Sommer. Mit Hilfe von Mitgliedern von Tates Onlineakademie und eigens aufgesetzten Accounts sei etwa der Algorithmus von TikTok zugunsten Tates manipuliert worden, schrieb das Blatt. Die laut „Observer“ mittlerweile stillgelegte Onlineakademie hatte zuletzt fast 130.000 teilweise sehr junge Teilnehmer, die monatlich etwa 47 Euro für ihre Mitgliedschaft bezahlten.
Tate hatte auch Anknüpfungspunkte zu extrem rechten und Verschwörungstheoretikerkreisen. Er ist Anhänger der „Red Pill Theory“, war zu Gast im Podcast von Alex Jones. In seinen eigenen Podcast lud er unter anderem Mike Cernovich ein. Cernovich verbreitete im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 die als „Pizzagate“ bekanntgewordene Verschwörungstheorie, wonach in einer Pizzeria in Washington D. C. ein Kinderpornoring agiere, in den die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton verwickelt sei.