Seit 9. Dezember sitzt Kaili in Untersuchungshaft in Belgien, die kürzlich verlängert worden ist. Auch drei weitere Verdächtige bleiben vorerst inhaftiert: der ehemalige italienische Europaabgeordnete Pier Antonio Panzeri, der italienische Generalsekretär der NGO No Peace Without Justice, Niccolo Figa-Talamanca, sowie Kailis Lebensgefährte Francesco Giorgi. Kailis Anwalt Michalis Dimitrakopoulos schiebt Giorgi alle Schuld zu, trotz jüngster Medienberichte über ein Teilgeständnis der ehemaligen Parlamentsvize.
Nun verfolgen die griechischen Behörden die möglichen Geldflüsse aus Katar, die an Kailis Kreis gegangen sein sollen. Der Gruppe wird vorgeworfen, für Katar im EU-Parlament Stimmung gegen Geld gemacht zu haben. In Kailis Brüsseler Wohnung waren Säcke voller Geld gefunden worden, ebenso bei Kailis Vater in einem Brüsseler Hotel.
Bei Panzeri fanden die Ermittler weitere 600.000 Euro. Kaili, der auch Betrug mit EU-Haushaltsmitteln vorgeworfen wird, verlor als Konsequenz ihr EU-Amt sowie die Mitgliedschaften in der griechischen PASOK-Partei und der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament.
20 Millionen auf panamaischen Konten vermutet
Der Vorsitzende der griechischen Anti-Geldwäsche-Behörde, Charalampos Vourliotis, richtete laut dem Onlinemagazin Politico ein dringendes Ersuchen an die Behörden in Panama. Sie sollten herausfinden, ob über das Steuerparadies Gelder aus dem Emirat an Kaili selbst oder an mutmaßliche Komplizen ging. Dabei gehe es um insgesamt 20 Millionen Euro, so Politico. Kurz nach Kailis Verhaftung hatte die griechische Finanz alle Vermögenswerte der Familie Kaili eingefroren. Auch ein großes Grundstück auf der Insel Paros, das Kaili und Giorgi gekauft hatten, sowie das Konto, das zum Kauf verwendet wurde, wurden beschlagnahmt. Der Verdacht lautet auf „Annahme von Bestechungsgeldern und Geldwäsche“.

Das Ersuchen wurde als Folge von Hinweisen auf sozialen Netzwerken abgeschickt. Es gab Postings, die von diversen Medien aufgegriffen wurden, die offenbar Bankdokumente aus Panama mit Bezug zu Kaili zeigten. Laut diesen Abbildern sollen Kaili, ihr Vater Alexandros Kailis und ihre Mutter Maria Ignatiadou Konten bei der Bladex Bank of Panama halten, die mit Geldern aus Katar gespeist seien. Griechenland will nun aus Panama Kopien von Transaktionen, Schließfächer und mögliche Beweise über Immobiliengeschäfte.
Laut Kailis Anwalt sind die Dokumente gefälscht. Er habe die griechischen Behörden gebeten, dem nachzugehen, „um die Fälschung der Dokumente über mythische Überweisungen von Katar an Eva Kaili“ aufzudecken. Auch das Inselgrundstück sei legal erworben worden, aus dem Einkommen Kailis, so der Verteidiger.
Marokko im Visier
Nicht nur Katar und Panama sind nun Teil der Ermittlungen. Die belgischen Behörden gehen weiter den Hinweisen nach, wonach Marokko in dem Korruptionsskandal eine führende Rolle einnimmt. Der „Spiegel“ hatte kürzlich berichtet, dass der marokkanische Auslandsgeheimdienst DGED auf höchster Ebene darin involviert gewesen sein soll, Europaabgeordnete zu beeinflussen. Das Magazin berief sich dabei auf Ermittlungsdokumente.
Demzufolge hatte der DGED bereits 2019 Panzeri, Giorgi und den EU-Abgeordneten Andrea Cozzolino rekrutiert. Ziel sei es gewesen, die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament zu beeinflussen.
Für die Führung der drei Männer war dem Bericht zufolge der derzeitige marokkanische Botschafter in Polen, Abderrahim Atmun, zuständig. Laut „Spiegel“ soll dieser den Verdächtigen etwa Umschläge voller Bargeld überreicht haben. Zudem hätten die drei Italiener auch direkten Kontakt zum Generaldirektor des Geheimdienstes, Mohamed Yassine Mansouri, gehabt. Demzufolge soll Marokko sich zuletzt bei Themen wie Fischereirechten und der größtenteils von Rabat kontrollierten Westsahara engagiert haben.
Panzeri im Zentrum
Als Drahtzieher des Skandals gilt Panzeri, seine NGO soll Drehscheibe der Zahlungen von Drittstaaten an Entscheidungsträgerinnen und -träger der EU gewesen sein. Panzeri war viele Jahre Mitglied des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), derzeit die stärkste Oppositionspartei in Italien. 2017 wechselte er zur Partei des ehemaligen italienischen Kommunistenchefs und Ex-Premiers Massimo D’Alema, Articolo 1, blieb jedoch im Europäischen Parlament in der Fraktion der Sozialdemokraten.

Die Staatsanwaltschaft Brüssel ist sich sicher, dass bei Panzeri die Fäden zusammenliefen, wenn es darum ging, politische und wirtschaftliche Entscheidungen des EU-Parlaments zugunsten von Staaten wie Katar und Marokko zu beeinflussen. Panzeri hatte in seiner aktiven Zeit als EU-Abgeordneter als Vorsitzender der Delegation für Beziehungen zu Marokko auch offizielle Verbindungen zu dem Maghreb-Staat.